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Verursacher der Sommerwelle

Die Omikron-Varianten BA.4/BA.5 im Überblick

Die Omikron-Untervariante BA.5 ist inzwischen in Deutschland vorherrschend und lässt die Fallzahlen und auch die Hospitalisierungen wieder ansteigen. Wie sind die neuen Linien BA.4 und BA.5 einzuschätzen?
Theo Dingermann
Christina Hohmann-Jeddi
02.07.2022  11:00 Uhr

Seit einiger Zeit ist die Omikron-Untervariante BA.5 die dominierende Virusform in Deutschland. Laut Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) liegt ihr Anteil – einer Stichprobe von vorletzter Woche zufolge – mittlerweile bei knapp 66 Prozent der Coronainfektionen. Dem RKI-Wochenbericht von Donnerstagabend zufolge ist auch der Anteil der Subvariante BA.4 weiter angestiegen, wenn auch weniger stark als in den vorigen Wochen. Inzwischen liegt der Anteil bei etwa 7 Prozent.

Bei der bundesweiten Sieben-Tage-Inzidenz ist auch ein klarer Anstieg in der letzten Woche deutlich geworden: Sie stieg um 38 Prozent. Zudem gab es bei der Zahl der Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen und der Zahl auf Intensivstationen behandelter Menschen mit Covid-19 dem Bericht nach in der vergangenen Woche ein deutliches Plus. Anders als in den Vorjahren gibt es in diesem Jahr eine Corona-Sommerwelle – verursacht durch BA.4/BA.5.

Wie sind BA.4 und BA.5 entstanden?

Bei BA.4 und BA.5 handelt es sich um Sublinien der Omikron-Variante (B.1.1.529), die im November 2021 unabhängig von der damals dominierenden Delta-Variante entstanden ist. Im Vergleich zum Ursprungsvirus (Wuhan-Variante) besitzt sie eine ungewöhnlich hohe Zahl von rund 30 Aminosäureänderungen im Spike-Protein sowie einige Mutationen mit bislang ungeklärter Bedeutung. Die zunächst bekannte Omikron-Form BA.1 wurde von BA.2 abgelöst und diese wird aktuell von BA.5 verdrängt.

Der antigene Abstand von BA.1 zu BA.2 ist viel größer als der Abstand von BA.1 zu Delta oder Beta oder Gamma. BA.4/BA.5 haben sich ausgehend von BA.2 entwickelt.  Die BA.4-Sublinie wurde erstmals bei einer am 10. Januar 2022 in Limpopo, Südafrika, entnommenen Probe nachgewiesen. BA.5 wurde ebenfalls erstmals in Südafrika in einer Probe gefunden, die am 25. Februar 2022 in KwaZulu-Natal genommenen wurde.

Welche strukturellen Besonderheiten enthalten BA.4/BA.5?

BA.4 und BA.5 besitzen identische Spike-Proteine (S-Proteine). Sie haben die meisten Mutationen mit BA.2 gemeinsam, aber zusätzlich noch die Deletion Δ69-70 und die Mutationen F486V und L452R. Zudem fehlt beiden Varianten die für BA.2 typische Q493R-Mutation. Von der L452R-Mutation, die auch in der Delta-Variante vorhanden ist, wird vermutet, dass sie es dem Virus ermöglicht, besser an menschliche Zellen zu binden, also infektiöser zu sein.

Außerdem enthalten beide Subtypen die F486V-Mutation in der Nähe der Stelle, an der ihr S-Protein an menschliche Zellen bindet. Diese könnte zum Immunescape von BA.4/BA.5 beitragen. Im Gegensatz zu BA.2 enthalten die meisten BA.4- und BA.5-Sequenzen auch die Δ69-70-Deletion, die das Ergebnis bestimmter Routine-PCR-Tests beeinträchtigt und zu einem Phänomen führt, das als S-Gene-Dropout bezeichnet wird. Dies bietet eine schnelle, wenn auch nicht schlüssige Möglichkeit, diese Untervarianten in Regionen zu identifizieren, in denen auch BA.2 noch zirkuliert.

Die Omikron-Untervarianten BA.4/BA.5 gelten nach bisherigen Erkenntnissen als ansteckender als die anderen Omikron-Vertreter einschließlich BA.1, BA.1.1, BA.2 und BA.2.12.1.

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