Sirane auf dem Vormarsch |
Die zugelassenen Sirane zeigen deutlich: Das Prinzip der RNA-Interferenz lässt sich therapeutisch sehr gut nutzen. Voraussetzung ist, dass der Pathomechanismus einer Erkrankung sehr gut aufgeklärt und verstanden ist, denn man muss durch die gezielte Ausschaltung eines Proteins einen Therapieerfolg erzielen können, ohne gleichzeitig einen (lebens)wichtigen biochemischen Prozess zu inhibieren.
Neben Tumorerkrankungen, bei denen beispielsweise onkogene Proteine durch RNA-Interferenz ausgeschaltet werden, können auch wichtige Oberflächenproteine pathogener Viren oder Rezeptoren und Kanalproteine, zum Beispiel bei Augenerkrankungen, adressiert werden – der Fantasie sind praktisch kaum Grenzen gesetzt.
Allerdings stellt die zielgerichtete Applikation immer wieder eine Herausforderung dar. Die bisher zuge-lassenen Sirane steuern alle entweder über Lipidnanopartikel mit Apolipoprotein E3 oder über GalNAc-Konjugate recht erfolgreich Hepatozyten an. Für andere Zielgewebe müssen neue Konjugate gefunden werden. Dies könnten beispielsweise RGD-(Arginin-Glycin-Asparaginsäure-)Motive für die Bindung an Integrine oder Folat für die Interaktion mit Folatrezeptoren auf Tumorzellen sein.
Bleibt noch die Frage nach dem Vehikel. Aus LNP gelangen üblicherweise nur 1 bis 2 Prozent der eingesetzten siRNA aus den Endolysosomen ins Zytoplasma – das sollte noch besser werden. Neben den speziellen Konjugaten und LNP sind auch Exosomen in der Testung. Es gibt wahrscheinlich nicht die eine siRNA-Formulierung, die für alles verwendet werden kann, sondern es muss für jede Indikation die richtige Applikationsform gefunden werden.
Theo Dingermann studierte Pharmazie in Erlangen. Nach Promotion und Habilitation war er bis 2013 Geschäftsführender Direktor des Instituts für Pharmazeutische Biologie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Jetzt ist er Seniorprofessor der Universität. Die Apotheker kennen ihn als Referenten und Autor von wissenschaftlichen Fach- und Lehrbüchern. Der PZ ist er seit April 2010 als externes Mitglied der Chefredaktion, seit Frühjahr 2019 als einer von drei Chefredakteuren und aktuell als Senior Editor verbunden.
Ilse Zündorf studierte Biologie von 1984 bis 1990 an der Universität Erlangen. Nach einem Forschungsaufenthalt an der Universität von Kentucky, Lexington, USA, wurde sie 1995 am Institut für Pharmazeutische Biologie der Universität Frankfurt promoviert. Zunächst als Akademische Rätin, seit 2001 als Akademische Oberrätin, arbeitet sie am dortigen Institut für Pharmazeutische Biologie. Ihre Forschungsthemen betreffen Herstellung und Charakterisierung monoklonaler Antikörper, Herstellung und Modifikation rekombinanter Antikörperfragmente sowie die Etablierung von zellulären Testsystemen zur Wirkstoffsuche.