Was Apotheker dazu wissen sollten |
Invasive Mykosen sind lebensbedrohliche Infektionen, die überwiegend schwer kranke und immunsupprimierte Menschen betreffen. / Foto: Getty Images/Luis Alvarez
Invasive Mykosen sind durch Pilze verursachte Infektionen der inneren Organe sowie Blutstrominfektionen bis hin zur Sepsis (1). Sie betreffen fast ausschließlich immundefiziente Patienten und treten bedeutend seltener auf als topische Mykosen wie Fuß- und Nagelpilz. In den letzten Jahrzehnten sind jedoch steigende Inzidenzen zu verzeichnen (1, 2). So erkranken aktuellen Schätzungen zufolge pro Jahr weltweit etwa 4,7 Millionen Menschen an invasiven Pilzinfektionen, die zu mehr als 2,3 Millionen Todesfällen führen (3). Invasive Mykosen verzögern zudem medizinisch notwendige Behandlungen, zum Beispiel Chemotherapien, verlängern Krankenhausaufenthalte und verursachen erhebliche Kosten im Gesundheitswesen (4, 5, 6).
In den medialen Fokus gerieten invasive Mykosen während der COVID-19-Pandemie, als pulmonale Aspergillosen und Mucormykosen (»schwarzer Schimmel«) gehäuft als Sekundärinfektionen bei invasiv beatmeten Patienten auftraten (7, 8). 2022 veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erstmalig ein Strategiepapier, in dem auf die globale Bedrohung durch zunehmende Antimykotika-Resistenzen hingewiesen und der rationale optimierte Einsatz vorhandener Wirkstoffklassen gefordert wurde (9).
Dass Krankenhausapotheker durch intensivierte Beratung nicht nur den Antimykotika-Einsatz selbst, sondern auch die Diagnostik invasiver Mykosen verbessern können, ist durch Studien belegt (10). Da die Behandlung häufig eine langfristige Einnahme von Antimykotika erfordert, haben auch Offizinapotheker Kontakt zu Patienten und können durch ihre Beratung entscheidend zu einer sicheren und wirksamen Therapie beitragen.
In Deutschland stellen Schätzungen zufolge Candidiasis, Aspergillosen und Pneumozystosen die häufigsten invasiven Mykosen dar. So sind pro Jahr etwa 2000 bis 12.000 Candida-Infektionen und 1000 bis 5000 Aspergillus-Infektionen zu verzeichnen (11, 12). Mucormykosen, Kryptokokkosen und Histoplasmosen treten seltener auf.
Gemein ist invasiven Mykosen eine hohe Mortalität von rund 35 bis 85 Prozent (2, 3). Hinsichtlich Übertragung, betroffener Organsysteme und Symptome unterscheiden sich die Mykosen hingegen teilweise grundlegend (Tabelle 1). So erfolgen beispielsweise Aspergillus- und Pneumocystis-Infektionen exogen durch die Inhalation von Sporen, während Candida-Infektionen in der Regel endogen aus einer Kolonisation der Schleimhäute entstehen, seltener auch exogen durch infiziertes Fremdmaterial (11, 13, 14).
Erreger | Übertragung | Klinisches Bild | Diagnostik |
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Invasive Candidiasis | |||
Candida albicansNon-albicans-Arten:C. glabrata, C. auris, C. parapsilosis und weitere | primär endogen durch Translokation des Erregers, ausgehend von Kolonisation der Haut oder Schleimhäuteexogen durch infiziertes Fremdmaterial, zum Beispiel zentralvenöse Katheter, Prothesen | Blutstrominfektion (Candidämie)hämatogene Streuung und Beteiligung verschiedener Organe möglich, darunter Augen, Leber, Niere, Milz, Gelenke, KnochenSymptome: Fieber, Leberdruckschmerz bei hepatolienaler Candidiasis | (Blut-)Kultur als Standardserologischer Nachweis: beta-D-Glukan, Mannan-Antigen/Antikörperbei Verdacht auf Organbeteiligung: Sonografie, CT, MRT |
Invasive Aspergillose | |||
Aspergillus fumigatusseltener:A. flavus, A. nidulans, A. terreus und weitere | exogen, primär durch Inhalation von Sporen | primär pulmonale Aspergillose oder Aspergillose der NNHhämatogene Streuung und Beteiligung verschiedener Organe möglich, darunter ZNS, Leber, Niere, Haut, DarmSymptome: Fieber, Brustschmerz, Dyspnoe, Husten, Hämoptysen | Bildgebung als Standard: HR-CTserologischer Nachweis: beta-D-Glukan, Galactomannanmolekularer Nachweis: PCRmikroskopischer und kultureller Nachweis, zum Beispiel aus Lungenbiopsat |
Pneumozystose | |||
Pneumocystis jirovecii | exogen durch Inhalation von Erregern | fast ausschließlich pulmonale Infektionextrapulmonale Manifestation höchst selten, darunter Leber, Lymphknoten, Milz pulmonale InfektionSymptome: nicht produktiver Husten, Dyspnoe, niedrig-/mittelgradiges Fieber, Tachypnoe | Standard: PCR und mikroskopischer Nachweis aus Material der unteren Atemwegeserologischer Nachweis: beta-D-GlukanBildgebung: Röntgen, CTkultureller Nachweis nicht etabliert |
CT: Computertomografie (HR-CT: hochauflösendes CT); MRT: Magnetresonanztomografie; NNH: Nasennebenhöhlen; PCR: Polymerase-Kettenreaktion
Eine Sonderstellung nimmt Candida auris ein. Dieser Erreger wird per Schmierinfektion effizienter von Mensch zu Mensch übertragen als andere Candida-Arten und hat hierdurch inzwischen auch in Deutschland zu größeren nosokomialen Ausbrüchen geführt (13, 15). Candida auris ist zudem in der Lage, zahlreiche Antimykotika-Resistenzen zu entwickeln und wird daher – wie auch Aspergillus fumigatus aufgrund zunehmender Resistenzen gegenüber Azolantimykotika – von der WHO als besonders kritisch für die öffentliche Gesundheit eingestuft (9).
Die Diagnostik invasiver Mykosen ist komplex und stützt sich auf den Erregernachweis mittels kultureller Anzucht, mikroskopischer, serologischer und molekularer Methoden sowie auf klinische und radiologische Untersuchungen (Tabelle 1) (11). Bei serologischen Tests auf die Zellwandbestandteile beta-D-Glukan (BDG) und Galactomannan (GM, »Aspergillus-Antigen«, Nachweis zum Beispiel auch aus bronchoalveolärer Lavage), muss die Medikation des Patienten als potenzieller Störfaktor berücksichtigt werden. So können Immunglobuline und Humanalbumin zu erhöhten BDG-Werten und verschiedene Antibiotika, unter anderem Piperacillin/Tazobactam und Amoxicillin/Clavulansäure, zu erhöhten GM-Werten führen (14, 16, 17).
Seit einigen Jahren ist ein Anstieg invasiver Pilzinfektionen bei hospitalisierten Patienten zu verzeichnen. Dies ist vor allem auf die zunehmende Anzahl immungeschwächter multimorbider Menschen und auf längere Überlebenszeiten, auch bei schwersten Erkrankungen, zurückzuführen.
Zur Hochrisikogruppe gehören unter anderem Patienten mit malignen hämatologischen Erkrankungen, HIV-Infektion, chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) oder langfristiger Steroideinnahme bei Autoimmunerkrankungen.
Häufig liefert die Diagnostik bei Verdacht auf eine invasive Mykose keinen eindeutigen Befund, ein unmittelbarer Therapiestart ist für eine erfolgreiche Behandlung jedoch unverzichtbar. / Foto: Adobe Stock/BillionPhotos.com
Während Patienten mit akuter myeloischer Leukämie unter zytostatischer Chemotherapie und Empfänger einer hämatologischen Stammzell- oder Organtransplantation ein erhöhtes Risiko für Aspergillus-Infektionen aufweisen, ist das Risiko einer Candida-Infektion nach Magen-Darm-Operationen, bei intensivmedizinisch betreuten Patienten und bei Frühgeborenen erhöht. Zusätzliche Risikofaktoren für Candida-Infektionen stellen die parenterale Ernährung, der Einsatz von Breitspektrum-Antibiotika sowie invasive Maßnahmen wie zentrale Gefäßkatheter und Beatmung dar (20).
Angesichts der hohen Mortalitätsraten invasiver Mykosen und der Schwierigkeit einer frühzeitigen Diagnose ist eine Prophylaxe bei Hochrisikopatienten unumgänglich. Da für eine erfolgreiche Behandlung ein unmittelbarer Therapiebeginn essenziell ist, die komplexe Diagnostik initial häufig aber keinen eindeutigen Befund für eine gezielte Therapie liefert, existieren verschiedene Strategien für den Behandlungsbeginn:
Drei wesentliche Substanzklassen stehen für die Prophylaxe und Behandlung der invasiven Candida- und Aspergillus-Infektionen zur Verfügung: Azole, Echinocandine und Polyene (Tabelle 2, Seite 36).
Die Azolantimykotika verhindern durch eine Cytochrom-P-(CYP-)450-Blockade in der Pilzzelle die enzymatische Umwandlung von Lanosterol in Ergosterol, wodurch unter anderem der Aufbau der Zellmembran gehemmt wird und toxische Fettsäuren akkumulieren. Aufgrund der Hemmung menschlicher CYP-450-Enzyme haben Azolantimykotika ein hohes Wechselwirkungspotenzial und es besteht zudem das Risiko einer Hepatotoxizität.
Zum Einsatz kommen die Triazole Posaconazol, Voriconazol, Isavuconazol und Fluconazol, die sowohl oral als auch parenteral appliziert werden können. Itraconazol spielt mittlerweile eine untergeordnete Rolle in der Prophylaxe und Behandlung invasiver Mykosen.
Indikation (Beispiele) | Dosierung | Dosisanpassung | Nebenwirkungen (sehr häufig, häufig, Beispiele) | Besonderheiten |
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Azole | ||||
PosaconazolProphylaxeTherapie: invasive Aspergillose (Zweitlinientherapie) |
peroral (Tabl.), intravenös:Tag 1: 2×300 mg,ab Tag 2: 1×300 mgperoral (Suspension):Prophylaxe: 3×200 mg (= 5 ml)Therapie:4×200 mg (= 5 ml) oder 2×400 mg (= 10 ml)Einnahme zu fettreicher Mahlzeit |
CrCl<50 ml/min: vorzugsweise perorale GabeChild-Pugh C: mit Vorsicht verwenden | Übelkeit, Erbrechen, DiarrhöHypertonieMagnesium, Kalium ↓Leberfunktionswerte ↑ | QTc-Zeit-Verlängerung möglichTDM erwägenSuspension: Antacida, PPI und MCP verringern Resorption |
VoriconazolProphylaxeTherapie: invasive Aspergillose, invasive Candidiasis (»step down«) | peroral (Tabl.):Patienten ≥ 40 kg:Tag 1: 2×400 mg,ab Tag 2:2×200 mgEinnahme mindestens eine Stunde vor/nach der Mahlzeitintravenös: Tag 1: 2×6 mg/kg,ab Tag 2:2×4 mg/kg | CrCl<50 ml/min: vorzugsweise perorale GabeChild-Pugh A/B:Tag 1: 100% Dosis,ab Tag 2: 50% DosisChild-Pugh C: wenig Daten | Übelkeit, Erbrechen, DiarrhöHalluzinationen, SehstörungenHautreaktionenKalium, Natrium ↓Leberfunktionswerte ↑ | QTc-Zeit-Verlängerung möglichPhototoxizitätTDM notwendig |
IsavuconazolTherapie: invasive Aspergillose, Mucormykose | peroral (Kps.), intravenös:Tag 1+2:3×200 mg,ab Tag 3:1×200 mg | Child-Pugh C: nicht empfohlen (Einsatz nur nach strenger Nutzen-Risiko-Abwägung) | Übelkeit, Erbrechen, DiarrhöKalium ↓Leberfunktionswerte ↑ | QTc-Zeit-Verkürzung möglichTDM erwägen |
FluconazolProphylaxe: invasive CandidiasisTherapie: invasive Candidiasis (»step down«) | peroral (Kps.), intravenös:Prophylaxe: 1×400 mgTherapie: Tag 1: 1×800 mg,ab Tag 2:1×400 mg | CrCl<50 ml/min:Tag 1: 100% Dosis,ab Tag 2: 50% Dosis | Übelkeit, Erbrechen, DiarrhöHautausschlagLeberfunktionswerte ↑ | QTc-Zeit-Verlängerung möglich |
Echinocandine | ||||
CaspofunginTherapie: empirische Therapie, invasive Candidiasis, invasive Aspergillose (Zweitlinientherapie) | intravenös:Tag 1: 1×70 mg,ab Tag 2:1×50 mg,Patienten ≥80 kg: 1×70 mg | Child-Pugh B:Tag 1: 1×70 mg,ab Tag 2: 1×35 mg (gewichtsunabhängig)Child-Pugh C: wenig Daten | Übelkeit, Erbrechen, DiarrhöHautausschlag, PhlebitisHämoglobin ↓Kalium ↓Leberfunktionswerte ↑Leukozyten ↓ | |
MicafunginProphylaxeTherapie: invasive Candidiasis | intravenös(>40 kg):Prophylaxe:1×50 mgTherapie:1×100 mg (Erhöhung möglich auf 1×200 mg) | Child-Pugh C: nicht empfohlen | Übelkeit, Erbrechen, DiarrhöHautausschlag, PhlebitisCalcium, Kalium, Magnesium ↓Hämoglobin ↓Leberfunktionswerte ↑Leukozyten ↓ | |
AnidulafunginTherapie: invasive Candidiasis | intravenös:Tag 1: 1×200 mg,ab Tag 2:1×100 mg | Übelkeit, Erbrechen, DiarrhöHautausschlagKalium ↓Leberfunktionswerte ↑ | ||
RezafunginTherapie: invasive Candidiasis | intravenös,alle 7 Tage:Tag 1: 1×400 mg,ab Tag 8:1×200 mg | Übelkeit, Erbrechen, DiarrhöHautausschlagKalium, Magnesium ↓Hämoglobin ↓Leberfunktionswerte ↑ | Phototoxizität | |
Polyen: liposomales Amphotericin B | ||||
Therapie: empirische Therapie, invasive Aspergillose, invasive Candidiasis, Mucormykose | intravenösTherapie:1×3 mg/kgbei ZNS-Aspergillose und Mucormykose: 1×5 (-10) mg/kg | Übelkeit, Erbrechen, DiarrhöInfusionsreaktionenCalcium, Kalium, Natrium, Magnesium ↓Kreatinin ↑Leberfunktionswerte ↑ | Nephrotoxizitätadditive Wirkung beachten (zum Beispiel mit Aciclovir, Ciclosporin, Foscarnet, Ganciclovir, Methotrexat, Tacrolimus) |
Aufgrund der hohen pharmakokinetischen Variabilität der Azolantimykotika wird ein Therapeutisches Drug Monitoring (TDM), mit Ausnahme von Fluconazol, empfohlen. Dies gilt insbesondere bei klinischen Zuständen, die die Resorption oder den Metabolismus der Antimykotika beeinflussen können (22, 23).
Die Echinocandine Caspofungin, Micafungin, Anidulafungin und der neueste Vertreter dieser Wirkstoffgruppe, Rezafungin, werden aufgrund ihrer sehr geringen enteralen Bioverfügbarkeit ausschließlich parenteral appliziert. Sie hemmen die pilzspezifische β-1,3-D-Glucansynthase, destabilisieren dadurch die Zellwand und führen zur osmotischen Lyse der Pilzzelle. Sie zeichnen sich durch gute Verträglichkeit und ein geringes Interaktionsspektrum aus.
Das einzige Polyen-Antimykotikum, das für die Behandlung invasiver Mykosen eingesetzt wird, ist parenterales Amphotericin B. Durch irreversible Komplexbildung mit Ergosterol bildet es Poren in der Pilzzellmembran, durch die Elektrolyte und weiterer Zellinhalt ausströmen. Wichtige Nebenwirkungen sind Elektrolyt- und Nierenfunktionsstörungen. Im Vergleich zu konventionellem Amphotericin B weist die liposomale Formulierung (Ambisome®) eine geringere Nephrotoxizität auf und stellt daher heute die Standardformulierung dar.
Prophylaxe und Therapie der invasiven Aspergillose und Candidiasis orientieren sich an den aktuellen Leitlinien der jeweiligen Fachgesellschaften.
So empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie (DGHO) Posaconazol als Primärprophylaxe für Hochrisikopatienten mit hämatologischen Neoplasien (23). Eine ambulante Fortführung kann in Abhängigkeit von der Grunderkrankung und der applizierten Antitumortherapie notwendig sein.
Prophylaxe und Therapie invasiver Mykosen erstrecken sich mitunter über den stationären Aufenthalt hinaus. Dann werden die Patienten von der öffentlichen Apotheke versorgt. / Foto: Getty Images/DjelicS
Für die Erstlinientherapie der invasiven Aspergillose werden Voriconazol, Isavuconazol oder liposomales Amphotericin B empfohlen. Bei Unverträglichkeit oder Nichtansprechen wird auf eine andere Substanzklasse, zum Beispiel die Echinocandine, umgestellt (22). In der Regel erfolgt die Therapie initial intravenös und wird bei klinischer Stabilisierung des Patienten oralisiert. Die Behandlungsdauer hängt ab von der Dauer der Neutropenie und der vollständigen Rückbildung der Pilzläsionen. Bleiben die Pilzläsionen im hochauflösenden Computertomogramm (HR-CT) weiterhin sichtbar, wird ab der Größenstabilisierung für bis zu weiteren sechs Wochen therapiert, wodurch sich die Gesamttherapiedauer auf mehrere Monate belaufen kann.
Bei fortbestehender Immunsuppression, zum Beispiel aufgrund einer Antitumortherapie, schließt sich die sogenannte Sekundärprophylaxe an.
Eine Candidämie und die chronisch disseminierte Candidose (CDC) werden initial mit einem Echinocandin oder liposomalem Amphotericin B behandelt und im Verlauf auf eine orale Therapie mit Fluconazol beziehungsweise bei Fluconazol-Resistenz auf Voriconazol umgestellt (»step down«) (22). Der Therapieverlauf der Candidämie wird durch die regelmäßige Abnahme von Blutkulturen überwacht. Ab erster negativer Blutkultur muss die Therapie mindestens weitere 14 Tage fortgesetzt werden. Die orale Erhaltungstherapie der CDC läuft über drei bis sechs Monate.
Neben den Leitlinienempfehlungen der Fachgesellschaften ist auch die lokale Epidemiologie für einen effektiven Einsatz der Antimykotika zu berücksichtigen.
Da in der ambulanten Langzeitbehandlung in der Regel die oral verfügbaren Azolantimykotika eingesetzt werden, benötigen Offizinapotheker insbesondere zu dieser Wirkstoffklasse solides Fachwissen für eine kompetente Beratung. Der Fokus liegt auf Dosierung und Einnahme, potenziellen Interaktionen mit der Komedikation sowie ausgewählten Nebenwirkungen. Dass vor allem im Hinblick auf die korrekte Einnahme und Dosierung nicht nur Wirkstoff-, sondern auch Darreichungsform-spezifische Besonderheiten berücksichtigt werden müssen, zeigt Posaconazol (Tabelle 2, Seite 36).
Posaconazol ist eines der lipophilsten Azolantimykotika und weist eine pH-Wert-abhängige Löslichkeit auf. In Deutschland ist es zur oralen Einnahme aktuell als Suspension, magensaftresistente Tablette sowie als magensaftresistentes Pulver zur Herstellung einer Suspension verfügbar.
Um bei Verwendung der herkömmlichen Suspension eine ausreichende Resorption zu gewährleisten, sollte die Einnahme während oder unmittelbar nach einer fetthaltigen Mahlzeit erfolgen (25). Im Vergleich zur Nüchterneinnahme steigt die AUC hierdurch auf rund das Vierfache an.
Zu berücksichtigen ist zudem die indikationsabhängige Dosierung (Tabelle 2). Diese beträgt
Posaconazol ist in drei oralen Darreichungsformen verfügbar – auf die unterschiedlichen Einnahmefrequenzen und -empfehlungen ist zu achten. / Foto: Adobe Stock/photophonie
Da Protonenpumpeninhibitoren (PPI), H2-Antagonisten und Antacida aufgrund der pH-Wert-abhängigen Löslichkeit von Posaconazol die AUC um bis zu 40 Prozent reduzieren können, sollte auf die gleichzeitige Anwendung verzichtet werden. Wichtiger Hinweis in der Beratung: Der Patient muss die Suspension vor Verwendung 5 bis 10 Sekunden kräftig schütteln, um die Dosiergenauigkeit sicherzustellen.
Im Vergleich zur Suspension bieten magensaftresistente Tabletten mehrere Vorteile, weshalb sie sich für die meisten Patienten als Standard etabliert haben. Aufgrund der höheren Bioverfügbarkeit ist nach der Initialdosis von zweimal 300 mg Posaconazol an Tag 1 bereits ab Tag 2 eine einmal tägliche Einnahme von 300 mg möglich; diese kann zudem unabhängig von einer Mahlzeit erfolgen (24).
Bei Umstellung der Darreichungsformen sollte der Apotheker kritisch die verordnete Dosierung prüfen und den Patienten auf die geänderte Einnahmefrequenz hinweisen, um Intoxikationen durch Überdosierung der magensaftresistenten Tabletten zu verhindern, wie sie 2016 in einem Rote-Hand-Brief beschrieben wurden (37).
Laut aktueller Fachinformation sind keine klinisch relevanten Interaktionen mit PPI, H2-Antagonisten oder Antacida zu erwarten. Jedoch gibt es einzelne Berichte, nach denen die gleichzeitige Einnahme von PPI die Plasmakonzentrationen von Posaconazol reduzierte (38, 39). Eine Rücksprache mit dem verordnenden Arzt sollte zumindest bei hoch dosierten PPI in der Dauermedikation (zum Beispiel 80 mg Pantoprazol) und zusätzlichen Risikofaktoren für reduzierte Plasmakonzentrationen (zum Beispiel Gewicht ≥ 90 kg oder BMI ≥ 30, Diarrhö) erfolgen (40).
Die Fülle an möglichen Neben- und Wechselwirkungen der Azolantimykotika kann Patienten und ihre Angehörigen verunsichern. Apotheker können hier beraten und nützliche Empfehlungen geben. / Foto: Adobe Stock/Kzenon
Das magensaftresistente Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen ist die neueste Darreichungsform (seit Mitte 2023) und für pädiatrische Patienten von zwei bis 18 Jahren zugelassen (41). Eingesetzt werden kann es unter anderem bei Patienten mit Schluckbeschwerden, die die Einnahme der magensaftresistenten Tabletten erschweren, und bei Risikofaktoren für inadäquate Posaconazol-Konzentrationen bei Verwendung der herkömmlichen Suspension zum Einnehmen. Da die Dosierung gewichtsadaptiert erfolgt, sollte der Apotheker zunächst das aktuelle Gewicht erfragen und die ärztlich verordnete Dosis prüfen. Diese muss an Tag 1 zweimal und ab Tag 2 einmal täglich appliziert werden, wobei auch hier die Einnahme unabhängig von einer Mahlzeit erfolgen kann.
Ein Austausch mit der herkömmlichen Suspension zum Einnehmen ist folglich nicht möglich und kann zu Fehldosierungen führen, vor denen 2023 ein Rote-Hand-Brief warnte (42). Im Beratungsgespräch sollte dem Kunden abschließend ausführlich die Zubereitung erklärt werden (siehe Gebrauchsanweisung zum Noxafil® Pulver, MSD).
Azolantimykotika sind potente Inhibitoren des Enzyms CYP3A4 und beeinflussen hierdurch entscheidend den Metabolismus zahlreicher Arzneistoffe. Abhängig vom verordneten Antimykotikum müssen jedoch noch weitere Enzyme, zum Beispiel CYP2C9, CYP2C19 und UGT1A4, sowie Transportproteine wie P-gp und BCRP, aber auch die unterschiedliche Stärke der Inhibition oder Induktion berücksichtigt werden (Tabelle 3).
So ist beispielsweise die gleichzeitige Anwendung von Simvastatin und Isavuconazol trotz der moderaten CYP-, P-gp- und BCRP-Inhibition durch Isavuconazol möglich. Der Patient sollte im Beratungsgespräch auf das Risiko und die möglichen Symptome einer Myopathie durch erhöhte Simvastatin-Konzentrationen hingewiesen werden.
Kontraindiziert ist jedoch die gleichzeitige Anwendung von Simvastatin und Posaconazol aufgrund der starken CYP- und P-gp-Inhibition und dem hieraus resultierenden hohen Risiko für eine Rhabdomyolyse. Apotheker müssen zwingend Rücksprache mit dem verordnenden Arzt halten, um entweder eine Pausierung des Statins oder den dauerhaften Wechsel auf ein nicht über CYP3A4 metabolisiertes Statin, zum Beispiel Rosuvastatin, zu empfehlen.
Wirkstoff | Substrat von | Inhibition von CYP-Isoenzym stark | Inhibition von CYP-Isoenzym moderat | Inhibition von CYP-Isoenzym schwach | Inhibition von | Induktion von CYP-Isoenzym (schwach) |
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Fluconazol | – | 2C19 | 2C93A4 | – | – | – |
Isavuconazol | CYP3A4 | – | 3A4 | – | P-gpBCRP | 2B6 |
Posaconazol | UGT1A4P-gp | 3A4 | – | – | P-gp | – |
Voriconazol | CYP2C19CYP2C9CYP3A4 | 3A4 | 2C19 | 2B62C9 | – | – |
BCRP: Breast Cancer Resistance Protein; CYP: Cytochrom P450; P-gp: P-Glykoprotein; UGT: Uridin-5᾿-diphospho-glucuronosyltransferase (Glucuronosyltransferase)
Weitere in der Praxis häufig auftretende und schwerwiegende Interaktionen bestehen zwischen Azolantimykotika und Calcineurin-Inhibitoren (Ciclosporin, Tacrolimus) sowie mTOR-Inhibitoren (Sirolimus, Everolimus). Da Azole den Metabolismus der Immunsuppressiva deutlich reduzieren, muss deren Dosis zum Teil erheblich gesenkt werden. Offizinapotheker sollten sich immer vergewissern, dass adäquate Konzentrationen der Immunsuppressiva durch regelmäßige ambulante Spiegelkontrollen sowie entsprechende Dosisanpassungen während der Anwendung und unmittelbar nach dem Absetzen des Azolantimykotikums sichergestellt werden.
In Bezug auf das häufig von der Apothekensoftware gemeldete Risiko von QTc-Zeit-Verlängerungen sollte sich die Beratung nach dem Risikoprofil der Wirkstoffe sowie nach zusätzlichen Risikofaktoren richten; diese sind unter anderem hohes Alter, weibliches Geschlecht, kardiovaskuläre Vorerkrankungen, Elektrolytstörungen sowie Einnahme von Medikamenten, die diese begünstigen (43). Das höchste Risiko für QTc-Zeit-Verlängerungen birgt Fluconazol, während unter Isavuconazol QTc-Zeit-Verkürzungen beobachtet wurden (29, 44).
Berücksichtigt werden sollte zudem die Risikopotenzierung durch steigende Konzentrationen QTc-Zeit-verlängernder Komedikation aufgrund von pharmakokinetischen Interaktionen mit Azolantimykotika; zum Beispiel steigt die Citalopram-Konzentration durch Fluconazol und Voriconazol.
Azolantimykotika stellen jedoch nicht nur »Täter«, sondern auch »Opfer« dar. So sind Voriconazol und Isavuconazol selbst sensitive CYP-Substrate. Neben den »klassischen« Induktoren und Inhibitoren der metabolisierenden Enzyme und Transportproteine sollten Apotheker auch vermeintlich irrelevante Standardmedikamente berücksichtigen, zum Beispiel Metamizol und Omeprazol.
Bei längerfristiger Einnahme von Metamizol ist aufgrund der moderaten bis starken CYP3A4- und CYP2C19-Induktion mit einer erheblichen Abnahme der Voriconazol- oder Isavuconazol-Plasmakonzentration zu rechnen (45, 46). Entsprechend sollten Apotheker insbesondere bei Patienten mit einer Metamizol-Dosis über 3 g/Tag in der Dauermedikation mit dem verordnenden Arzt klären, ob ein Wechsel auf alternative Analgetika möglich ist.
Omeprazol hingegen führt als CYP2C19-Inhibitor zum Anstieg der Plasmakonzentration von Voriconazol. Dieser Effekt kann als sogenannter »Booster« durchaus erwünscht sein, um adäquate Voriconazol-Konzentrationen zu erreichen, jedoch auch ungewollt das Risiko für Nebenwirkungen erhöhen. Apotheker sollten die Indikation mit dem verordnenden Arzt abklären und gegebenenfalls Pantoprazol als Alternative empfehlen.
Während Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö oder eine Erhöhung der Leberfunktionswerte unter allen Azolantimykotika auftreten können, zählen Phototoxizität und Nagelveränderungen zu den spezifischen Nebenwirkungen von Voriconazol (24–32, 48).
Keine pralle Sonne, kein Sonnenbad: Das sollten mit Voriconazol behandelte Patienten auf jeden Fall beachten, um phototoxische Nebenwirkungen zu vermeiden. / Foto: Adobe Stock/Doc Rabe Media
Bei Abgabe Voriconazol-haltiger Arzneimittel ist insbesondere im Sommer die konsequente Verwendung eines Sonnenschutzmittels mit hohem Lichtschutzfaktor und die Vermeidung direkter Sonnenexposition zu empfehlen. Schildern Kunden Phototoxizität oder weisen entsprechende Läsionen auf, sollten sie an einen Dermatologen verwiesen werden, da im Zusammenhang mit phototoxischen Reaktionen über spätere maligne Hautveränderungen wie Plattenpithelkarzinome berichtet wurde.
Im Hinblick auf Nagelveränderungen, die erhöhte Brüchigkeit, Spaltung bis hin zum Verlust des Nagels umfassen, können Apotheker empfehlen, Nägel kurz zu halten und Pflegeprodukte, zum Beispiel Nagelhärter, zu verwenden.
Hellhörig sollten Apotheker werden und die Rücksprache mit dem behandelnden Arzt empfehlen, wenn Kunden über Sehstörungen berichten. Diese treten am häufigsten unter Vo-riconazol auf und können sich als verschwommenes Sehen oder veränderte Farbwahrnehmung äußern, aber auch mit optischen Halluzinationen einhergehen. Bei einigen Patienten klingen Sehstörungen nach kurzer Zeit wieder ab und erfordern keine Behandlungsunterbrechung. Bei persistierender Symptomatik ist die Umstellung auf ein alternatives Azolantimykotikum hingegen zwingend notwendig.
Invasive Mykosen stellen seltene, aber lebensgefährliche Infektionen vor allem immungeschwächter Patienten dar, deren Klinik, Diagnostik und Therapie sich je nach Erreger teils beträchtlich unterscheiden.
Zum Einsatz kommen im Wesentlichen drei Wirkstoffklassen: Azole, Polyene und Echinocandine. Azolantimykotika sind aufgrund ihres enormen Interaktionspotenzials Hochrisiko-Arzneimittel.
Offizinapotheker können durch ihre umfassende Beratung einen wesentlichen Beitrag zur Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) leisten. Im Fokus sollten das Interaktionsmanagement sowie Schulungen zu korrekter Einnahme und potenziellen Nebenwirkungen der Azole stehen.
Um angesichts zunehmender Antimykotika-Resistenzen auch zukünftig eine effektive Behandlung sicherzustellen, ist die Entwicklung neuer Wirkstoffklassen, inklusive oral verfügbarer Substanzen zur ambulanten Therapie, dringend notwendig. Zu den vielversprechendsten Wirkstoffen zählen aktuell Fosmanogepix, Ibrexafungerp und Olorofim, deren Wirkspektren auch Azol-resistente Aspergillus-Arten umfassen (49).
Stephanie Kirschke studierte Pharmazie an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München und erhielt 1999 ihre Approbation als Apothekerin. Von 2000 bis 2003 promovierte sie am Lehrstuhl für Pharmazeutische Biologie der LMU München. Nach der Promotion arbeitete sie bis 2021 als Clinical Pharmacist in Großbritannien und spezialisierte sich im Bereich Hämato-Onkologie am Imperial College Healthcare NHS Trust, London. Im Anschluss war sie als Stationsapothekerin an einem dreijährigen Forschungsprojekt für AMTS systemischer Antimykotika am LMU Klinikum München beteiligt. Seit 2024 ist sie als Klinische Apothekerin in der Apotheke des Klinikums tätig.
Till Klein studierte Pharmazie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und diplomierte dort im Bereich der pharmazeutischen Analytik. Nach Erhalt der Approbation im Juni 2020 arbeitete er zunächst in der Herstellung patientenindividueller parenteraler Arzneimittel. Seit Februar 2022 promoviert er über die Arzneimitteltherapiesicherheit systemischer Antimykotika in der Hämato-Onkologie im Promotionsprogramm Klinische Pharmazie der LMU München.