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Peptidische Arzneistoffe

Hoch wirksam, aber empfindlich

Peptide sind eine besondere und anspruchsvolle Arzneistoffklasse. Ursprünglich basierten Peptidarzneistoffe auf endogenen Hormonen oder auf Peptiden aus natürlichen Quellen. Neuere Entwicklungen umfassen zyklische Moleküle und Peptidvakzine mit neuen Indikationsgebieten.
Nico Kibria
Christina Lamers
12.02.2023  08:00 Uhr

Die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA definiert Peptide als Polymere aus 40 oder weniger α-Aminosäuren, unabhängig von der Herstellung per Synthese oder durch rekombinante Expression (1).

Ein bedeutender Meilenstein der Medizingeschichte und für Peptide als Therapeutika war die Isolierung des Peptidhormons Insulin im Jahr 1921 aus der Bauchspeicheldrüse von Hunden durch Frederick Banting und Charles Best. Wenige Monate später verabreichten die beiden Forscher das Insulin erstmals einem an Typ-1-Diabetes erkrankten Jungen. Eine bis dato innerhalb von einem bis zwei Jahren tödlich verlaufende Krankheit wandelte sich durch die Insulintherapie in eine chronische Erkrankung (2).

Die ersten Peptidtherapeutika leiteten sich wie das Insulin von körpereigenen Peptidhormonen, zum Beispiel Oxytocin, ab oder wurden aus Naturstoffen isoliert wie das Ciclosporin.

Die Peptid-Festphasensynthese (SPPS) durch Merrifield 1963 war ein weiterer wichtiger Meilenstein, um die Peptidsynthese zu automatisieren und diesen Molekülen den Weg als Therapeutika zu ebnen (Abbildung 1). Jahrzehnte nach Insulin wurden die ersten synthetisch hergestellten Peptidarzneimittel zugelassen (1980 und 1978: Oxytocin und Desmopressin).

Erst in den 1980er-Jahren wurde durch die Fortschritte in der Biotechnologie der nächste entscheidende Schritt erreicht, der die rekombinante Herstellung von Peptiden ermöglichte. Seitdem werden diese entweder rekombinant oder synthetisch hergestellt. Jedoch brachte erst die Zulassung des HIV-Fusionsinhibitors Enfuvirtid 2003 den entscheidenden Nachweis, dass Peptide synthetisch in großem Maßstab industriell und ökonomisch sinnvoll produzierbar sind.

Seitdem und gerade in den letzten Jahren wächst der Peptidmarkt stark – dies wird sich fortsetzen. Fortschritte in der Identifizierung, Herstellung, Aufreinigung und Optimierung ebnen diesen Arzneistoffen weiter den Weg. Ihr Potenzial, das in einer hohen Bindungsaffinität und Spezifität liegt, wird in neuen Anwendungsgebieten voll ausgeschöpft.

Zurzeit sind 80 Peptide als Arzneimittel zugelassen. Mehr als 150 befinden sich in der klinischen Entwicklung, davon 60 in PhaseII oder III. Weitere 600 Peptide sind in der präklinischen Entwicklung (3).

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