Selbstmedikation im Alter 60+ |
Der Tiefschlaf nimmt mit zunehmendem Alter ab. Menschen brauchen länger, um einzuschlafen, und wachen nachts häufiger auf. Oft kommen Ängste oder seelische Probleme hinzu. So ist die Zahl der Patienten hoch, die ein Beruhigungsmittel verordnet bekommen oder in der Apotheke nach einem Schlafmittel fragen.
Neben den Altersveränderungen können auch eine ungünstige Schlafhygiene, Erkrankungen wie Schmerzen, Asthma oder Herz-Kreislauf-Probleme sowie Medikamente wie Diuretika und Parkinson-Therapeutika die Schlafqualität mindern (Tabelle 1). In der Apotheke kann anhand der Priscus-Liste2.0 geprüft werden, ob die verlangte oder verordnete Medikation für den Patienten geeignet ist. Ungeeignet sind H1-Antihistaminika der ersten Generation, die neben ihrer anticholinergen Wirkung zu einer QT-Zeit-Verlängerung, Hangover, Toleranzentwicklung, paradoxen Reaktionen und eingeschränktem Reaktionsvermögen führen.
Symptom | mögliche Ursachen | Allgemeinmaßnahmen und Selbstmedikation |
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Ein- oder Durchschlafstörungen | veränderter SchlafrhythmusErkrankungen (Schmerzen, Asthma, Herz-Kreislauf-Probleme, Hyperthyreose, Restless Legs Syndrom)Medikamente (Diuretika, ACE-Hemmer, Betablocker, Parkinson-Therapeutika) | Schlafhygiene verbessernhoch konzentrierter Baldrianextrakt, Hopfenzapfen, Melissenblätter |
nachlassende Gedächtnisleistung | unzureichende Flüssigkeitsaufnahme, Depressionmangelndes geistiges Training im Ruhestandarteriosklerotische Veränderungen | Trinkmenge erhöhenGinkgo-biloba-Extrakt |
Schwindel | unzureichende FlüssigkeitsaufnahmeBlutdruckschwankungenErkrankungen des Geleichgewichtorgans (M. Menière)Durchblutungsstörungen (Arteriosklerose)psychische FaktorenMigräneGehirnerkrankungen wie M. Parkinson, Multiple SkleroseNebenwirkungen von Medikamenten (Antiepileptika, Antidepressiva, Antibiotika, Diuretika, Herz-Kreislauf Therapeutika) | Trinkmenge erhöhenärztliche DifferentialdiagnoseMedikamente umstellenAntivertiginosa |
Das Apothekenteam kann Senioren Tipps für eine gesunde Schlafhygiene geben und pflanzliche Sedativa empfehlen. Die Monographien des Ausschusses für pflanzliche Arzneimittel (HMPC) der Europäischen Arzneimittelagentur EMA empfehlen hoch konzentrierten Baldrianextrakt sowie Hopfenzapfen, Melissenblätter, Lavendelblüten und Passionsblumenkraut.
Da sich bei älteren Menschen die Motilität des Gastrointestinaltrakts und die Ausscheidungsfunktion der Niere verändern, tritt die Wirkung eines Sedativums später ein und hält länger an. Manche Senioren meinen dann, das Medikament wirke nicht. Zudem ist das Risiko für einen Hangover erhöht.
Auf Sorgen und Ängste reagieren viele Menschen mit sozialem Rückzug, Depression, Medikamenten- oder Alkoholabhängigkeit. In der Apotheke wird nach Johanniskraut- oder Lavendelöl-Extrakt gefragt. Die antidepressive Wirkung von Johanniskraut-Extrakten und die anxiolytische Wirkung des patentierten Lavendelöl-Extrakts Silexan® wurden in randomisierten Doppelblindstudien festgestellt; dazu gibt es Monographien des HMPC.
Im Gespräch sollten Apotheker auf Kontraindikationen und Wechselwirkungen hinweisen und mit Fingerspitzengefühl die Hintergründe der Ängste erfragen. Ängste und Depressionen sind kein Zeichen des Alters, sondern eigenständige Erkrankungen, die vom Arzt behandelt werden können.