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Coronavirus-Impfstoffe

mRNA als neues Impfstoffprinzip

Zum Jahreswechsel 2020/2021 wurde kaum etwas so sehnlich erwartet wie die ersten Impfstoffe gegen das Coronavirus SARS-CoV-2. Die am weitesten entwickelten »Coronavirus-Impfstoffe« basieren auf mRNA und gehören damit zu einem völlig neuen Impfstofftyp. Die aktuelle Datenlage zeigt, dass die neuen mRNA-basierten Vakzinen sehr gut wirksam und ähnlich verträglich sind wie andere Impfstoffe.
Thomas Winckler
07.02.2021  08:00 Uhr

Seit jeher besteht das Wirkprinzip von Impfstoffen darin, dass man einer Person harmlose antigene Proteine eines humanpathogenen Erregers injiziert und mit einer entsprechenden Immunreaktion eine Immunität gegen den Wilderreger induziert. Für die Herstellung traditioneller Impfstoffe muss in der Regel ein pathogener Erreger im industriellen Maßstab gezüchtet werden, um ihn als lebend-attenuierten Impfstoff oder nach Inaktivierung und Reinigung von antigenen Proteinen als Totimpfstoff einzusetzen. Diese Herstellverfahren erfordern Produktionsstätten mit hohen Sicherheitsstandards und komplexe zellbasierte Produktionsverfahren, die weltweit nur an wenigen Standorten etabliert sind.

In einer Pandemie-Situation werden große Impfstoffmengen in kurzer Zeit benötigt. Dies lässt die konventionelle Herstellung von Impfstoffen gegen neu auftretende Erreger schnell zu einer nicht beherrschbaren Herausforderung werden.

In den letzten Jahren wurde intensiv an einem neuen Impfstofftyp geforscht, der ohne die Anzüchtung pathogener Organismen auskommt und die Herstellung der Impfproteine direkt in die geimpfte Person verlagert. Das bedeutet, dass man als Impfstoff lediglich die genetische Information eines bestimmten antigenen Proteins injiziert – in Form von mRNA. Nach der Impfung sollen Zellen am Injektionsort die genetische Information aufnehmen und in vivo translatieren.

Komplett zellfrei hergestellt

Ende 2019 wurden die ersten Fälle von Covid-19 in China berichtet. Nachdem die ersten Genomsequenzen des Erregers SARS-CoV-2 über wissenschaftliche DNA-Sequenz-Datenbanken zugänglich wurden, konnte die weltweite Suche nach wirksamen Impfstoffen direkt beginnen.

Die DNA mit der genetischen Information relevanter antigener Determinanten von SARS-CoV-2 (Spike-Protein, Abbildung 1) kann man komplett synthetisch herstellen. Man muss sie lediglich in ein Plasmid einsetzen, das die Grundlage der mRNA-Produktion durch eine sogenannte In-vitro-Transkription bildet (Abbildung 2).

Die synthetisch hergestellte mRNA muss nach der In-vitro-Transkription wie eine normale zelluläre mRNA aufgebaut sein. Das bedeutet: Neben der für das Impfantigen codierenden Region muss das 5′-Ende der mRNA eine »5′-Kappe« enthalten und das 3′-Ende muss polyadenyliert vorliegen. Auch müssen die mRNA-Moleküle geeignete sogenannte 5′-nichttranslatierte und 3′-nichttranslatierte Regionen aufweisen. Auch der proteincodierende Teil der mRNA muss optimiert werden und zwar hinsichtlich der Nutzung synonymer Codons, die eine möglichst effiziente Translation unterstützen. Alle Elemente einer mRNA tragen zur Stabilität und Translationseffizienz in der Zelle bei und bestimmen damit auch die Menge des gebildeten Impfantigens (1).

Der optimale Aufbau einer mRNA bezüglich der um die proteincodierende Region herum erforderlichen Sequenzen muss bei der Impfstoffentwicklung empirisch ermittelt werden. Der Vorteil ist dann aber, dass damit eine Art »Plattform« zur Impfstoffherstellung entwickelt wird, die es erlaubt, die Produktion von Impfstoffen sehr schnell an neu auftretende Pathogene oder auch an Mutanten bereits zirkulierender Pathogene anzupassen. Dafür muss lediglich die Nukleotidsequenz der jeweils codierenden Region für das Impfantigen in dem bereits vorhandenen Plasmid verändert werden. Der mRNA-Impfstoff kann sofort mit der angepassten Sequenz neu produziert werden.

Nach der In-vitro-Transkription – also der Synthese der mRNA – wird die Plasmid-DNA vollständig abgebaut, sodass die mRNA keine Verunreinigungen mit DNA mehr enthält. Die mRNA wird dann noch chromatografisch aufgereinigt, vor allem um bei der In-vitro-Transkription entstandene zu kurze oder doppelsträngige RNA-Sequenzen zu beseitigen.

Eine mRNA ist prinzipiell chemisch weniger stabil als DNA und sehr leicht angreifbar durch die praktisch omnipräsenten RNasen. Daher muss die mRNA für eine In-vivo-Anwendung geschützt werden, beispielsweise indem sie in Lipidnanopartikel verpackt wird. Dies erhöht gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit, dass sie in phagozytierende Zellen des angeborenen Immunsystems an der Injektionsstelle aufgenommen wird, und unterstützt die intrazelluläre Freisetzung der mRNA aus dem endolysosomalen Kompartiment in das Zytoplasma. Dies ist die Voraussetzung für die Translation des Impfantigens in der Zelle.

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