Selbstmedikation im Alter 60+ |
Viele Senioren sind heute fit und aktiv. Leichtere Beschwerden wollen sie selbst behandeln – eine große Chance für die Apotheke. / Foto: Adobe Stock/GordonGrand
Mit dem 30. Lebensjahr erreichen die Körperfunktionen des menschlichen Organismus den Höhepunkt. Dann nimmt der physiologische Alterungsprozess seinen Lauf (Kasten). Beschreibt ein älterer Mensch in der Apotheke seine Beschwerden und fragt nach einem Selbstmedikationspräparat, sollte das Apothekenteam neben den Symptomen des natürlichen Alterungsprozesses immer bedenken, dass auch Grunderkrankungen und Nebenwirkungen von Arzneimitteln eine Rolle spielen können.
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Mit zunehmendem Alter verändern sich alle Körperfunktionen. Bewegungsapparat und Organfunktionen können Belastungen weniger gut kompensieren. Die Knochendichte nimmt ab, was Osteopenie oder Osteoporose auslösen und das Risiko für Knochenbrüche erhöhen kann. Muskelgewebe und -kraft nehmen kontinuierlich ab; Bewegungsmangel und einseitige Ernährung beschleunigen diesen Prozess.
Die Zunahme an Körperfett und dessen Umverteilung verändern die Körperproportionen und begünstigen Erkrankungen wie Diabetes. Steifer werdende Gefäßwände erhöhen das Risiko für eine Hypertonie und verringern die Anpassungsfähigkeit, zum Beispiel bei körperlicher Anstrengung. Auch die Lungengefäße verlieren an Elastizität, was den Gasaustausch erschwert. Reduzierte Enzymaktivität und Muskelbewegungen des Gastrointestinaltrakts verlängern die Passagezeit. Da die Filtrationsfähigkeit der Nieren abnimmt, werden Abfallprodukte schlechter ausgeschieden. Die Dosis einer Dauermedikation muss gegebenenfalls angepasst werden. Das Immunsystem arbeitet langsamer, was den Menschen anfälliger für Infektionen, Krebs oder andere Erkrankungen macht.
Abfallende Hormonspiegel, vor allem von Estrogen, beeinflussen während und nach den Wechseljahren die Knochendichte, die Durchfeuchtung von Haut und Schleimhäuten und das Herz-Kreislauf-System. Bei Männern verringern sinkende Sexualhormonspiegel die Libido.
Auch die Funktion der Sinnesorgane nimmt ab: Veränderungen der Augenlinse und Pupille verringern die Sehkraft und das Auge benötigt zum guten Sehen mehr Licht. Der altersbedingte Hörverlust (Presbyakusis) betrifft vor allem das Hören hoher Töne. Die Altersschwerhörigkeit muss durch Hörgeräte ausgeglichen werden; sonst ist das Risiko für Demenz oder sozialen Rückzug erhöht.
Geschmacks- und Geruchssinn nehmen ab. Damit steigt die Gefahr, Verdorbenes zu sich zu nehmen.
Ein verringerter Speichelfluss kann den Schluckvorgang beeinträchtigen. Die Dysphagie erschwert die Nahrungsaufnahme mit dem Risiko einer Mangelernährung ebenso wie die Tabletteneinnahme und damit die Adhärenz. Anticholinerg wirksame Medikamente verschärfen die Situation. Das nachlassende Durstgefühl kann eine Dehydrierung begünstigen.