Große Indikationen für die RNA-Interferenz |
Annette Rößler |
16.12.2021 09:30 Uhr |
Dr. Akshay Vaishnaw, Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Alnylam, nannte zunächst den Wirkstoffkandidaten Zilebesiran (ALN-AGT), der bei Bluthochdruck eingesetzt werden soll. Sein Target ist Angiotensinogen, das Vorläuferprotein des für die Blutdruckregulation wichtigen Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS). Vaishnaw zufolge ließ sich in einer Phase-I-Studie bereits mit einer einzigen Injektion von Zilebesiran eine starke und über 24 Wochen anhaltende Blutdrucksenkung erreichen. Ein Vorteil des RNAi-Therapeutikums gegenüber oral einzunehmenden Antihypertensiva könne etwa die konstante Wirkung auf den Blutdruck über den gesamten Tagesverlauf sein. So deuteten erste Daten darauf hin, dass der physiologisch wichtige nächtliche Abfall des Blutdrucks bei oralen Blutdrucksenkern geringer ausfallen könnte als bei Zilebesiran.
Ebenfalls eine große Indikation ist das metabolische Syndrom, das bekanntermaßen durch den westlichen Lebensstil mit zu viel hochkalorischer Nahrung und zu wenig Bewegung bedingt ist. Als besonders kritisch gilt ein hoher Fructosekonsum, denn dieser steigert Studien zufolge mehr als ein hoher Zuckerverzehr das Risiko für bauchbetontes Übergewicht, Dyslipidämie und Insulinresistenz – gleich drei Komponenten des metabolischen Syndroms. Der Grund dafür ist, dass Fructose schneller als Glucose zu Fett umgewandelt wird.
Nach Aufnahme in die Zelle wird Fructose zunächst von der Ketohexokinase (KHK) phosphoryliert. Funktioniert die KHK aufgrund einer Mutation nicht, kann Fructose nicht verdaut werden und wird mit dem Urin ausgeschieden. Vaishnaw informierte, dass Alnylam mit ALN-KHK ein RNAi-Therapeutikum entwickele, das die Ketohexokinase lahmlegt. Pfizer verfolge mit seinem Kandidaten für einen KHK-Inhibitor PF-06835919 ebenfalls dieses Ziel und habe damit in frühen klinischen Studien gute Erfolge bei Patienten mit nicht alkoholischer Fettleber (NAFLD) gesehen. Allerdings gab Pfizer im Sommer laut mehreren Nachrichtenagenturen bekannt, die weitere Entwicklung von PF-06835919 eingestellt zu haben.
Möglicherweise bietet ein anderes Protein beziehungsweise Gen einen noch besseren Ansatzpunkt beim metabolischen Syndrom, das Vaishnaw als »Gen X« bezeichnete. Dieses Leberprotein habe man in genomweiten Assoziazionsstudien mit dem metabolischen Syndrom in Verbindung gebracht und bereits einen Kandidaten dagegen in der frühen Entwicklung. Den geplanten Start erster klinischer Studien kündigte der Referent allerdings erst für 2024 an.
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