Sirane auf dem Vormarsch |
Das Target Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 9 (PCSK9) für eine Therapie der primären Hypercholesterolämie ist schon länger bekannt und wird beispielsweise von den monoklonalen Antikörpern Evolocumab (Repatha®) und Alirocumab (Praluent®) gehemmt. Auf Hepatozyten bindet PCSK9 an LDL-Rezeptoren, woraufhin der Komplex internalisiert und abgebaut wird. Wird die PCSK9 gehemmt, können LDL-Rezeptoren weiterhin LDL-Cholesterol (LDL-C) aus dem Blut abfangen. Alternativ zur Hemmung des Proteins über monoklonale Antikörper kann aber auch die PCSK9-Biosynthese reduziert werden.
Dies gelingt mit Inclisiran (Leqvio®), das seit Anfang 2021 zur Verfügung steht. Dieser siRNA-Wirkstoff induziert über den Abbau der PCSK9-mRNA nach 30 bis 60 Tagen eine mittlere LDL-C-Senkung um 49 bis 51 Prozent. Leqvio® ist zugelassen zur Behandlung von Erwachsenen mit primärer, heterozygot familiärer und nicht familiärer Hypercholesterolämie oder gemischter Dyslipidämie zusätzlich zu einer diätetischen Therapie. Es wird kombiniert mit einem Statin und anderen lipidsenkenden Therapien bei Patienten, die mit der maximal tolerierten Statindosis die LDL-C-Zielwerte nicht erreichen.
Die Primäre Hyperoxalurie Typ 1 (PH1) ist eine seltene, autosomal-rezessiv vererbte Störung des Glyoxylat-Zyklus in Zellen und tritt in Europa mit einer Prävalenz von etwa 0,05 pro 10.000 auf. Ursache für die Störung ist eine mutierte Alaninglyoxylat-Aminotransferase (AGT), wodurch Glyoxylat im Peroxisom nicht mehr in Glycin umgewandelt werden kann. Stattdessen entsteht vermehrt Oxalat im Zytosol, das in Form von Calciumoxalat-Kristallen ausfällt. Die Konsequenzen sind Nierensteine und eine eingeschränkte Nierenfunktion mit möglicher systemischer Oxalose, wodurch Augen, Herzmuskel, Haut und Knochen sowie das ZNS geschädigt werden.
Lumasiran (Oxlumo®) bindet an die mRNA, die für die Glycolatoxidase (GO) codiert. Dieses peroxismale Enzym ist für die Umwandlung von Glycolat in Glyoxylat verantwortlich. Durch die siRNA-Therapie kann die Oxalatmenge im Urin im Vergleich zum Ausgangswert um etwa 65 Prozent reduziert werden.
Das für alle Altersgruppen zugelassene Präparat wird subkutan injiziert, am besten in Unterbauch, Oberarm oder Oberschenkel. Die empfohlene Dosis richtet sich nach dem Körpergewicht und besteht aus Initialdosen einmal monatlich über drei Monate, gefolgt von Erhaltungsdosen (Tabelle, Seite 39). Die Nebenwirkungen sind überschaubar. In den klinischen Studien traten neben Abdominalschmerzen Reaktionen an der Injektionsstelle wie Erytheme, Schmerzen, Juckreiz und Schwellungen auf.
Foto: Adobe Stock/Christoph Burgstedt
Messenger RNA (mRNA):
Mit den Impfstoffen Spikevax® und Comirnaty® gegen COVID-19 erhielten die ersten mRNA-Arzneistoffe die Zulassung. Der Ansatz ist, dass eine bestimmte mRNA in Zellen eingebracht und dort translatiert wird. Dadurch entsteht vorübergehend (transient) das entsprechende Protein, das beispielsweise als Antigen zur Stimulation des Immunsystems dient. Für eine Protein-Ersatztherapie, beispielsweise bei Hämophilie A, ist die Methode eher ungeeignet, weil es zu erheblichen Nebenwirkungen durch Off-target-Effekte kommen kann.
Antisense-Oligonukleotide (ASO):
Einzelsträngige RNA- oder DNA-Oligonukleotide werden in die Zelle eingebracht und binden dort an die zu ihrer eigenen Sequenz komplementäre mRNA (»Sense«-Molekül). Durch diesen doppelsträngigen Bereich kommt es zu einer sterischen Blockade der Funktionalität. Je nachdem, welche Sequenz für das Antisense-Oligonukleotid gewählt wurde und in welcher Region der mRNA die Bindung stattfindet, kommt es zur Inhibition des Translationsstarts, zur Beeinträchtigung des mRNA-Spleißprozesses (Beispiel: Nusinersen in Spinraza®) oder zum Abbau der Ziel-mRNA im DNA-RNA-Komplex durch RNase H (Beispiel: Inotersen in Tegsedi®, Volanesorsen in Waylivra®).
Micro RNA (miRNA):
Kurze, 20 bis 25 Nukleotide lange, doppelsträngige RNA, die natürlicherweise in Zellen vorkommt und dort die Translation bestimmter mRNA steuert. Therapeutisch eingesetzt imitieren die miRNA häufig ihre natürlichen Pendants und stellen deren Funktionalität, beispielsweise in Tumor-zellen, wieder her. Die Wirkweise ähnelt der von siRNA (siehe Haupttext) und führt zur Zerstörung der adressierten mRNA. Im Gegensatz zu siRNA binden miRNA bereits bei einer Teilkomplementarität an die mRNA, vor allem im Bereich der 3'-UTR (nicht translatierte Region). Dadurch kann eine miRNA mehrere unterschiedliche mRNA hemmen.
RNA-Aptamere:
Kurze einzelsträngige RNA-Moleküle, die weniger aufgrund ihrer Sequenz als vielmehr wegen ihrer dreidimensionalen Struktur an unterschiedliche Zielmoleküle binden, zum Beispiel Kohlenhydrate, Proteine oder Nukleinsäuren. Aptamere können dort entweder als Agonisten, Antagonisten oder allgemeine Bindepartner wirken. Das inzwischen wieder vom Markt genommene Pegaptanib (Macugen®) war gegen VEGF gerichtet und zur Therapie der altersabhängigen feuchten Makuladegeneration zugelassen.
Short activating RNA (saRNA):
Kurze, 21 Nukleotide lange, doppelsträngige RNA, von der durch das Protein AGO2 (Argonaut 2) ein Strang (Passenger-Strang) geschnitten wird. Der verbleibende Strang bindet im Komplex mit AGO2 an bestimmte Promotoren von Genen und verstärkt deren Transkription.
Single guide RNA (sgRNA):
Mit dem CRISPR-Cas-System steht ein recht effizientes Werkzeug zur Genomveränderung zur Verfügung. Die Cas-Nuklease benötigt für das zielgenaue Schneiden der DNA in einer Zelle eine sgRNA, die sie an ihre komplementäre Sequenz führt.