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ARZNEISTOFFE

Patisiran|Onpattro®|66|2018

STOFFGRUPPE
66 Neuropathiepräparate und andere neurotrope Mittel
WIRKSTOFF
Patisiran
FERTIGARZNEIMITTEL
Onpattro®
HERSTELLER

Alnylam Pharmaceuticals

MARKTEINFÜHRUNG (D)
10/2018
DARREICHUNGSFORM

2 mg pro ml Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung

ATC-CODE
N07XX12
ORPHAN DRUG
Ja

Indikationen

Onpattro ist zugelassen zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit hereditärer Transthyretin-vermittelter Amyloidose (hATTR) mit Polyneuropathie der Stadien 1 oder 2.

Wirkmechanismus

Patisiran ist das erste sogenannte RNAi-Therapeutikum auf dem deutschen Markt. RNA-Interferenz (RNAi) ist ein natürlicher zellulärer Prozess, der die gezielte Stilllegung von Genen erlaubt. Die Entdeckung der RNAi wurde im Jahr 2006 mit dem Nobelpreis für Physiologie oder Medizin ausgezeichnet. Kurze RNA-Stücke, sogenannte small interfering RNA (siRNA), führen im Organismus dazu, dass komplementäre mRNA selektiv abgebaut wird. Somit steht diese mRNA nicht mehr für die Proteintranslation zur Verfügung, und die Menge des von ihr kodierten Proteins in der Zelle nimmt ab.

 

Zentraler Bestandteil des RNAi-Signalwegs ist ein Protein-Komplex, der als RISC (RNA-Induced Silencing Complex) bezeichnet wird. Nachdem doppelsträngige RNA ins Zellinnere gelangt ist, dissoziiert diese in Einzelstrang-siRNA, die an RISC binden kann. Erkennt dieser Verbund aus siRNA und RISC nun mRNA, die komplementäre Abschnitte zur siRNA besitzt, kommt es zum RISC-vermittelten Abbau der mRNA. Damit doppelsträngige RNA in die Zelle aufgenommen werden kann, ist eine spezielle Technologie erforderlich. Bei Patisiran stellen Lipid-Nanopartikel die Transportvehikel dar, die die siRNA ins hepatozelluläre Zytoplasma einschleusen.

Anwendungsweise und -hinweise

Die empfohlene Dosis beträgt 300 µg Patisiran pro kg Körpergewicht. Sie wird alle drei Wochen intravenös verabreicht.

 

Alle Patienten sollten mindestens 60 Minuten vor der Infusion eine Prämedikation bestehend aus oralem Paracetamol sowie einem intravenösen Corticoid, einem H1- und einem H2-Blocker erhalten, um das Risiko für infusionsbedingte Reaktionen zu senken.

 

Sie sollten außerdem eine Ergänzung von Vitamin A in einer Dosis von etwa 2500 I.E. pro Tag erhalten, da die Behandlung durch Reduktion des TTR-Proteins im Serum zur Verringerung des Vitamin-A-Spiegels führt.

Wichtige Wechselwirkungen

Man geht nicht davon aus, dass Patisiran durch Inhibitoren oder Induktoren von CYP-Enzymen beeinträchtigt wird oder seinerseits auf diesem Wege Wechselwirkungen verursacht. Eine Ausnahme stellt die induktions- und zeitabhängige Inhibition von CYP2B6 in vitro dar. Der Einfluss auf CYP2B6-Substrate in vivo ist nicht bekannt.

Nebenwirkungen

Die häufigsten Nebenwirkungen, die bei mit Patisiran behandelten Patienten gemeldet wurden, sind periphere Ödeme und infusionsbedingte Reaktionen.

Kontraindikationen und Vorsichtsmaßnahmen

Bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Inhaltsstoffe ist das Arzneimittel kontraindiziert.

Studien

Die Zulassung von Patisiran basiert auf den Ergebnissen der randomisierten, doppelblinden Phase-III-Studie APOLLO, an der 225 Patienten teilnahmen: Über 18 Monate erhielten 77 Patienten alle drei Wochen Placebo und 148 Patienten Patisiran. Beim primären Endpunkt – dem modifizierten Neuropathie-Beeinträchtigungs-Score +7 (mNIS+7) – zeigte sich eine signifikante Verbesserung unter Patisiran im Vergleich zu Placebo. Während der Symptom-Score unter Patisiran abnahm (-6,0 ± 1,7 Punkte) kam es unter Placebo zu einer deutlichen Verschlechterung um 28,0 ± 2,6 Punkte. Auch bei den sekundären Endpunkten wurden unter Patisiran signifikante und klinisch bedeutsame Verbesserungen im Vergleich zu Placebo erreicht.

Hintergrundinfos

Die hereditäre Transthyretin-(TTR)-vermittelte Amyloidose (hATTR) ist eine erbliche, autosomal-dominante Erkrankung, die durch eine Mutation im TTR-Gen ausgelöst wird. Das Protein TTR wird vorrangig in der Leber produziert und fungiert unter anderem als Träger von Vitamin A. Durch die Mutation im TTR-Gen kumulieren abnormale Amyloid-Proteine und zerstören körpereigene Organe und Gewebe, wie die peripheren Nerven und das Herz. Dies führt zu starker peripherer sensorischer Neuropathie, autonomer Neuropathie und/oder Kardiomyopathie.

 

Weltweit sind etwa 50.000 Menschen von dieser Krankheit betroffen. Die Erkrankung nimmt einen progressiven Verlauf und kann zu Morbidität und Behinderung sowie potenziell innerhalb von 2 bis 15 Jahren zum Tod führen. Oft wird hATTR nicht ausreichend oder falsch diagnostiziert. Als therapeutische Option gab es bisher unter anderem den TTR-Stabilisator Tafamidis (Vyndaqel®). Viele Patienten stehen zudem auf der Warteliste für eine Lebertransplantation.

Besonderheiten

Onpattro ist im Kühlschrank bei 2 bis 8 °Celsius zu lagern.

Onpattro ist verschreibungspflichtig.

Weitere Hinweise

Aufgrund eines potenziellen teratogenen Risikos durch einen unausgeglichenen Vitamin-A-Spiegel darf Onpattro während der Schwangerschaft nicht angewendet werden, es sei denn, eine Behandlung ist aufgrund des klinischen Zustandes der Frau erforderlich. Aus demselben Grund muss eine Schwangerschaft vor Beginn der Therapie bei Frauen im gebärfähigen Alter ausgeschlossen werden. Zudem müssen die Frauen eine zuverlässige Methode zur Empfängnisverhütung anwenden.

 

In der Stillzeit ist eine Entscheidung zu treffen, ob das Stillen zu unterbrechen ist oder ob auf die Behandlung mit Onpattro verzichtet werden soll beziehungsweise die Behandlung mit dem Arzneimittel zu unterbrechen ist.

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Letzte Aktualisierung: 08.02.2019