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Orientierung für den Einsatz von Opioidanalgetika gibt weiterhin das Stufenschema der WHO zur Tumorschmerztherapie (Grafik). Nach Intensität, Lokalisation und Art der Schmerzen werden drei Stufen unterschieden. Mittelstarke Opioide wie Tilidin und Tramadol werden in der zweiten Stufe und die starken Analgetika wie Morphin, Fentanyl oder Buprenorphin in Stufe 3 empfohlen. Alle Opioide wirken analgetisch, dämpfend und atemdepressiv, aber nicht antiinflammatorisch wie nicht-steroidale Antiphlogistika (NSAR), die ebenso wie Metamizol in der ersten Stufe des WHO-Schemas genannt werden.
Stufenschema zur Tumorschmerztherapie; modifiziert nach WHO 2019 / Foto: PZ/Stephan Spitzer
Opioide binden als Agonisten oder Partialagonisten mit unterschiedlicher Affinität an die körpereigenen Opioidrezeptoren und hemmen so die Schmerzweiterleitung im zentralen Nervensystem, also im Rückenmark und im Gehirn. Opioidrezeptoren gibt es außerdem auch in der Peripherie; hier können die Substanzen Nebenwirkungen, zum Beispiel Obstipation, hervorrufen.
Opioide werden bei mittelstarken bis starken Schmerzen häufig mit Koanalgetika wie Nicht-Opioidanalgetika, Antidepressiva und Antikonvulsiva kombiniert. Letztere sind insbesondere bei neuropathischen Schmerzen angezeigt.
Zu den mittelstarken Substanzen gehören Tilidin und Tramadol. Tilidin wird mit dem Opioidrezeptor-Antagonisten Naloxon kombiniert, um das Abhängigkeits- und Nebenwirkungsrisiko zu reduzieren. Das Prodrug Tilidin wird in der Leber zur eigentlichen Wirkform Nortilidin metabolisiert.
Tilidin kann in Tropfen- oder Tablettenform angewendet werden. Mit den Tropfen wird eine rasch eintretende Wirkung mit geringer Dauer von etwa zwei bis drei Stunden erreicht. Dies ist für akute Schmerzen oder Schmerzspitzen sinnvoll. Für eine anhaltende Analgesie sind Retardformulierungen mit einer Wirkdauer von zwölf Stunden besser geeignet. Aufgrund des Missbrauchsrisikos unterliegen Tilidin-Tropfen der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV).
Tramadol wirkt Opioid-agonistisch und hemmt die Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin. Diese Begleitwirkung ist vorteilhaft bei der Behandlung von neuropathischen Schmerzen. Auf der anderen Seite sind pharmakodynamische Wechselwirkungen mit serotonergen Substanzen möglich und unbedingt zu beachten. Pharmakokinetische Interaktionen können mit Inhibitoren von CYP 2D6, zum Beispiel Fluoxetin, Paroxetin und Bupropion, auftreten. Es resultieren höhere Plasmaspiegel von Tramadol.
Die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) ordnet Tramadol als Therapieoption für einige Tage oder wenige Wochen zur kurzfristigen Analgesie ein, bevor zu einem Arzneimittel der WHO-Stufe 3 übergegangen wird.
Tramadol steht als retardierte und nicht-retardierte orale Darreichungsform zur Verfügung. Retardtabletten werden normalerweise zweimal, die Tropfen und unretardierte Arzneiformen wegen der kurzen Halbwertszeit drei- bis sechsmal täglich eingenommen. Außerdem kann Tramadol intravenös, subkutan oder rektal angewendet werden.
Bei Einsatz der mittelstarken Opioide sollte der sogenannte Ceiling-Effekt beachtet werden. Dies bedeutet: Im oberen Dosierungsbereich ist irgendwann durch weitere Dosissteigerung keine weitere Analgesie mehr zu erreichen, die Nebenwirkungsrate steigt jedoch trotzdem. Wenn die Wirksamkeit der Tageshöchstdosen also nicht ausreicht, sollte frühzeitig auf stark wirksame Opioide gewechselt werden (4).
Foto: Adobe Stock/Klaus Eppele
Betäubungsmittel (BtM) werden auf speziellen dreiteiligen Rezeptformularen für gesetzlich krankenversicherte Patienten und Privatpatienten verschrieben.
Ein BtM-Rezept ist sieben Tage gültig. Es muss spätestens am siebten Tag nach Ausstellung durch den Arzt in der Apotheke eingereicht werden. Teilmengen oder Nachlieferung wegen einer Bestellung dürfen auch danach noch an den Patienten ausgehändigt werden. Die BtM-Nummer auf dem Rezept verweist auf den verordnenden Arzt, der seine individuelle BtM-Nummer hat. Die Angaben zur Apotheke müssen entweder auf das Rezept aufgedruckt oder auf die Rückseite gestempelt werden. Außerdem muss die Unterschrift des Abgebenden vermerkt sein.
Für die Angaben auf BtM-Rezepten gibt es strenge Vorgaben. So muss die Menge des verschriebenen Arzneimittels in Gramm oder Milliliter oder Stückzahl der abgeteilten Form angegeben sein. N-Größen sind nicht ausreichend. Bei transdermalen Systemen müssen die Beladungsmengen vermerkt sein, wenn ein spezielles Handelspräparat verordnet ist. Wichtig ist die Dosierungsanweisung mit Einzel- und Tagesdosis. Fehlt diese, kann der Apotheker nach Rücksprache den Hinweis ergänzen und so das Rezept »heilen«. Der Nachtrag muss mit Unterschrift und Datum abgezeichnet sein.
Überschreitet der Arzt die zulässige Höchstmenge für 30 Tage (aufgelistet in der BtM-Verschreibungsverordnung), muss er dies auf dem Rezept mit dem Buchstaben »A« kennzeichnen.
Möchte der Arzt in einer Notfallsituation ein Opioid verordnen, hat aber kein BtM-Formular zur Hand, kann er die Verordnung auf einem normalen Rezept vornehmen, muss aber spätestens am folgenden Tag ein BtM-Rezept nachreichen. Auf beiden Rezepten markiert der Buchstabe »N« die Notversorgung und die Nachreichung des BtM-Rezeptes. Zusammen mit einem BtM darf auch ein »Nicht-BtM«, zum Beispiel ein Laxans, verordnet werden.