Givosiran|Givlaari®|48|2020 |
Alnylam
189 mg/ml Injektionslösung
Givlaari ist zugelassen zur Behandlung der akuten hepatischen Porphyrie (AHP) bei Patienten ab zwölf Jahren.
Givosiran ist eine doppelsträngige kleine interferierende Ribonukleinsäure (small interfering Ribonucleic Acid, siRNA), die den Abbau von Aminolävulinsäure-Synthase-1 (ALAS1)-Boten-Ribonukleinsäure (mRNA) in den Leberzellen durch RNA-Interferenz bewirkt. Dies führt zu geringeren Blutspiegeln der neurotoxischen Zwischenprodukte Aminolävulinsäure (ALA) und Porphobilinogen, den wichtigsten kausalen Faktoren für Attacken und andere Erkrankungsmanifestationen der AHP.
Die empfohlene Dosis beträgt 2,5 mg Givosiran pro kg Körpergewicht einmal monatlich als subkutane Injektion.
Während der Behandlung sollte auf Anzeichen einer Anaphylaxie geachtet werden. Tritt eine solche auf, muss die Behandlung sofort abgebrochen und müssen Gegenmaßnahmen eingeleitet werden.
Unter der Behandlung mit Givosiran wurden erhöhte Transaminase-Werte beobachtet. Vor Beginn der Therapie sollten daher Leberfunktionstests durchgeführt werden. Die Tests sollten außerdem während der ersten sechs Behandlungsmonate monatlich erfolgen und danach je nach klinischer Indikation. Bei klinisch relevanten Transaminase-Erhöhungen sollte eine Therapie-Unterbrechung oder -Abbruch in Betracht gezogen werden. Bei einer anschließenden Normalisierung der Transaminase-Spiegel kann eine Wiederaufnahme der Behandlung mit einer Dosis von 1,25 mg pro kg Körpergewicht erwogen werden. Zur niedrigeren Dosierung liegen jedoch nur begrenzte Daten zu Wirksamkeit und Sicherheit vor.
Des Weiteren wurde während der Behandlung über erhöhte Serumkreatinin- und verringerte eGFR-Werte berichtet. Ein Fortschreiten der Nierenfunktionsstörung wurde bei einigen Patienten mit bereits bestehender Nierenerkrankung festgestellt. In diesen Fällen ist eine sorgfältige Kontrolle der Nierenfunktion während der Behandlung erforderlich.
Die Behandlung mit Givosiran führte zu einer leicht bis mäßig reduzierten Aktivität bestimmter Cytochrom-P-450-Enzyme. In der Folge erhöhte sich die Plasmaexposition von Coffein (CYP1A2), Dextromethorphan (CYP2D6), Omeprazol (CYP2C19) und Midazolam (CYP3A4). Während der Anwendung von Givlaari ist deshalb Vorsicht geboten, wenn gleichzeitig Substrate von CYP1A2 oder CYP2D6 angewendet werden, da sich deren therapeutische Wirkung erhöhen oder verlängern oder sich das Nebenwirkungsprofil verändern kann. Eine Dosisreduktion dieser Wirkstoffe sollte in Erwägung gezogen werden.
In Studien zu Givlaari traten bei 89,6 Prozent in der Givosiran-Gruppe und bei 80,4 Prozent in der Placebogruppe unerwünschte Wirkungen auf. Häufigste Nebenwirkungen waren Reaktionen an der Injektionsstelle, Übelkeit sowie Abgeschlagenheit. Zu weiteren unerwünschten Reaktionen in der Verumgruppe zählten erhöhte Transaminasenwerte, Hautausschlag und eine reduzierte glomeruläre Filtrationsrate.
Bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Inhaltsstoffe ist das Arzneimittel kontraindiziert.
Die Zulassung von Givlaari basiert auf den Daten der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Studie ENVISION mit 94 AHP-Patienten. Der primäre Endpunkt war die Verringerung der zusammengefassten annualisierten Rate an Porphyrie-Attacken im Vergleich zu Placebo. Definiert wurden diese als Attacken, die einen Krankenhausaufenthalt, einen dringenden Arztbesuch oder eine intravenöse Hämin-Gabe zu Hause erforderten.
Die Patienten wurden im Verhältnis 1:1 entweder in die Givosiran- oder die Placebogruppe randomisiert. Givosiran wurde monatlich in einer Dosis von 2,5 mg pro kg Körpergewicht subkutan verabreicht. Unter Givlaari reduzierte sich das Risiko für den primären Endpunkt signifikant auf 3,2 Prozent gegenüber 12,5 Prozent unter Placebo. 50 Prozent der Patienten blieben unter Givosiran während des Behandlungszeitraums von sechs Monaten anfallsfrei; in der Placebogruppe war dies bei 16,3 Prozent der Fall. Des Weiteren berichteten die Givosiran-Patienten von weniger Schmerzen und einem geringeren Hämin-Gebrauch.
Die akute hepatische Porphyrie (AHP) ist eine seltene, erbliche Stoffwechselerkrankung. Aufgrund eines genetischen Defekts mangelt es Betroffenen an einem der Enzyme, die für die Häm-Biosynthese verantwortlich sind. In der Folge akkumulieren Porphyrine, Zwischenprodukte der Häm-Synthese, was zu Attacken mit sehr schweren Bauchschmerzen, Erbrechen und epileptischen Krampfanfällen führen kann. Diese können lebensbedrohlich sein, da es während der Attacken zu Lähmungen und Atemstillstand kommen kann. Im Akutfall ist eine sofortige ärztliche Notfallbehandlung erforderlich. Zudem leiden viele Patienten zwischen den Schüben unter chronischen Symptomen wie Schmerzen. Belastend ist auch die ständige Angst, eine erneute Attacke zu erleiden.
Givlaari ist bei Temperaturen nicht über 25 °C sowie unter Lichtschutz (Umkarton) zu lagern.
Givlaari ist verschreibungspflichtig.
Europäischer öffentlicher Beurteilungsbericht (EPAR) (englisch):
https://www.ema.europa.eu/en/documents/overview/givlaari-epar-medicine-overview_en.pdf
Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels:
https://www.ema.europa.eu/en/documents/product-information/givlaari-epar-product-information_de.pdf
Wird eine Anwendung von Givosiran während der Schwangerschaft in Betracht gezogen, sollten der erwartete Nutzen für die Frau und die potenziellen Risiken für den Fötus berücksichtigt werden.
Es ist nicht bekannt, ob Givosiran bei stillenden Müttern in die Muttermilch übergeht. Ein Risiko für das Kind kann jedoch nicht ausgeschlossen werden. Es muss daher eine Entscheidung getroffen werden, ob das Stillen oder die Behandlung mit Givlaari unterbrochen beziehungsweise darauf verzichtet werden soll. Dabei sind der Nutzen des Stillens für das Kind sowie der der Therapie für die Frau zu berücksichtigen.
Sprunginnovation
Letzte Aktualisierung: 06.05.2020