Die Omikron-Varianten BA.4/BA.5 im Überblick |
Wie virulent oder pathogen BA.4/BA.5 sind und in welchem Ausmaß sie schwerere Krankheitsverläufe auslösen, kann bisher nur unbefriedigend beantwortet werden. Dazu gibt es bisher nur eine tierexperimentelle Studie, in der gezeigt wurde, dass BA.4 und BA.5 im Modell des syrischen Hamsters einen schwereren Krankheitsverlauf auslösen und sich in Lungenzellkulturen effizienter verbreiten als BA.2. Zudem scheinen die neuen Subvarianten auch fusogener zu sein, also stärker zu einer Verschmelzung von infizierten Wirtszellen zu führen, als die älteren Omikron-Formen.
Tatsächlich mehren sich die Befürchtungen von Wissenschaftlern, dass BA.5-Untervarianten den deutlich pathogeneren Alpha- und Delta-Varianten mehr ähneln könnte als BA.1 oder BA.2. Die neueren Omikron-Sublinien BA.4, BA.5 und BA.2.12.1 haben sich möglicherweise dahingehend entwickelt, Lungenzellen, anstatt Gewebe der oberen Atemwege zu befallen.
Das lässt sich auch plausibel nachvollziehen, denn BA.5 besitzt an den Schlüsselstellen des Spike-Proteins Mutationen, die es dem Virus ermöglichen, wieder leichter in die Lungenzellen einzudringen und sie zu infizieren. BA.2 dagegen konnte besser in die Schleimhäute der oberen Atemwege eindringen.
Die Tatsache, dass bisher die Zahlen der Krankenhauseinweisungen und Todesfälle nicht so stark ansteigen, wie man das erwarten sollte, kann nicht beruhigen. Grund dafür scheint die starke Ausprägung der BA.1-Welle zu sein, die zumindest für eine gewisse Grundimmunität über alle Omikron-Varianten (BA.1 bis BA.5) gesorgt hat.
In einigen Ländern wie Portugal und den USA nehmen aber auch die Covid-19-bedingten Todesfälle wieder zu. Im aktuellen RKI-Wochenbericht heißt es zu der Situation in Deutschland: »Ein Anstieg der Sterbefallzahl deutet sich mit Hinblick auf zu erwartende Nachmeldungen an.«
Die derzeit verfügbaren Impfstoffe schützen in erster Linie vor schweren Krankheitsverläufen mit dem Coronavirus – das gilt auch für Omikron-Varianten. Die Schutzwirkung ist aber aufgrund des Immunfluchtpotenzials der Omikron-Variante reduziert. Seit einiger Zeit wird bereits an Varianten-spezifischen Impfstoffen gearbeitet, zunächst gegen Beta, jetzt auch gegen Omikron.
Derzeit prüft die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) Kandidaten von Moderna und Biontech/Pfizer, die neben der RNA für das S-Protein des Wuhan-Stamms eine mRNA für das S-Protein der BA.1-Variante enthalten, und auch monovalente BA.1-Impfstoffe. Beide induzieren auch neutralisierende Antikörper gegen BA.5.
Ob ein Omikron-Booster, der an BA.1 angepasst ist, helfen wird, wenn diese Variante komplett verdrängt wurde, und ausschließlich BA.5 zirkuliert, ist fraglich und wird derzeit diskutiert. Und zweifelsohne wird es noch weitere problematische Varianten geben, sei es in der Omikron-Familie oder in einer ganz neuen Abstammungslinie.
Wie die Zusammensetzung der adaptierten Impfstoffe aussehen sollte, war auch Thema eines beratenden Ausschusses der US-Zulassungsbehörde FDA. Das Ergebnis: Die Experten sprachen sich für einen Omikron-Anteil in den adaptierten Coronaimpfstoffen aus – wenn möglich mit einer BA.4/BA.5-Komponente. Pfizer konnte zu dieser erste Daten aus einer Mausstudie präsentieren.
Moderna hat zudem einen Preprint auf dem Server »MedRxiv« zu ihrem BA.1-Omikron-Booster veröffentlicht. Demnach liegen die neutralisierenden Antikörperspiegel gegen Omikron für diesen Booster im Vergleich zum Originalimpfstoff deutlich höher. Zudem induzierte der Omikron-Booster auch eine potente neutralisierende Antikörperantwort gegen BA.4/BA.5 und höhere bindende Antikörpertiter gegen Alpha, Beta, Gamma und Delta.