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Coronavirus-Pandemie

Die Impfstoffe kommen

Vektorimpfstoffe: nicht mehr ganz neu

Statt die genetische Information für das S-Protein »nackt« verpackt in Lipid-Nanopartikeln zu verimpfen, ist sie bei Vektorimpfstoffen in das Genom von abgeschwächten DNA-Viren integriert, die als Transportvehikel in die menschlichen Zellen fungieren. Dort wird die Information für das Antigen abgelesen, das S-Protein gebildet und dem Immunsystem präsentiert. Momentan stehen folgende virale Vektoren, die alle replikationsinkompetent sind, im Fokus: humane Adenoviren (AdV/zum Beispiel Janssen), ein Schimpansen-Adenovirus (ChAdOx/Universität Oxford mit Astra-Zeneca) und ein modifiziertes Vaccinia-Ankara-Virus (MVA/LMU München mit dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung).

Die Vorteile: Vektorimpfstoffe regen wie die mRNA-Vakzinen neben einer Antikörper-Antwort auch eine potente CD8+-T-Zellantwort an. Sie benötigen ebenfalls kein Adjuvans, in der Regel aber ein Prime-Boost-Schema. Gegenüber den mRNA-Impfstoffen haben sie den Vorteil, dass dieser Impfstofftypus nicht mehr ganz neu ist: Einige Vektorvakzinen gegen verschiedene Erreger sind bereits zugelassen.

Die Nachteile: Es ist gut belegt, dass durch eine bereits bestehende Immunität gegen das Vektorvirus eine erneute Immunisierung neutralisiert werden kann. Das liegt daran, dass nicht nur eine Immunantwort gegen das S-Protein von SARS-CoV-2 induziert wird. Es werden darüber hinaus auch Antikörper und T-Zellen gegen die Proteine produziert, die das Vektorgenom kodiert. So besteht die Gefahr, dass es bei einer weiteren Anwendung zu einem vorzeitigen Abbau des Impfstoffs oder zu überschießenden Immunreaktionen dagegen kommen kann.

Name Hersteller Impfstofftyp Impfschema Lagerung Start der Prüfung bei der EMA
BNT162b2 Biontech/Pfizer mRNA Tag 0, Tag 21 -70 bis -80 °C 6. Oktober
mRNA-1273 Moderna mRNA Tag 0, Tag 28 -20 °C 16. November
AZD1222 Astra-Zeneca/Universität Oxford Vektor Tag 0, Tag 28 2 bis 8 °C 1. Oktober
Ad26.COV2.S Janssen Vektor Tag 0 2 bis 8 °C 1. Dezember
Tabelle: Die vier im Zulassungsverfahren (Rolling Review) der EMA befindlichen Impfstoffkandidaten (Stand Dezember 2020)

Das bedeutet, dass man im Extremfall auf eine Vorimmunität testen müsste, um diese Impfstoffe effektiv und sicher einsetzen zu können. Und wahrscheinlich ist es auch so, dass jeder einzelne Vektortyp nur einmal pro Impfling angewendet werden kann. Wer also bereits einen Ad26-Vektor-Impfstoff erhalten hat, könnte in Zukunft nicht mit dem gleichen Vektor (mit anderer »Beladung«) gegen eine andere Erkrankung geimpft werden.

Dem tragen verschiedene Hersteller dieses Impfstofftyps Rechnung. So werden zum Beispiel für eine Impfung mit dem russischen Sputnik-V-Impfstoff zwei unterschiedliche Impfstofftypen für die Prime- und die Boost-Impfung eingesetzt, nämlich Ad26 gefolgt von Ad5. Das Unternehmen Janssen, die Pharmasparte von Johnson & Johnson, benötigt für seinen Impfstoffkandidaten Ad26.COV2.S nur eine Dosis und umgeht damit das Problem. Dagegen hat sich das Konsortium der Universität Oxford und Astra-Zeneca entschlossen, ihren Impfstoffkandidaten AZD1222 (mit einem Schimpansen-Adenovirus) sowohl bei der Prime- als auch bei der Boost-Impfung einzusetzen.

Die Wirksamkeit von Sputnik V liegt laut einer Zwischenauswertung bei mehr als 95 Prozent. Für AZD1222 wurden je nach Impfregime eine Wirksamkeit von 62 beziehungsweise 90 Prozent ermittelt. Auf den ersten Blick erstaunlich ist, dass die geringere Wirksamkeit von 62 Prozent bei einem Impfregime gemessen wurde, bei dem bei beiden Impfungen (Prime und Boost) die volle Dosis von 5 x 1010 Viruspartikeln appliziert wurde. Ein deutlich besseres Ergebnis erhielt man, wenn bei der Prime-Impfung die halbe Dosis verabreicht und dann bei der Boosterung die volle Dosis appliziert wurde. Hier bestätigt sich empirisch die Theorie, dass ein vorhandener Immunschutz vor dem Vektorvirus eine weitere Impfung mit dem gleichen Vektor ineffizient machen könnte, da das Immunsystem den Vektor attackiert. Die genauen Gründe für den Befund werden noch untersucht.

Als denkbarer Nachteil gilt auch eine zufällige Integration der Vektor-DNA in das Genom des Wirts. Dies könnte eine verstärkte Tumorbildung infolge einer Aktivierung von Onkogenen oder Deaktivierung von Tumorsuppressor-Genen induzieren oder es könnten Autoimmunkrankheiten entstehen. Diese These sieht der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, Professor Dr. Klaus Cichutek, allerdings als entkräftet an. Bei einem Pressebriefing des »Science Media Center Germany« am 27. April sagte er: »Wir haben bei den DNA-Impfstoffen lange Jahrzehnte damit verbracht, einem theoretischen Risiko nachzugehen, das sich dann am Tier und in klinischen Prüfungen eigentlich nie bewahrheitet hat.«

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