Wird der mRNA-Impfstoff in DNA umgeschrieben? |
Theo Dingermann |
03.03.2022 16:00 Uhr |
Für seine Untersuchungen zu der Frage, ob die in Impfstoffen enthaltene mRNA in DNA rückübersetzt werden kann, verwendete ein Team aus Lund eine Zelllinie mit ungewöhnlicher Chromosomenausstattung. / Foto: Fotolia/Hoppe
Am 25. Februar erschien im Journal »Current Issues in Molecular Biology«, einem Produkt des Open-Access-Verlags »MDPI«, eine Arbeit von Marcus Aldén und Kollegen vom Department of Clinical Sciences der Universität Lund in Schweden, die derzeit heftige Diskussionen und Spekulationen auslöst. In der Studie inkubierten die Forscher jeweils etwa 200.000 Zellen der Leberzelllinie Huh7 mit 0,15 µg, 0,3 µg beziehungsweise 0,6 µg des Biontech/Pfizer-Impfstoffs Comirnaty® (BNT162b2). Diese Zelllinie ist von Hepatom-Zellen, also den Zellen eines Lebertumors eines 57-jährigen Japaners abgeleitet. Wie alle Zelllinien teilen sich auch die Huh7-Zellen permanent und unkontrolliert.
Aus den Zellen konnten die Forscher hohe BNT162b2-Konzentrationen durch quantitative PCR nachweisen, was zeigt, dass die mRNA in dem Impfstoff gut von den Huh7-Zellen aufgenommen wurde. Die Wissenschaftler überprüften ihre Hypothese, dass die Impf-RNA in einer humanen Zelle auch in DNA überschrieben werden könnte, durch den Nachweis von DNA-Fragmenten mit der BNT162b2-Sequenz. Tatsächlich ließen sich innerhalb von sechs Stunden nach Behandlung der Zellen mit dem Impfstoff solche DNA-Sequenzen nachweisen.
Dies bedeutet, dass die mRNA gegen den normalen Informationsfluss (von DNA über RNA zu Protein) in DNA rückübersetzt wurde. Hierfür wird das Enzym Reverse Transkriptase benötigt, das durch Retroviren wie HIV bekannt geworden ist. Das Enzym ist eine RNA-abhängige DNA-Polymerase, die im Lebenszyklus der Retroviren eine entscheidende Rolle spielt. Sie sorgt dafür, dass sich ein retrovirales Genom permanent in das Erbgut der infizierten Zelle einnisten kann.
Auch nicht infizierte humane Zellen besitzen unter bestimmten Bedingungen eine solche enzymatische Aktivität. Sie stammt von sogenannten Retroelementen, die im Laufe der Evolution in die stetig größer werdenden humanen Genome integriert wurden. Das bedeutendste Retroelement in menschlichen Zellen ist LINE1 (L1).
L1-Elemente machen etwa 17 Prozent des menschlichen Genoms aus. Die meisten dieser Elemente sind inaktiv. Allerdings besitzen etwa 80 bis 100 L1-Elemente unter bestimmten Bedingungen die Fähigkeit, in RNA transkribiert zu werden, wobei auch Reverse Transkriptase gebildet wird.
Normalerweise verhalten sich diese Elemente ruhig, da sie eine gewisse Gefahr darstellen. Denn mithilfe der von den L1-Elementen codierten Reversen Transkriptase kann theoretisch in Zellen vorliegende RNA in DNA-Kopien umgeschrieben werden, die dann nach einem »copy & paste«-Mechanismus irgendwo ins Genom integriert werden könnten. Unter bestimmten Bedingungen werden L1-Elemente aktiv, beispielsweise in Tumorzellen oder in frühen Embryonalphasen. Da die Untersuchungen der schwedischen Gruppe an der Tumorzellline Huh7 durchgeführt wurde, war es plausibel, dass auch diese Zellen eine von L1 abgeleitete Reverse Transkriptase exprimieren.
Die Wissenschaftler suchten danach und fanden tatsächlich diese Aktivität. Zudem wiesen sie Veränderungen in der Genexpression von LINE1 nach, nachdem die Zellen BNT162b2 aufgenommen hatten.
Das Team konnte dann immunhistochemisch mithilfe von Antikörpern, die das Protein ORFp1 des L1-Elements binden, zeigen, dass die Verteilung von LINE1 in Zellen, die mit Comirnaty behandelt wurden, erhöht ist. Schließlich gelang es den Wissenschaftlern, auch einen ganz bestimmten Teil der für das Spike-Protein codierenden Sequenz als DNA durch PCR zu amplifizieren, woraus sie schließen, dass DNA-Kopien der BNT162b2 in der Zelle vorhanden sind.
Zusammenfassend resümieren die Wissenschaftler, dass sie in dieser Publikation zeigen, dass BNT162b2 in vitro schnell in die menschliche Leberzelllinie Huh7 aufgenommen wird. Daraufhin scheint es zu Veränderungen der LINE1-Expression und -Verteilung zu kommen. Zudem wird in den Zellen eine nicht genomische DNA gebildet, die als Produkt einer reversen Transkription von der Impf-mRNA stammt. Diese DNA lässt sich innerhalb von sechs Stunden nach der BNT162b2-Exposition nachweisen.