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Antipsychotika im Alter

Es kommt auf die Indikation an

Antipsychotika sind auch für ältere Menschen wichtige Arzneistoffe. Allerdings können sie belastende Nebenwirkungen auslösen und das Sterberisiko erhöhen, vor allem bei an Demenz erkrankten Menschen. Dagegen senken sie die Mortalität bei Menschen mit Schizophrenie und Wahn sowie bei Delirpatienten.
Martina Hahn
Sibylle C. Roll
21.11.2021  08:00 Uhr

Antipsychotika (AP) werden – anders als der Name vermuten lässt – bei weitaus mehr Indikationen eingesetzt als einer Psychose. Gerade bei älteren Menschen werden sie häufig verordnet, um beispielsweise Schlafstörungen oder Unruhezustände zu behandeln. Aber auch bei Delir, Demenz, affektiven oder organisch wahnhaften Erkrankungen kommen sie zum Einsatz. Dabei werden antidopaminerge, dopaminmodulierende, antihistaminerge oder antiadrenerge Eigenschaften dieser inhomogenen Wirkstoffklasse genutzt.

Da der Einsatz von Psychopharmaka bei älteren Menschen mit Risiken assoziiert sein kann, sind sie in der Priscus- und der FORTA-Liste zu finden (Tabelle 1). Ob Risiko oder Nutzen überwiegen, hängt von Indikation und patientenindividuellen Faktoren ab. Nicht für jede Indikation stehen Alternativen zur Verfügung. Dieser Artikel beleuchtet die Indikationsgebiete Schizophrenie, organisch wahnhafte Störung, Demenz sowie Delir und zeigt, falls vorhanden, auch Alternativen auf.

Antipsychotikum Priscus Liste: Bedenken Priscus Liste: Therapiealternativen
Thioridazin, Fluphenazin, Levomepromazin, Perphenazin, Haloperidol (ab 2 mg Tagesdosis) anticholinerge und extrapyramidal-motorische Nebenwirkungen,
erhöhtes Risiko für Parkinsonismus, Sedation, Hypotonie, Sturzneigung,
erhöhte Sterblichkeit bei Patienten mit Demenz
AP der 2. und 3. Generation mit günstigerem Nutzen-Risiko-Profil.
Bei Unruhe eventuell Melperon (cave: CYP2D6-Inhibitor) oder Pipamperon
Olanzapin (ab 10 mg Tagesdosis) anticholinerge Nebenwirkungen, weniger extrapyramidal-motorische Nebenwirkungen als klassische AP AP der 2. und 3. Generation mit günstigerem Nutzen-Risiko-Profil.
Bei Unruhe eventuell Melperon (cave: CYP2D6-Inhibitor) oder Pipamperon
Clozapin anticholinerge Nebenwirkungen, erhöhtes Risiko für Agranulozytose und Myokarditis AP der 2. und 3. Generation mit günstigerem Nutzen-Risiko-Profil.
Bei Unruhe eventuell Melperon (cave: CYP2D6-Inhibitor) oder Pipamperon
Tabelle 1: Auszug aus der Priscus-Liste für Antipsychotika (AP); Stand 2010

Beim Einsatz von Antipsychotika bei älteren und alten Menschen sind – unabhängig von der Indikation – einige Regeln zu beachten:

  • niedrigere Start- und Erhaltungsdosis (es besteht erhöhte Sensitivität gegenüber zentralgängigen Medikamenten, verlängerte Halbwertszeit, erhöhte Sensitivität für adrenolytische, antihistaminerge, anticholinerge und antidopaminerge Wirkungen),
  • möglichst kein Wirkstoff mit anticholinergem Beiprofil (Delir-Risiko erhöht),
  • möglichst kein Wirkstoff der ersten Generation (erhöhtes Risiko für extrapyramidal-motorische Störungen (EPS) und dadurch erhöhtes Sturzrisiko),
  • Interaktionscheck ausführen, vor allem bei Polypharmazie (QTc-Verlängerung, Blutbild, Blutdruck, metabolische Effekte, pharmakokinetische Interaktionen),
  • Kontraindikationen prüfen, denn vor allem kardiovaskuläre Komorbiditäten nehmen mit dem Alter zu.

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