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Magen-Darm-Erkrankungen

Phytopharmaka mit und ohne Evidenz

Ingwerrhizom gegen Reisekrankheit, Pfefferminzöl bei Reizdarmsyndrom oder Aloe gegen Verstopfung: Magen-Darm-Beschwerden werden gerne phytotherapeutisch behandelt. Doch wie ist es um die Evidenzen von pflanzlichen Arzneimitteln in diesem Bereich bestellt?
Robert Fürst
Ilse Zündorf
06.03.2022  08:00 Uhr

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen

Bei Patienten mit Morbus Crohn kann die Phytotherapie allenfalls supportiv eingesetzt werden. In der neuen S3-Leitlinie vom August 2021 (AWMF-Registernummer 021–004) werden zwei Drogen erwähnt: Weihrauch und Wermutkraut. Für beide gibt es zwar klinische Hinweise auf eine Wirksamkeit, jedoch reichen diese nicht aus, um eine Empfehlung auszusprechen. Die Leitlinie weist explizit darauf hin, dass beide Drogen nicht als Arzneimittel zur Verfügung stehen. Cannabis wird ebenfalls erwähnt als Therapieoption bei abdominellen Schmerzen und ausgeprägtem Appetitverlust mit starker Gewichtsabnahme, falls die Standardmedikation nicht ausreichend wirksam ist.

Für Colitis ulcerosa ist im April 2021 die neue S3-Leitlinie erschienen (AWMF-Registernummer 021–009LG). Gemäß Leitlinie kann die Droge Indische Flohsamen komplementär in der remissionserhaltenden Therapie eingesetzt werden. Die Empfehlung beruht allerdings nicht auf dem höchsten Evidenzlevel. Der Pflanzeninhaltsstoff Curcumin wird ebenfalls aufgeführt. Zu Curcumin, das in einer Tagesdosis von 2 bis 3 g komplementär zu einem Aminosalicylat eingesetzt wurde, gibt es klinische Studien mit positiven Ergebnissen bei der Remissionsinduktion und dem Remissionserhalt. Allerdings wird klar darauf hingewiesen, dass Curcumin keinen Status als Arzneimittel hat.

Als dritte phytotherapeutische Empfehlung wird in der Colitis-Leitlinie ein Arzneimittel aus Myrrhe, Kamillenblütenextrakt und Kaffeekohle (Myrrhinil®) genannt. Dieses kann mit einer positiven klinischen Studie aufwarten und komplementär zum Remissionserhalt eingesetzt werden (Tabelle 2).

Obstipation und Diarrhö

Bei Verstopfung können die klassischen Füll- und Quellstoffdrogen (Tabelle 3) eingesetzt werden. Sie haben alle den WEU-Status des HMPC. Sie fördern die Darmmotilität und erweichen den Stuhl. Der Wirkeintritt ist frühestens nach etwa zwölf bis 24 Stunden zu erwarten. Eine langfristige Einnahme ist möglich.

Entscheidend ist eine adäquate Flüssigkeitsaufnahme: Das HMPC gibt an, dass mindestens 30 ml Wasser pro Gramm Droge getrunken werden sollen. Die Drogen werden, je nach Quellungszahl, unterschiedlich dosiert (circa 10 bis 40 g als Einzeldosis für Erwachsene) und sind bereits für Kinder ab sechs Jahren mit entsprechend reduzierter Dosierung empfohlen. Die Einnahme soll nicht unmittelbar vor dem Zubettgehen erfolgen und mit zeitlichem Abstand (eine Stunde) zu anderen Arzneimitteln.

Die altbewährten Anthranoid-Drogen (Tabelle 3) wirken zuverlässig abführend und haben entsprechend den WEU-Status. Sie wirken antiresorptiv und sekretagog, das heißt, der Wassergehalt des Stuhls steigt an. Für Erwachsene und Jugendliche ab zwölf Jahren ist eine Einzeldosis von 10 bis 30 mg Hydroxyanthracen-Derivaten vorgesehen, die einmal täglich zur Nacht eingenommen werden soll. Die Dauer bis zum Wirkeintritt beträgt mehrere Stunden, die Anwendungsdauer ist gemäß HMPC auf eine Woche begrenzt. Wichtige Kontraindikationen sind Schwangerschaft und Stillzeit, Nierenerkrankungen, Darmstenosen und chronisch-entzündliche Darmerkrankungen. Außerdem wird in den Monographien auf mögliche Interaktionen hingewiesen, beispielsweise mit herzwirksamen Steroidglykosiden, Antiarrhythmika, Diuretika, Glucocorticoiden und Süßholzwurzel.

Indikationsbereich Drogen mit WEU-Status
Füll- und Quellstoffdrogen Indische Flohsamen, Indische Flohsamenschalen, Flohsamen, Leinsamen
Anthranoid-Drogen Aloe, Cascararinde, Faulbaumrinde, Rhabarberwurzel, Sennesfiederblättchen und Sennesfrüchte
Tabelle 3: Füll- und Quellstoff- sowie Anthranoid-Drogen, alle mit WEU-Status

Die S2k-Leitlinie zur chronischen Obstipation, die 2018 abgelaufen ist und derzeit überarbeitet wird, erwähnt Anthranoid-Drogen neben Lactulose als Therapeutika der zweiten Wahl. Makrogol, Bisacodyl und Natriumpicosulfat seien aber zu bevorzugen. Die Leitlinie sieht den längerfristigen Einsatz der Drogen also nicht so kritisch wie das HMPC, weist aber ausdrücklich darauf hin, dass Langzeitstudien fehlen.

Zur symptomatischen Behandlung leichter Durchfallerkrankungen können gerbstoffhaltige Drogen angewendet werden. Gerbstoffe wirken adstringierend auf die entzündlich veränderte Darmschleimhaut und dichten die feinen Kapillaren ab, sodass die Wassersekretion und die Resorption toxischer Stoffe verringert werden. Relevante klinische Daten gibt es zwar nicht, aber die traditionelle Anwendung erscheint auch dem HMPC plausibel genug, um den TU-Status zu vergeben. Die Drogen Eichenrinde, Odermennigkraut, Tormetillwurzelstock, Erdbeerblätter und Himbeerblätter sind in diesem Indikationsbereich vom HMPC monographiert. Ihre Anwendung ist für Erwachsene und je nach Droge auch für Jugendliche ab zwölf Jahren vorgesehen. Auch an Ovalbumin gebundenes Tannin wird zur unterstützenden symptomatischen Therapie akuter unspezifischer Diarrhöen wie Reisedurchfall verwendet. Klinische Untersuchungen hierzu sind in der Literatur aber nicht zu finden.

Prinzipiell können auch Füll- und Quellstoffdrogen (Tabelle 3) bei leichten Durchfallerkrankungen eingesetzt werden, da sie wasserbindend wirken. Allerdings taucht dieses Einsatzgebiet in den HMPC-Monographien nicht auf und es gibt auch keine relevanten klinischen Untersuchungen hierzu.

Die aus Afrika stammende Droge Uzarawurzel wird ebenfalls gegen unspezifischen akuten Durchfall verwendet, was wohl an der Inhaltsstoffgruppe der Steroidglykoside liegt. Die Wirkung erscheint aufgrund präklinischer Daten zwar plausibel, vom HMPC wurde die Droge aber bisher nicht monographiert. Klinische Studien am Menschen gibt es nicht.

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