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Coronavirus-Pandemie

Die Impfstoffe kommen

Vier Covid-19-Impfstoff-Kandidaten warten zeitnah auf eine Zulassung in der EU. Andere werden sehr schnell folgen. Die Impfstoffe basieren auf unterschiedlichen Prinzipien. Was ist bisher zu den Vor- und Nachteilen bekannt? Welche Fragen sind noch offen? Eine Übersicht.
Theo Dingermann und Christina Hohmann-Jeddi
13.12.2020  08:00 Uhr

Protein-Impfstoffe: der konservative Ansatz

Ein deutlich konservativerer Ansatz sind Protein-Impfstoffe. Sie enthalten gentechnisch hergestelltes S-Protein, analog zum Hepatitis-B-Impfstoff, der Hepatitis-B-Oberflächenantigen enthält, oder zum HPV-Impfstoff, der als Antigen L1-Proteine verschiedener Typen des humanen Papillomavirus beinhaltet. Ein SARS-CoV-2-Impfstoff nach diesem Prinzip befindet sich bereits in Phase III der klinischen Entwicklung, nämlich der Kandidat des US-Unternehmens Novavax, der mit Matrix-M1 adjuvantiert ist. In Phase I/II befindet sich die Protein-Vakzine des Konsortiums Sanofi/Glaxo-Smith-Kline (GSK). Eine Phase-III-Studie soll noch in diesem Jahr beginnen.

Aktuell startet in Deutschland auch eine klinische Phase-I-Studie mit einem adjuvantierten Peptid-Impfstoff, der an der Universität Tübingen entwickelt wurde. Antigene sind bei ihm Bruchstücke (Peptide) von mehreren SARS-CoV-2-Proteinen, darunter das S- und das Nukleokapsid-Protein.

Die Vorteile: Das Prinzip der Protein-Impfstoffe ist bekannt. Dieser Impfstofftyp induziert sehr gut die Bildung neutralisierender Antikörper.

Die Nachteile: Die T-Zell-Antwort ist eher schwach. Daher muss diesem Impfstofftyp mit Sicherheit ein Adjuvans zugesetzt werden. Gegen diese gibt es seit der H1N1-Influenza-Pandemie (»Schweinegrippe«) im Jahr 2009/2010 gewisse Bedenken, da der mit AS03 adjuvantierte Pandemie-Impfstoff Pandemrix® zu einer relevanten Erhöhung des Risikos für die Autoimmunerkrankung Narkolepsie führte. Der genaue Pathomechanismus und ob das Adjuvanz beteiligt war, ist nicht vollständig aufgeklärt. Die Covid-19-Vakzine von Sanofi soll den Wirkverstärker AS03 von GSK enthalten, bestätigte GSK gegenüber der Pharmazeutischen Zeitung.

Warum so schnell?

Bisher dauerte die Entwicklung von Impfstoffen etwa 15 Jahre, bei Covid-19 voraussichtlich nur knapp ein Jahr (Grafik). Warum die Entwicklung für diesen Erreger so schnell ging, erklärte Professor Dr. Stephan Becker vom Institut für Virologie an der Philipps Universität Marburg bei einer Veranstaltung von »House of Pharma & Healthcare« am 26. November. Ein Grund sei die Ebola-Epidemie von 2014 bis 2016, in deren Verlauf 11.000 Menschen starben. Damals wurden rasch Impfstoffe gegen das Ebolavirus entwickelt, von denen aber bald klar war, dass sie für das Eindämmen des Ausbruchs zu spät kommen würden, sagte Becker. Inzwischen sind zwei Vektorimpfstoffe gegen das Ebolavirus zugelassen: Ervebo® von MSD (November 2019) und die Kombination der zwei Vektorimpfstoffe Zabdeno® und Mvabea® von Janssen-Cilag (Mai 2020).

Die Ebola-Epidemie sei ein Weckruf gewesen, der dazu führte, dass die Impfstoffforschung zu Erregern mit pandemischen Potenzial verstärkt wurde. Hierzu wurde 2017 die Coalition for Epidemic Preparedness Innovations (CEPI) gegründet, eine weltweite Allianz von Regierungen, der WHO, der Pharmaindustrie und privaten Geldgebern, um auf zukünftige Pandemien schneller reagieren zu können. Diese wurde mit einer Milliarde US-Dollar ausgestattet, berichtete Becker. So war es möglich, schon im Vorfeld Impfstoffkandidaten gegen hochpathogene Viren wie das Lassavirus sowie die zwei Coronaviren MERS-CoV (das 2012 erstmals auftrat) und SARS-CoV-1 (das 2002 und 2004 einen Ausbruch verursachte) zu entwickeln.

Seit Auftreten der beiden nah verwandten Coronaviren wird an Impfstoffen gegen die Pathogene gearbeitet. Auch Beckers Arbeitsgruppe hat zusammen mit der Ludwig-Maximilians-Universität München, dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) einen Vektorimpfstoff auf MVA-Basis gegen MERS-CoV entwickelt. Diese Vakzine wurde bei Mäusen, Kamelen und anschließend auch in klinischen Studien auf Immunogenität und Sicherheit geprüft. »Anfang des nächsten Jahres soll eine klinische Wirksamkeitsstudie beginnen«, sagte der Virologe.

Diese Vorarbeit habe viel Zeit bei der Entwicklung der SARS-CoV-2-Impfstoffe gespart. Man hatte nicht nur bereits Impfstoffplattformen etabliert, sondern kannte auch schon die Zielstruktur: das S-Protein der Coronaviren, berichtete Becker. Außerdem konnte man in den präklinischen Untersuchungen auf etablierte Tiermodelle zurückgreifen. Das habe die präklinische Phase, die sonst mehrere Jahre dauert, auf einige Monate abgekürzt (Grafik). Die klinischen Studien konnten somit früh beginnen und liefen zum Teil parallel. So wurden mitunter Phase-I- und -II-Studien zusammengefasst und Phase-III-Studien schon geplant, während die Phase-I/II-Studien noch liefen. »Sobald Sicherheitsprüfungen von unabhängigen Data Safety Monitoring Boards vorlagen, ging es in die nächste Runde«, berichtete der Virologe.

Das Besondere bei den Covid-19-Impfstoffen: Die Unternehmen starteten eine Massenproduktion schon während der klinischen Studien auf eigenes Risiko. Normalerweise warten sie hierfür ab, bis die Zulassung oder zumindest ausreichend Daten aus Phase III vorliegen.

Zusätzlich wurde noch der regulatorische Zulassungsprozess beschleunigt, der bei anderen Impfstoffen ein bis zwei Jahre dauern kann. Die Covid-19-Impfstoffe werden von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) in einem sogenannten Rolling-Review-Verfahren geprüft, bei dem die Studiendaten nicht am Ende gesammelt, sondern – sobald sie vorliegen – kontinuierlich eingereicht und entsprechend geprüft werden. Außerdem werden diese Impfstoffe in der Behörde mit höchster Priorität bearbeitet, weshalb die Prüfung wohl nur einen bis zwei Monate dauern wird. »Zusammengenommen führt dies zu einer Entwicklungszeit von etwa einem Jahr«, sagte Becker.

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