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Invasive Mykosen

Was Apotheker dazu wissen sollten

Invasive Mykosen sind lebensgefährliche Notfälle, die eine sofortige stationäre Therapie erfordern. Welche Patienten sind betroffen, wie werden sie behandelt und worauf sollten Apotheker in der Offizin bei der Beratung achten?
AutorKontaktStephanie Kirschke
AutorKontaktTill Klein
Datum 07.07.2024  08:00 Uhr

Invasive Mykosen sind durch Pilze verursachte Infektionen der inneren Organe sowie Blutstrominfektionen bis hin zur Sepsis (1). Sie betreffen fast ausschließlich immundefiziente Patienten und treten bedeutend seltener auf als topische Mykosen wie Fuß- und Nagelpilz. In den letzten Jahrzehnten sind jedoch steigende Inzidenzen zu verzeichnen (1, 2). So erkranken aktuellen Schätzungen zufolge pro Jahr weltweit etwa 4,7 Millionen Menschen an invasiven Pilzinfektionen, die zu mehr als 2,3 Millionen Todesfällen führen (3). Invasive Mykosen verzögern zudem medizinisch notwendige Behandlungen, zum Beispiel Chemotherapien, verlängern Krankenhausaufenthalte und verursachen erhebliche Kosten im Gesundheitswesen (4, 5, 6).

In den medialen Fokus gerieten invasive Mykosen während der COVID-19-Pandemie, als pulmonale Aspergillosen und Mucormykosen (»schwarzer Schimmel«) gehäuft als Sekundärinfektionen bei invasiv beatmeten Patienten auftraten (7, 8). 2022 veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erstmalig ein Strategiepapier, in dem auf die globale Bedrohung durch zunehmende Antimykotika-Resistenzen hingewiesen und der rationale optimierte Einsatz vorhandener Wirkstoffklassen gefordert wurde (9).

Dass Krankenhausapotheker durch intensivierte Beratung nicht nur den Antimykotika-Einsatz selbst, sondern auch die Diagnostik invasiver Mykosen verbessern können, ist durch Studien belegt (10). Da die Behandlung häufig eine langfristige Einnahme von Antimykotika erfordert, haben auch Offizinapotheker Kontakt zu Patienten und können durch ihre Beratung entscheidend zu einer sicheren und wirksamen Therapie beitragen.

Pilz ist nicht gleich Pilz

In Deutschland stellen Schätzungen zufolge Candidiasis, Aspergillosen und Pneumozystosen die häufigsten invasiven Mykosen dar. So sind pro Jahr etwa 2000 bis 12.000 Candida-Infektionen und 1000 bis 5000 Aspergillus-Infektionen zu verzeichnen (11, 12). Mucormykosen, Kryptokokkosen und Histoplasmosen treten seltener auf.

Gemein ist invasiven Mykosen eine hohe Mortalität von rund 35 bis 85 Prozent (2, 3). Hinsichtlich Übertragung, betroffener Organsysteme und Symptome unterscheiden sich die Mykosen hingegen teilweise grundlegend (Tabelle 1). So erfolgen beispielsweise Aspergillus- und Pneumocystis-Infektionen exogen durch die Inhalation von Sporen, während Candida-Infektionen in der Regel endogen aus einer Kolonisation der Schleimhäute entstehen, seltener auch exogen durch infiziertes Fremdmaterial (11, 13, 14).

Erreger Übertragung Klinisches Bild Diagnostik
Invasive Candidiasis
Candida albicans
Non-albicans-Arten:
C. glabrata, C. auris, C. parapsilosis und weitere
primär endogen durch Translokation des Erregers, ausgehend von Kolonisation der Haut oder Schleimhäute
exogen durch infiziertes Fremdmaterial, zum Beispiel zentralvenöse Katheter, Prothesen
Blutstrominfektion (Candidämie)
hämatogene Streuung und Beteiligung verschiedener Organe möglich, darunter Augen, Leber, Niere, Milz, Gelenke, Knochen
Symptome: Fieber, Leberdruckschmerz bei hepatolienaler Candidiasis
(Blut-)Kultur als Standard
serologischer Nachweis: beta-D-Glukan, Mannan-Antigen/Antikörper
bei Verdacht auf Organbeteiligung: Sonografie, CT, MRT
Invasive Aspergillose
Aspergillus fumigatus
seltener:
A. flavus, A. nidulans, A. terreus und weitere
exogen, primär durch Inhalation von Sporen primär pulmonale Aspergillose oder Aspergillose der NNH
hämatogene Streuung und Beteiligung verschiedener Organe möglich, darunter ZNS, Leber, Niere, Haut, Darm
Symptome: Fieber, Brustschmerz, Dyspnoe, Husten, Hämoptysen
Bildgebung als Standard: HR-CT
serologischer Nachweis: beta-D-Glukan, Galactomannan
molekularer Nachweis: PCR
mikroskopischer und kultureller Nachweis, zum Beispiel aus Lungenbiopsat
Pneumozystose
Pneumocystis jirovecii
exogen durch Inhalation von Erregern fast ausschließlich pulmonale Infektion
extrapulmonale Manifestation höchst selten, darunter Leber, Lymphknoten, Milz pulmonale Infektion
Symptome: nicht produktiver Husten, Dyspnoe, niedrig-/mittelgradiges Fieber, Tachypnoe
Standard: PCR und mikroskopischer Nachweis aus Material der unteren Atemwege
serologischer Nachweis: beta-D-Glukan
Bildgebung: Röntgen, CT
kultureller Nachweis nicht etabliert
Tabelle 1: Übersicht zur Übertragung, Klinik und Diagnostik der in Deutschland häufigsten invasiven Mykosen (11, 13, 18, 19)

Eine Sonderstellung nimmt Candida auris ein. Dieser Erreger wird per Schmierinfektion effizienter von Mensch zu Mensch übertragen als andere Candida-Arten und hat hierdurch inzwischen auch in Deutschland zu größeren nosokomialen Ausbrüchen geführt (13, 15). Candida auris ist zudem in der Lage, zahlreiche Antimykotika-Resistenzen zu entwickeln und wird daher – wie auch Aspergillus fumigatus aufgrund zunehmender Resistenzen gegenüber Azolantimykotika – von der WHO als besonders kritisch für die öffentliche Gesundheit eingestuft (9).

Die Diagnostik invasiver Mykosen ist komplex und stützt sich auf den Erregernachweis mittels kultureller Anzucht, mikroskopischer, serologischer und molekularer Methoden sowie auf klinische und radiologische Untersuchungen (Tabelle 1) (11). Bei serologischen Tests auf die Zellwandbestandteile beta-D-Glukan (BDG) und Galactomannan (GM, »Aspergillus-Antigen«, Nachweis zum Beispiel auch aus bronchoalveolärer Lavage), muss die Medikation des Patienten als potenzieller Störfaktor berücksichtigt werden. So können Immunglobuline und Humanalbumin zu erhöhten BDG-Werten und verschiedene Antibiotika, unter anderem Piperacillin/Tazobactam und Amoxicillin/Clavulansäure, zu erhöhten GM-Werten führen (14, 16, 17).

Prophylaxe für Hochrisikopatienten

Seit einigen Jahren ist ein Anstieg invasiver Pilzinfektionen bei hospitalisierten Patienten zu verzeichnen. Dies ist vor allem auf die zunehmende Anzahl immungeschwächter multimorbider Menschen und auf längere Überlebenszeiten, auch bei schwersten Erkrankungen, zurückzuführen.

Zur Hochrisikogruppe gehören unter anderem Patienten mit malignen hämatologischen Erkrankungen, HIV-Infektion, chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) oder langfristiger Steroideinnahme bei Autoimmunerkrankungen.

Während Patienten mit akuter myeloischer Leukämie unter zytostatischer Chemotherapie und Empfänger einer hämatologischen Stammzell- oder Organtransplantation ein erhöhtes Risiko für Aspergillus-Infektionen aufweisen, ist das Risiko einer Candida-Infektion nach Magen-Darm-Operationen, bei intensivmedizinisch betreuten Patienten und bei Frühgeborenen erhöht. Zusätzliche Risikofaktoren für Candida-Infektionen stellen die parenterale Ernährung, der Einsatz von Breitspektrum-Antibiotika sowie invasive Maßnahmen wie zentrale Gefäßkatheter und Beatmung dar (20).

Angesichts der hohen Mortalitätsraten invasiver Mykosen und der Schwierigkeit einer frühzeitigen Diagnose ist eine Prophylaxe bei Hochrisikopatienten unumgänglich. Da für eine erfolgreiche Behandlung ein unmittelbarer Therapiebeginn essenziell ist, die komplexe Diagnostik initial häufig aber keinen eindeutigen Befund für eine gezielte Therapie liefert, existieren verschiedene Strategien für den Behandlungsbeginn:

  • präemptiv: bei Verdacht auf eine invasive Pilzinfektion aufgrund von radiologischen Befunden oder Laborparametern, aber ohne direkten Erregernachweis;
  • empirisch: bei persistierendem Fieber bei Neutropenie trotz mehr als viertägiger antibakterieller Therapie und keiner bekannten Ursache des Fiebers (21).

Welche Wirkstoffe kommen zum Einsatz?

Drei wesentliche Substanzklassen stehen für die Prophylaxe und Behandlung der invasiven Candida- und Aspergillus-Infektionen zur Verfügung: Azole, Echinocandine und Polyene (Tabelle 2, Seite 36).

Die Azolantimykotika verhindern durch eine Cytochrom-P-(CYP-)450-Blockade in der Pilzzelle die enzymatische Umwandlung von Lanosterol in Ergosterol, wodurch unter anderem der Aufbau der Zellmembran gehemmt wird und toxische Fettsäuren akkumulieren. Aufgrund der Hemmung menschlicher CYP-450-Enzyme haben Azolantimykotika ein hohes Wechselwirkungspotenzial und es besteht zudem das Risiko einer Hepatotoxizität.

Zum Einsatz kommen die Triazole Posaconazol, Voriconazol, Isavuconazol und Fluconazol, die sowohl oral als auch parenteral appliziert werden können. Itraconazol spielt mittlerweile eine untergeordnete Rolle in der Prophylaxe und Behandlung invasiver Mykosen.

Indikation (­Beispiele) Dosierung Dosisanpassung Nebenwirkungen (sehr häufig, häufig, Beispiele) Besonderheiten
Azole
Posaconazol
Prophylaxe
Therapie: invasive Aspergillose (Zweitlinientherapie)
peroral (Tabl.), intravenös:
Tag 1: 2×300 mg,
ab Tag 2:
1×300 mg
peroral (Suspension):
Prophylaxe: 3×200 mg (= 5 ml)
Therapie:
4×200 mg (= 5 ml) oder 2×400 mg (= 10 ml)
Einnahme zu fettreicher Mahlzeit
CrCl<50 ml/min: vorzugsweise perorale Gabe
Child-Pugh C: mit Vorsicht verwenden
Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö
Hypertonie
Magnesium, Kalium ↓
Leberfunktionswerte ↑
QTc-Zeit-Verlängerung möglich
TDM erwägen
Suspension: Antacida, PPI und MCP verringern Resorption
Voriconazol
Prophylaxe
Therapie: invasive Aspergillose, invasive Candidiasis (»step down«)
peroral (Tabl.):
Patienten ≥ 40 kg:
Tag 1: 2×400 mg,
ab Tag 2:
2×200 mg
Einnahme mindestens eine Stunde vor/nach der Mahlzeit
intravenös: Tag 1: 2×6 mg/kg,
ab Tag 2:
2×4 mg/kg
CrCl<50 ml/min: vorzugsweise perorale Gabe
Child-Pugh A/B:
Tag 1: 100% Dosis,
ab Tag 2: 50% Dosis
Child-Pugh C: wenig Daten
Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö
Halluzinationen, Sehstörungen
Hautreaktionen
Kalium, Natrium ↓
Leberfunktionswerte ↑
QTc-Zeit-Verlängerung möglich
Phototoxizität
TDM notwendig
Isavuconazol
Therapie: invasive Aspergillose, Mucormykose
peroral (Kps.), intravenös:
Tag 1+2:
3×200 mg,
ab Tag 3:
1×200 mg
Child-Pugh C: nicht empfohlen (Einsatz nur nach strenger Nutzen-Risiko-Abwägung) Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö
Kalium ↓
Leberfunktionswerte ↑
QTc-Zeit-Verkürzung möglich
TDM erwägen
Fluconazol
Prophylaxe: invasive Candidiasis
Therapie: invasive Candidiasis (»step down«)
peroral (Kps.), intravenös:
Prophylaxe: 1×400 mg
Therapie: Tag 1: 1×800 mg,
ab Tag 2:
1×400 mg
CrCl<50 ml/min:
Tag 1: 100% Dosis,
ab Tag 2: 50% Dosis
Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö
Hautausschlag
Leberfunktionswerte ↑
QTc-Zeit-Verlängerung möglich
Echinocandine
Caspofungin
Therapie: empirische Therapie, invasive Candidiasis, invasive Aspergillose (Zweitlinientherapie)
intravenös:
Tag 1: 1×70 mg,
ab Tag 2:
1×50 mg,
Patienten ≥80 kg: 1×70 mg
Child-Pugh B:
Tag 1: 1×70 mg,
ab Tag 2: 1×35 mg (gewichtsunabhängig)
Child-Pugh C: wenig Daten
Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö
Hautausschlag, Phlebitis
Hämoglobin ↓
Kalium ↓
Leberfunktionswerte ↑
Leukozyten ↓
Micafungin
Prophylaxe
Therapie: invasive Candidiasis
intravenös
(>40 kg):
Prophylaxe:
1×50 mg
Therapie:
1×100 mg (Erhöhung möglich auf 1×200 mg)
Child-Pugh C: nicht empfohlen Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö
Hautausschlag, Phlebitis
Calcium, Kalium, Magnesium ↓
Hämoglobin ↓
Leberfunktionswerte ↑
Leukozyten ↓
Anidulafungin
Therapie: invasive Candidiasis
intravenös:
Tag 1: 1×200 mg,
ab Tag 2:
1×100 mg
Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö
Hautausschlag
Kalium ↓
Leberfunktionswerte ↑
Rezafungin
Therapie: invasive Candidiasis
intravenös,
alle 7 Tage:
Tag 1: 1×400 mg,
ab Tag 8:
1×200 mg
Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö
Hautausschlag
Kalium, Magnesium ↓
Hämoglobin ↓
Leberfunktionswerte ↑
Phototoxizität
Polyen: liposomales Amphotericin B
Therapie: empirische Therapie, invasive Aspergillose, invasive Candidiasis, Mucormykose intravenös
Therapie:
1×3 mg/kg
bei ZNS-Aspergillose und Mucormykose: 1×5 (-10) mg/kg
Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö
Infusionsreaktionen
Calcium, Kalium, Natrium, Magnesium ↓
Kreatinin ↑
Leberfunktionswerte ↑
Nephrotoxizität
additive Wirkung beachten (zum Beispiel mit Aciclovir, Ciclosporin, Foscarnet, Ganciclovir, Methotrexat, Tacrolimus)
Tabelle 2: Übersicht zu Indikation, Dosierung, Dosisanpassung und Nebenwirkungen sowie Besonderheiten der wichtigsten Antimykotika zur Prophylaxe und Therapie invasiver Pilzinfektionen bei erwachsenen Patienten (24–36)

Aufgrund der hohen pharmakokinetischen Variabilität der Azolantimykotika wird ein Therapeutisches Drug Monitoring (TDM), mit Ausnahme von Fluconazol, empfohlen. Dies gilt insbesondere bei klinischen Zuständen, die die Resorption oder den Metabolismus der Antimykotika beeinflussen können (22, 23).

Die Echinocandine Caspofungin, Micafungin, Anidulafungin und der neueste Vertreter dieser Wirkstoffgruppe, Rezafungin, werden aufgrund ihrer sehr geringen enteralen Bioverfügbarkeit ausschließlich parenteral appliziert. Sie hemmen die pilzspezifische β-1,3-D-Glucansynthase, destabilisieren dadurch die Zellwand und führen zur osmotischen Lyse der Pilzzelle. Sie zeichnen sich durch gute Verträglichkeit und ein geringes Interaktionsspektrum aus.

Das einzige Polyen-Antimykotikum, das für die Behandlung invasiver Mykosen eingesetzt wird, ist parenterales Amphotericin B. Durch irreversible Komplexbildung mit Ergosterol bildet es Poren in der Pilzzellmembran, durch die Elektrolyte und weiterer Zellinhalt ausströmen. Wichtige Nebenwirkungen sind Elektrolyt- und Nierenfunktionsstörungen. Im Vergleich zu konventionellem Amphotericin B weist die liposomale Formulierung (Ambisome®) eine geringere Nephrotoxizität auf und stellt daher heute die Standardformulierung dar.

Therapieleitlinien und Behandlungsdauer

Prophylaxe und Therapie der invasiven Aspergillose und Candidiasis orientieren sich an den aktuellen Leitlinien der jeweiligen Fachgesellschaften.

So empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie (DGHO) Posaconazol als Primärprophylaxe für Hochrisikopatienten mit hämatologischen Neoplasien (23). Eine ambulante Fortführung kann in Abhängigkeit von der Grunderkrankung und der applizierten Antitumortherapie notwendig sein.

Für die Erstlinientherapie der invasiven Aspergillose werden Voriconazol, Isavuconazol oder liposomales Amphotericin B empfohlen. Bei Unverträglichkeit oder Nichtansprechen wird auf eine andere Substanzklasse, zum Beispiel die Echinocandine, umgestellt (22). In der Regel erfolgt die Therapie initial intravenös und wird bei klinischer Stabilisierung des Patienten oralisiert. Die Behandlungsdauer hängt ab von der Dauer der Neutropenie und der vollständigen Rückbildung der Pilzläsionen. Bleiben die Pilzläsionen im hochauflösenden Computertomogramm (HR-CT) weiterhin sichtbar, wird ab der Größenstabilisierung für bis zu weiteren sechs Wochen therapiert, wodurch sich die Gesamttherapiedauer auf mehrere Monate belaufen kann.

Bei fortbestehender Immunsuppression, zum Beispiel aufgrund einer Antitumortherapie, schließt sich die sogenannte Sekundärprophylaxe an.

Eine Candidämie und die chronisch disseminierte Candidose (CDC) werden initial mit einem Echinocandin oder liposomalem Amphotericin B behandelt und im Verlauf auf eine orale Therapie mit Fluconazol beziehungsweise bei Fluconazol-Resistenz auf Voriconazol umgestellt (»step down«) (22). Der Therapieverlauf der Candidämie wird durch die regelmäßige Abnahme von Blutkulturen überwacht. Ab erster negativer Blutkultur muss die Therapie mindestens weitere 14 Tage fortgesetzt werden. Die orale Erhaltungstherapie der CDC läuft über drei bis sechs Monate.

Neben den Leitlinienempfehlungen der Fachgesellschaften ist auch die lokale Epidemiologie für einen effektiven Einsatz der Antimykotika zu berücksichtigen.

Beratung in der Offizin: Beispiel Posaconazol

Da in der ambulanten Langzeitbehandlung in der Regel die oral verfügbaren Azolantimykotika eingesetzt werden, benötigen Offizinapotheker insbesondere zu dieser Wirkstoffklasse solides Fachwissen für eine kompetente Beratung. Der Fokus liegt auf Dosierung und Einnahme, potenziellen Interaktionen mit der Komedikation sowie ausgewählten Nebenwirkungen. Dass vor allem im Hinblick auf die korrekte Einnahme und Dosierung nicht nur Wirkstoff-, sondern auch Darreichungsform-spezifische Besonderheiten berücksichtigt werden müssen, zeigt Posaconazol (Tabelle 2, Seite 36).

Posaconazol ist eines der lipophilsten Azolantimykotika und weist eine pH-Wert-abhängige Löslichkeit auf. In Deutschland ist es zur oralen Einnahme aktuell als Suspension, magensaftresistente Tablette sowie als magensaftresistentes Pulver zur Herstellung einer Suspension verfügbar.

Um bei Verwendung der herkömmlichen Suspension eine ausreichende Resorption zu gewährleisten, sollte die Einnahme während oder unmittelbar nach einer fetthaltigen Mahlzeit erfolgen (25). Im Vergleich zur Nüchterneinnahme steigt die AUC hierdurch auf rund das Vierfache an.

Zu berücksichtigen ist zudem die indikationsabhängige Dosierung (Tabelle 2). Diese beträgt

  • 5 ml Suspension (200 mg Posaconazol) alle acht Stunden zur Prophylaxe und
  • 5 ml alle sechs Stunden oder 10 ml alle zwölf Stunden zur Therapie einer invasiven Mykose.

Da Protonenpumpeninhibitoren (PPI), H2-Antagonisten und Antacida aufgrund der pH-Wert-abhängigen Löslichkeit von Posaconazol die AUC um bis zu 40 Prozent reduzieren können, sollte auf die gleichzeitige Anwendung verzichtet werden. Wichtiger Hinweis in der Beratung: Der Patient muss die Suspension vor Verwendung 5 bis 10 Sekunden kräftig schütteln, um die Dosiergenauigkeit sicherzustellen.

Im Vergleich zur Suspension bieten magensaftresistente Tabletten mehrere Vorteile, weshalb sie sich für die meisten Patienten als Standard etabliert haben. Aufgrund der höheren Bioverfügbarkeit ist nach der Initialdosis von zweimal 300 mg Posaconazol an Tag 1 bereits ab Tag 2 eine einmal tägliche Einnahme von 300 mg möglich; diese kann zudem unabhängig von einer Mahlzeit erfolgen (24).

Bei Umstellung der Darreichungsformen sollte der Apotheker kritisch die verordnete Dosierung prüfen und den Patienten auf die geänderte Einnahmefrequenz hinweisen, um Intoxikationen durch Überdosierung der magensaftresistenten Tabletten zu verhindern, wie sie 2016 in einem Rote-Hand-Brief beschrieben wurden (37).

Laut aktueller Fachinformation sind keine klinisch relevanten Interaktionen mit PPI, H2-Antagonisten oder Antacida zu erwarten. Jedoch gibt es einzelne Berichte, nach denen die gleichzeitige Einnahme von PPI die Plasmakonzentrationen von Posaconazol reduzierte (38, 39). Eine Rücksprache mit dem verordnenden Arzt sollte zumindest bei hoch dosierten PPI in der Dauermedikation (zum Beispiel 80 mg Pantoprazol) und zusätzlichen Risikofaktoren für reduzierte Plasmakonzentrationen (zum Beispiel Gewicht ≥ 90 kg oder BMI ≥ 30, Diarrhö) erfolgen (40).

Das magensaftresistente Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen ist die neueste Darreichungsform (seit Mitte 2023) und für pädiatrische Patienten von zwei bis 18 Jahren zugelassen (41). Eingesetzt werden kann es unter anderem bei Patienten mit Schluckbeschwerden, die die Einnahme der magensaftresistenten Tabletten erschweren, und bei Risikofaktoren für inadäquate Posaconazol-Konzentrationen bei Verwendung der herkömmlichen Suspension zum Einnehmen. Da die Dosierung gewichtsadaptiert erfolgt, sollte der Apotheker zunächst das aktuelle Gewicht erfragen und die ärztlich verordnete Dosis prüfen. Diese muss an Tag 1 zweimal und ab Tag 2 einmal täglich appliziert werden, wobei auch hier die Einnahme unabhängig von einer Mahlzeit erfolgen kann.

Ein Austausch mit der herkömmlichen Suspension zum Einnehmen ist folglich nicht möglich und kann zu Fehldosierungen führen, vor denen 2023 ein Rote-Hand-Brief warnte (42). Im Beratungsgespräch sollte dem Kunden abschließend ausführlich die Zubereitung erklärt werden (siehe Gebrauchsanweisung zum Noxafil® Pulver, MSD).

Interaktionen: mehr als nur CYP3A4

Azolantimykotika sind potente Inhibitoren des Enzyms CYP3A4 und beeinflussen hierdurch entscheidend den Metabolismus zahlreicher Arzneistoffe. Abhängig vom verordneten Antimykotikum müssen jedoch noch weitere Enzyme, zum Beispiel CYP2C9, CYP2C19 und UGT1A4, sowie Transportproteine wie P-gp und BCRP, aber auch die unterschiedliche Stärke der Inhibition oder Induktion berücksichtigt werden (Tabelle 3).

So ist beispielsweise die gleichzeitige Anwendung von Simvastatin und Isavuconazol trotz der moderaten CYP-, P-gp- und BCRP-Inhibition durch Isavuconazol möglich. Der Patient sollte im Beratungsgespräch auf das Risiko und die möglichen Symptome einer Myopathie durch erhöhte Simvastatin-Konzentrationen hingewiesen werden.

Kontraindiziert ist jedoch die gleichzeitige Anwendung von Simvastatin und Posaconazol aufgrund der starken CYP- und P-gp-Inhibition und dem hieraus resultierenden hohen Risiko für eine Rhabdomyolyse. Apotheker müssen zwingend Rücksprache mit dem verordnenden Arzt halten, um entweder eine Pausierung des Statins oder den dauerhaften Wechsel auf ein nicht über CYP3A4 metabolisiertes Statin, zum Beispiel Rosuvastatin, zu empfehlen.

Wirkstoff Substrat von Inhibition von CYP-Isoenzym stark Inhibition von CYP-Isoenzym moderat Inhibition von CYP-Isoenzym schwach Inhibition von Induktion von CYP-Isoenzym (schwach)
Fluconazol 2C19 2C9
3A4
Isavuconazol CYP3A4 3A4 P-gp
BCRP
2B6
Posaconazol UGT1A4
P-gp
3A4 P-gp
Voriconazol CYP2C19
CYP2C9
CYP3A4
3A4 2C19 2B6
2C9
Tabelle 3: Pharmakokinetische Interaktionsmöglichkeiten der Azolantimykotika (24–32, 47)

Weitere in der Praxis häufig auftretende und schwerwiegende Interaktionen bestehen zwischen Azolantimykotika und Calcineurin-Inhibitoren (Ciclosporin, Tacrolimus) sowie mTOR-Inhibitoren (Sirolimus, Everolimus). Da Azole den Metabolismus der Immunsuppressiva deutlich reduzieren, muss deren Dosis zum Teil erheblich gesenkt werden. Offizinapotheker sollten sich immer vergewissern, dass adäquate Konzentrationen der Immunsuppressiva durch regelmäßige ambulante Spiegelkontrollen sowie entsprechende Dosisanpassungen während der Anwendung und unmittelbar nach dem Absetzen des Azolantimykotikums sichergestellt werden.

In Bezug auf das häufig von der Apothekensoftware gemeldete Risiko von QTc-Zeit-Verlängerungen sollte sich die Beratung nach dem Risikoprofil der Wirkstoffe sowie nach zusätzlichen Risikofaktoren richten; diese sind unter anderem hohes Alter, weibliches Geschlecht, kardiovaskuläre Vorerkrankungen, Elektrolytstörungen sowie Einnahme von Medikamenten, die diese begünstigen (43). Das höchste Risiko für QTc-Zeit-Verlängerungen birgt Fluconazol, während unter Isavuconazol QTc-Zeit-Verkürzungen beobachtet wurden (29, 44).

Berücksichtigt werden sollte zudem die Risikopotenzierung durch steigende Konzentrationen QTc-Zeit-verlängernder Komedikation aufgrund von pharmakokinetischen Interaktionen mit Azolantimykotika; zum Beispiel steigt die Citalopram-Konzentration durch Fluconazol und Voriconazol.

Augenmerk auf Metamizol und Omeprazol

Azolantimykotika stellen jedoch nicht nur »Täter«, sondern auch »Opfer« dar. So sind Voriconazol und Isavuconazol selbst sensitive CYP-Substrate. Neben den »klassischen« Induktoren und Inhibitoren der metabolisierenden Enzyme und Transportproteine sollten Apotheker auch vermeintlich irrelevante Standardmedikamente berücksichtigen, zum Beispiel Metamizol und Omeprazol.

Bei längerfristiger Einnahme von Metamizol ist aufgrund der moderaten bis starken CYP3A4- und CYP2C19-Induktion mit einer erheblichen Abnahme der Voriconazol- oder Isavuconazol-Plasmakonzentration zu rechnen (45, 46). Entsprechend sollten Apotheker insbesondere bei Patienten mit einer Metamizol-Dosis über 3 g/Tag in der Dauermedikation mit dem verordnenden Arzt klären, ob ein Wechsel auf alternative Analgetika möglich ist.

Omeprazol hingegen führt als CYP2C19-Inhibitor zum Anstieg der Plasmakonzentration von Voriconazol. Dieser Effekt kann als sogenannter »Booster« durchaus erwünscht sein, um adäquate Voriconazol-Konzentrationen zu erreichen, jedoch auch ungewollt das Risiko für Nebenwirkungen erhöhen. Apotheker sollten die Indikation mit dem verordnenden Arzt abklären und gegebenenfalls Pantoprazol als Alternative empfehlen.

Voriconazol: die Haut im Blick behalten

Während Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö oder eine Erhöhung der Leberfunktionswerte unter allen Azolantimykotika auftreten können, zählen Phototoxizität und Nagelveränderungen zu den spezifischen Nebenwirkungen von Voriconazol (24–32, 48).

Bei Abgabe Voriconazol-haltiger Arzneimittel ist insbesondere im Sommer die konsequente Verwendung eines Sonnenschutzmittels mit hohem Lichtschutzfaktor und die Vermeidung direkter Sonnenexposition zu empfehlen. Schildern Kunden Phototoxizität oder weisen entsprechende Läsionen auf, sollten sie an einen Dermatologen verwiesen werden, da im Zusammenhang mit phototoxischen Reaktionen über spätere maligne Hautveränderungen wie Plattenpithelkarzinome berichtet wurde.

Im Hinblick auf Nagelveränderungen, die erhöhte Brüchigkeit, Spaltung bis hin zum Verlust des Nagels umfassen, können Apotheker empfehlen, Nägel kurz zu halten und Pflegeprodukte, zum Beispiel Nagelhärter, zu verwenden.

Hellhörig sollten Apotheker werden und die Rücksprache mit dem behandelnden Arzt empfehlen, wenn Kunden über Sehstörungen berichten. Diese treten am häufigsten unter Vo-riconazol auf und können sich als verschwommenes Sehen oder veränderte Farbwahrnehmung äußern, aber auch mit optischen Halluzinationen einhergehen. Bei einigen Patienten klingen Sehstörungen nach kurzer Zeit wieder ab und erfordern keine Behandlungsunterbrechung. Bei persistierender Symptomatik ist die Umstellung auf ein alternatives Azolantimykotikum hingegen zwingend notwendig.

Fazit und Ausblick

Invasive Mykosen stellen seltene, aber lebensgefährliche Infektionen vor allem immungeschwächter Patienten dar, deren Klinik, Diagnostik und Therapie sich je nach Erreger teils beträchtlich unterscheiden.

Zum Einsatz kommen im Wesentlichen drei Wirkstoffklassen: Azole, Polyene und Echinocandine. Azolantimykotika sind aufgrund ihres enormen Interaktionspotenzials Hochrisiko-Arzneimittel.

Offizinapotheker können durch ihre umfassende Beratung einen wesentlichen Beitrag zur Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) leisten. Im Fokus sollten das Interaktionsmanagement sowie Schulungen zu korrekter Einnahme und potenziellen Nebenwirkungen der Azole stehen.

Um angesichts zunehmender Antimykotika-Resistenzen auch zukünftig eine effektive Behandlung sicherzustellen, ist die Entwicklung neuer Wirkstoffklassen, inklusive oral verfügbarer Substanzen zur ambulanten Therapie, dringend notwendig. Zu den vielversprechendsten Wirkstoffen zählen aktuell Fosmanogepix, Ibrexafungerp und Olorofim, deren Wirkspektren auch Azol-resistente Aspergillus-Arten umfassen (49).

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