Große Indikationen für die RNA-Interferenz |
RNAi-Therapeutika unterdrücken die Synthese von bestimmten Genprodukten, ohne Gentherapeutika zu sein. Das ist wichtig zu betonen, da der Begriff »Gentherapie« bei vielen Menschen auch angstbesetzt ist. / Foto: Getty Images/Tumeggy/Science Photo Library
Obwohl mittlerweile bereits vier RNAi-Therapeutika in Deutschland im Handel sind, mutet diese Therapieform nach wie vor futuristisch an: Das Einbringen von kurzen RNA-Abschnitten (small interfering RNA, siRNA) in Zellen führt dazu, dass Boten-RNA (mRNA), die komplementär zu diesen ist, abgebaut wird. Da die mRNA bekanntlich die genetische Information für bestimmte Proteine vom Zellkern zu den Ribosomen bringt, wo dann die Proteinbiosynthese stattfindet, führt das Abfangen der mRNA durch die siRNA dazu, dass die entsprechenden Proteine nicht mehr hergestellt werden. Das betroffene Gen ist somit de facto stillgelegt, ohne dass ein Eingriff ins Genom stattgefunden hätte.
RNA in Zellen einzubringen, ist allerdings kein leichtes Unterfangen. Es gelingt, wenn die RNA – wie etwa im Fall der mRNA-Impfstoffe Comirnaty® oder Spikevax® gegen Covid-19 – in bestimmte Lipid-Nanopartikel verpackt ist. Speziell für das Entern von Leberzellen können auch drei N-Acetylgalactosamin-Zuckereinheiten (triantennäres GalNAc) an die RNA gekoppelt werden. Der GalNAc-Rest bindet selektiv an einen bestimmten Rezeptor auf Hepatozyten (ASGPR), woraufhin das Molekül in die Zellen aufgenommen wird.
Patisiran (Onpattro®) war 2018 das erste RNAi-Therapeutikum auf dem deutschen Markt, ein Orphan Drug, das zur Behandlung von Patienten mit hereditärer Transthyretin-vermittelter Amyloidose (hATTR) angewendet wird. 2020 folgte Givosiran (Givlaari®) bei akuter hepatischer Porphyrie (AHP) und 2021 Lumasiran (Oxlumo®) bei primärer Hyperoxalurie Typ 1 (PH1), beides ebenfalls seltene Indikationen. Zuletzt kam mit Inclisiran (Leqvio®) das erste RNAi-Therapeutikum in einer breiten Indikation hinzu: Hypercholesterolämie.
Alnylam hat alle diese Wirkstoffe (mit)entwickelt und ist auch bei fast allen Zulassungsinhaber, nur bei Inclisiran ist dies der Partner Novartis. Bei einer Fortbildungsveranstaltung von Alnylam für medizinische Fachkreise wurde kürzlich deutlich, dass weitere RNAi-Therapeutika auch für große Indikationen in der Pipeline sind.
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