Phytopharmaka mit und ohne Evidenz |
Gastrointestinale Störungen sind eine wichtige Domäne der Phytotherapie. Für etliche Indikationen, etwa zur Vorbeugung und Behandlung der Reiseübelkeit, gibt es pflanzliche Präparate mit guter Evidenzlage. / Foto: Adobe Stock/nicoletaionescu
Die Phytotherapie ist in Deutschland nach wie vor sehr beliebt, auch wenn im Jahr 2020 ein spürbarer Rückgang der Absatzzahlen gegenüber 2019 zu verzeichnen war. Etwa 12 Prozent weniger Packungseinheiten wurden verkauft. Hauptursache waren die Erkältungspräparate – ihr Absatz ist um 20 bis 30 Prozent gesunken. Abstands- und Hygienekonzepte wirken eben nicht nur gegen SARS-CoV-2. Trotzdem liegen die Erkältungspräparate nach wie vor im Ranking der Indikationsgruppen auf dem ersten Platz. Interessanterweise war auch bei »Magen- und verdauungsfördernden Mitteln« ein Rückgang um knapp 9 Prozent zu verzeichnen. Im Ranking nehmen sie aber immer noch den zweiten Platz ein: Insgesamt wurden elf Millionen Packungseinheiten verkauft und ein Umsatz von 128 Millionen Euro erzielt.
Gastrointestinale Störungen sind also eine wichtige Domäne der Phytotherapie. Etliche Drogen, Extrakte und Präparate können mit einer guten Evidenzbasis aufwarten, was sich zum Beispiel an den EMA-HMPC-Monographien mit Well-established-use-Status zeigt (Kasten). Auch in ärztlichen Leitlinien wird die jeweilige Datenlage mittlerweile gewürdigt und es tauchen immer häufiger phytotherapeutische Empfehlungen auf. Was sind die wichtigsten Indikationsbereiche und welche Evidenzen gibt es für welche Phytopharmaka?
Das Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC) der European Medicines Agency (EMA) erstellt Monographien zu pflanzlichen Drogen und deren Zubereitungen und teilt sie in die Kategorien »well-established use« (WEU) und »traditional use« (TU) ein. Diese Kategorien existieren seit den Jahren 2001 sowie 2004. Mittlerweile gibt es mehr als 150 Monographien und laufend kommen neue hinzu. Die Texte werden in regelmäßigen Abständen dem aktuellen Wissensstand angepasst, sodass sich die Kategorien auch ändern können.
WEU bedeutet, dass die Droge oder Zubereitung länger als zehn Jahre in der EU genutzt wird und die Wirksamkeit und Sicherheit in klinischen Studien bestätigt wurden. Für den TU werden die Drogen oder Extrakte länger als 30 Jahre und davon mindestens 15 Jahre in der EU verwendet. Sie werden auf der Basis ausreichender Sicherheitsdaten und ihrer traditionellen Anwendung mit plausibler Wirkung registriert. Hier gibt es gemäß HMPC-Einschätzung keine ausreichende Evidenzbasis zur Einstufung in die Kategorie WEU.
Übrigens: Aus den Angaben auf einer Arzneimittelpackung erschließt sich der Status nur bedingt. Eine Registrierungsnummer (Reg.-Nr.) und die zusätzliche Angabe »traditionelles pflanzliches Arzneimittel« oder »traditionell angewendet« weisen darauf hin, dass es sich um die Kategorie TU handelt. Auf allen anderen Phytopharmaka findet sich eine Zulassungsnummer (Zul.-Nr.), aus der aber nicht hervorgeht, ob hier eine Vollzulassung, eine WEU-Zulassung oder eventuell eine Nachzulassung nach § 109a AMG vorliegt. Bei einer Nachzulassung findet sich auch der Zusatz »traditionell angewendet«.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.