(Noch) keine Herstellung in der Apotheke |
Wenn Desinfektionsmittel knapp werden, ist das vor allem für Arztpraxen und Krankenhäuser ein Problem. / Foto: Adobe Stock/Kzenon
Die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 hat auch in Deutschland zu einer tiefen Verunsicherung der Bevölkerung geführt. Viele Menschen fragen in Apotheken nach Atemschutzmasken und Desinfektionsmitteln. Beides ist derzeit kaum mehr zu bekommen – und sollte eigentlich dem Einsatz in Krankenhäusern und Arztpraxen vorbehalten sein. Denn einfache Atemschutzmasken schützen den Träger nicht vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 und die Hände- oder gar Flächendesinfektion ist im normalen Alltag nicht notwendig. Das betonte heute noch einmal Professor Dr. Lars Schaade, Vizepräsident des Robert-Koch-Instituts, bei einer Pressekonferenz in Berlin: »SARS-CoV-2 ist ein behülltes Virus. Zum Schutz vor einer Infektion reicht es, sich die Hände gründlich mit Wasser und Seife zu waschen.«
In Kliniken und Arztpraxen, in denen Patienten mit der durch SARS-CoV-2 ausgelösten Erkrankung Covid-19 behandelt werden, kann dagegen die Desinfektion von Händen und/oder Flächen notwendig sein. Um angesichts der Lieferschwierigkeiten der zugelassenen Produkte Abhilfe zu schaffen, könnten Apotheken Rezeptur- oder Defektur-mäßig Desinfektionsmittel herstellen. Dies ist ihnen jedoch aufgrund der EU-Biozidverordnung untersagt, wenn sie dafür keine Zulassung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) haben.
Das Herstellungsverbot gilt sowohl für Flächen- als auch für Händedesinfektionsmittel und sowohl für Produkte, die zum Verkauf bestimmt sind, als auch für solche zum Eigenbedarf in der Apotheke. Hierauf hatte die ABDA bereits 2016 bei Inkrafttreten der Verordnung hingewiesen. Die Übergangsfrist, in der eine Herstellung und Verwendung entsprechender Produkte im Eigenbedarf gestattet war, endete am 1. Juli 2017.
Tritt jedoch ein Notfall ein, kann laut § 55 Biozidverordnung »eine zuständige Behörde befristet für eine Dauer von höchstens 180 Tagen« die Herstellung, Abgabe und Verwendung von nicht zugelassenen Desinfektionsmitteln erlauben. Zuständig sind in diesem Fall die Landesregierungen. Sie können »aufgrund einer Gefahr für die öffentliche Gesundheit […], die mit anderen Mitteln nicht eingedämmt werden kann«, entsprechende Ausnahmen erlauben. Diese Voraussetzung dürfte mit der Nicht-Lieferbarkeit von Desinfektionsmitteln und dem zu erwartenden hohen Bedarf erfüllt sein, sodass entsprechende Genehmigungen vermutlich bald erteilt werden.
Der Weltapothekerverband FIP verweist in seiner Leitlinie zum Coronavirus auf die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Diese empfehle zur Händedesinfektion Lösungen mit 80 Prozent (V/V) Ethanol oder 70 Prozent (V/V) Isopropylalkohol. Auf den Websiten des FIP und der WHO findet sich die Anleitung zur Herstellung zweier entsprechender Händedesinfektionslösungen, die sich explizit an Apotheker richtet.
Der Deutsche Arzneimittel-Codex und das Neue Rezeptur-Formularium (DAC/NRF) weist auf Nachfrage darauf hin, dass es in seiner Funktion als Galeniklabor keine expliziten Empfehlungen für bestimmte Desinfektionsmittel oder Rezepturformeln für die Eigenherstellung aussprechen kann. Auch zur Wirksamkeit und zu rechtlichen Fragen, die die Herstellung von Desinfektionsmitteln in der Apotheke betreffen, könne nicht Stellung genommen werden. Apotheken, die Desinfektionsmittel herstellen wollen, sollten sich bei ihrer zuständigen Kammer nach der rechtlichen Situation in ihrem Bundesland erkundigen.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.