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Magen-Darm-Erkrankungen

Phytopharmaka mit und ohne Evidenz

Funktionelle Dyspepsie oder Reizmagen

Der Reizmagen ist eine chronische benigne Funktionsstörung mit länger als drei Monate anhaltenden oder wiederkehrenden Beschwerden im Oberbauch ohne Nachweis einer organischen Ursache. Mit 10 bis 20 Prozent ist die Prävalenz der funktionellen Dyspepsie recht hoch. Die Leitsymptome der Erkrankung sind zum einen Oberbauchschmerzen und Bauchkrämpfe und zum anderen das postprandiale Distress-Syndrom, das durch Völlegefühl, frühes Sättigungsgefühl, Übelkeit, Brechreiz und Erbrechen sowie Appetitlosigkeit charakterisiert ist. Motilitätsstörungen, sensomotorische Störungen, viszerale Hypersensitivität oder auch eine veränderte Mikrobiota scheinen an der Entstehung der funktionellen Dyspepsie beteiligt zu sein.

In der Phytotherapie werden zahlreiche Drogen mit einer spasmolytischen, motilitätssteigernden und/oder beruhigenden Wirkung auf den Verdauungstrakt eingesetzt, die den TU-Status zum Einsatz bei Verdauungsstörungen haben (Tabelle 1). In der Monographie für Süßholzwurzel wird explizit »Dyspepsie und Sodbrennen« bei den Indikationsangaben genannt. Diese Einsatzmöglichkeit könnte auf der entzündungshemmenden Wirkung des Saponins Glycyrrhizin beruhen, aber auch auf der Reduktion der Gastrin-Freisetzung und einer verbesserten Magenschleimhaut-Regeneration. Die geringe Probandenzahl in einer klinischen Studie ließ jedoch keinen WEU-Status zu.

Eine Kombination aus 90 mg Pfefferminzöl und 50 mg Kümmelöl (Carmenthin®) ist zur Therapie von dyspeptischen Beschwerden zugelassen. Eine HMPC-Monographie gibt es hierzu aber nicht (Tabelle 2). Das Präparat kann mit guter klinischer Evidenz aufwarten und wird in einer leitlinienähnlichen Übersichtsarbeit im Deutschen Ärzteblatt als »Therapieoption bei funktioneller Dyspepsie« mit Evidenzlevel 2 (Vorliegen positiver placebokontrollierter Studien) empfohlen.

Ein weiteres, sehr gängiges und klinisch gut untersuchtes Phytopharmakon in diesem Indikationsbereich ist die Extraktmischung STW5 (Iberogast® Classic), die es mittlerweile auch in der modifizierten Variante STW5-II (Iberogast® Advance) gibt (Tabelle 2). STW5 ist eine Extraktmischung aus neun verschiedenen Drogen: Bittere Schleifenblume, Angelikawurzel, Kamillenblüten, Kümmel, Mariendistelfrüchte, Melissenblätter, Pfefferminzblätter, Schöllkraut und Süßholzwurzel. Bei STW5-II fehlen die Komponenten Angelikawurzel, Mariendistelfrüchte und Schöllkraut. In der genannten Übersichtsarbeit wurde STW5 der Evidenzlevel 1 (Vorliegen positiver Metaanalysen) zugesprochen. Für beide Fertigarzneimittel gibt es zahlreiche klinische Studien und sie sind zugelassen zur Therapie funktioneller und motilitätsbedingter Magen-Darm-Erkrankungen wie Reizmagen und Reizdarm.

STW5 kann bereits bei Kindern ab drei Jahren angewendet werden, STW5-II ist für Jugendliche ab zwölf Jahren vorgesehen. Beide Extraktmischungen wirken sich positiv auf die Magenmotilität aus und wirken entzündungshemmend. In Schwangerschaft und Stillzeit sollte keines der beiden Präparate angewendet werden. Aufgrund des Gehalts an Schöllkraut-Alkaloiden wird bei STW5 auf einzelne Fälle einer Leberschädigung während der Anwendung hingewiesen. Bei einer vorgeschädigten Leber sollte die Einnahme daher unterbleiben.

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