Phytos fürs Immunsystem |
In der kalten, nassen Jahreszeit wollen viele Menschen ihr Immunsystem boostern – zum Teil mit pflanzlichen Präparaten. Die Evidenz dazu ist durchmischt. / © Getty Images/Westend61
Der Hals fühlt sich an wie ein Reibeisen und schmerzt beim Schlucken und Sprechen, es folgen Schnupfen und Husten: Meist sind Viren für diese Erkältung verantwortlich, allen voran Rhino-, Adeno- oder Coronaviren. Hin und wieder beteiligen sich allerdings auch Bakterien.
In der Regel ist das Immunsystem in der Lage, mit all diesen unterschiedlichen Erregern fertig zu werden. So können sich die B- und T-Lymphozyten des spezifischen (adaptiven) Immunsystems – einmal mit einem spezifischen Pathogen konfrontiert – auch noch Monate oder Jahre später daran »erinnern« und dieses dann sehr schnell und gezielt abwehren. Aber auch das unspezifische (angeborene) Immunsystem mit den Makrophagen, natürlichen Killerzellen, neutrophilen Granulozyten und dem Komplementsystem ist sehr erfolgreich bei der Erregerabwehr. Allerdings ist mit diesem Arm des Immunsystems kein immunologisches Gedächtnis verknüpft: Die hieran beteiligten Zellen und Komplementfaktoren müssen immer wieder aufs Neue aktiv werden.
Die effektivste Unterstützung des Immunsystems zur Abwehr von Pathogenen wäre die Impfung, durch die spezifische B- und T-Zellen gegen einen Erreger mobilisiert und im Falle einer echten Infektion direkt aktiv werden. Gegen die meisten Erkältungsviren ist allerdings kein Impfstoff verfügbar, sodass man zur Prophylaxe und Therapie letztlich nur das unspezifische Immunsystem stärken kann. Pflanzliche Immunstimulanzien zielen vor allem hierauf ab.
Was soll eine solche Immunstimulation im Idealfall bewirken? Im Prinzip lässt sich das Immunsystem entweder präventiv so stärken, dass ein Pathogen erst gar keine Chance hat, sich im Körper auszubreiten. Die Alternative ist, eine bereits vorhandene Infektion mit einem Immunstimulans möglichst zu verkürzen.
Halsschmerzen, Husten, Schnupfen: Das sind typische Symptome eines grippalen Infekts. Manchmal geht dieser auch mit leichtem Fieber einher. / © Getty Images/DusanManic
Gerade was Erkältungskrankheiten angeht, die selbstlimitierend und innerhalb kurzer Zeit, meist einer Woche, ausgestanden sind, ist der Wirksamkeitsnachweis in einer klinischen Studie dabei nicht ganz einfach. Wie lange muss die Intervention für beispielsweise eine Prophylaxe stattfinden? Wie sind Endpunkte eines Behandlungserfolgs – egal ob Prophylaxe oder Therapie – zu definieren? Gibt es klinische Parameter, die eine Wirksamkeit erklären? Antworten auf all diese Fragen wären wichtig, liegen aber durch die verfügbaren klinischen Studien zu pflanzlichen Immunstimulanzien häufig nicht oder nicht ausreichend vor.
Etliche Drogen und Extrakte werden vom Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel (Committee on Herbal Medicinal Products, kurz: HMPC) der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA für die Therapie von Erkältungskrankheiten empfohlen. Häufig sind dabei Inhaltsstoffe aktiv, die etwa reizmindernd oder schleimlösend wirken. Nur bei wenigen Pflanzenpräparationen wird dagegen eine immunmodulierende Wirksamkeit zugrunde gelegt.
Der HMPC erstellt Monographien zu pflanzlichen Drogen und deren Zubereitungen und teilt sie in die Kategorien »well-established use« (WEU) und »traditional use« (TU) ein:
WEU: Die Droge oder Zubereitung wird länger als zehn Jahre in der EU genutzt und die Wirksamkeit und Sicherheit wurden in klinischen Studien bestätigt. Für die Zuordnung zu dieser Kategorie bedarf es mindestens einer randomisierten, kontrollierten klinischen Studie (RCT), die ausreichend groß und methodisch hochwertig ist. Noch besser ist, wenn Metaanalysen auf der Basis mehrerer RCT zur Verfügung stehen.
TU: Die Droge oder Zubereitung wird länger als 30 Jahre und davon mindestens 15 Jahre in der EU verwendet. Sie wird dann auf der Basis ausreichender Sicherheitsdaten und ihrer traditionellen Anwendung mit plausibler Wirkung registriert. Hier gibt es gemäß HMPC-Einschätzung keine ausreichende Evidenzbasis zur Einstufung in die Kategorie WEU.