Pharmazieräte wollen Befristung streichen |
Seit März können Apotheker Desinfektionsmittel selbst herstellen – und haben damit geholfen, eine Versorgungslücke in Deutschland zu füllen. / Foto: Picture Alliance
Im Frühjahr hatten die Apotheker eine breite Lücke gefüllt, die sich mitten in der Coronavirus-Pandemie aufgetan hatte. Bundesweit waren Desinfektionsmittel zur Mangelware geworden. Apotheker waren kurzerhand eingesprungen und stellen seit März nun selbst Mittel zur Desinfektion von Händen und Flächen her.
Möglich machen das sogenannte Allgemeinverfügungen der zuständigen Bundesstelle für Chemikalien. Sie hatte den Apothekern die Herstellung ausnahmsweise erlaubt, obwohl Desinfektionsmittel zu den Bioziden zählen. Dabei hatte sich die Bundesstelle auf Artikel 55 der europäischen Biozidverordnung berufen. Demnach darf eine Behörde die Bereitstellung eines Biozidprodukts auf dem Markt für maximal 180 Tage erlauben, sofern dies zum Schutz der öffentlichen Gesundheit notwendig ist. Nun aber läuft diese Ausnahmeregelung für Händedesinfektionsmittel zum 6. Oktober ab, bei Präparaten zur Desinfektion von Flächen soll bereits am 30. September Schluss sein.
Die Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands (APD) sieht darin ein großes Problem. So könnten die Befristungen die Versorgung der Bevölkerung mit wichtigen Desinfektionsmitteln erschweren oder sogar verhindern, heißt es in einem Schreiben der APD, das der PZ vorliegt. Eine Ausnahmeregelung für Apotheker sollte aus Sicht der Pharmazieräte daher unbefristet in die Biozid-Verordnung aufgenommen werden. Die Offizinen könnten im Krisenfall dann schneller einspringen. Zudem sollten Apotheker in die Liste aufgenommen werden, in der die Europäische Chemikalienagentur die zugelassenen Wirkstofflieferanten aufführt.
Zumindest bei Händedesinfektionsmitteln würde die APD gerne noch einen Schritt weitergehen. Demnach sollten diese Mittel nicht ausschließlich als Biozid eingestuft werden. »Die Herstellung der Händedesinfektionsmittel muss durch Apotheken als Arzneimittel im Rahmen einer Standardzulassung grundsätzlich möglich sein«, heißt es. Nur so könnten Apotheken in einer Krisensituation schnell und ohne weitere Ausnahmegenehmigungen Desinfektionsmittel produzieren.
In ihrer Begründung verweist die Arbeitsgemeinschaft auf die Lieferengpässe bei Desinfektionsmitteln in den vergangenen Monaten. »Einzig und allein die Apotheken waren zur Herstellung und Versorgung in der Lage.« Dabei hätten sie auch Arztpraxen, Altenheime sowie Pflegedienste beliefert und damit die Versorgung sichergestellt. »Ohne die Apotheken wäre dies gescheitert«, schreibt die APD.
Mit ihrem Vorstoß wollen die Pharmazieräte eine Ausnahmeregelung für alle Apotheken in der EU erreichen. Zudem sollen sich die neuen Befugnisse nicht auf den Pandemiefall beschränken, sondern ganz allgemein im Krisenfall greifen. »Es muss in jeder Apotheke möglich sein, Desinfektionsmittel zum Beispiel nach der WHO-Rezeptur ohne Erlaubnis oder Einschränkung herzustellen und abzugeben«, heißt es.
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