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Infektanfälligkeit

Defekte im Immunsystem

Eine gewisse Infektanfälligkeit ist ganz normal. Mancher Infekt fördert sogar den Aufbau einer Immunantwort. Doch schwere oder chronische Infektionen, manche Arzneistoffe oder das Alter schwächen die Immunabwehr. Pathologische Immundefekte sind in seltenen Fällen auch angeboren und erfordern spezielle Therapien.
Eva Gottfried
07.03.2021  08:00 Uhr

Die Entwicklung des fetalen Abwehrsystems beginnt recht früh in der Schwangerschaft. Hierzu differenzieren sich die unterschiedlichen Immunzellen aus Vorläuferzellen, den hämatopoetischen Stammzellen. Die Durchmischung und Rekombination verschiedener Gene in der Embryonalentwicklung führt zu einem bei jedem Menschen unterschiedlichen Repertoire an Antigenrezeptoren als Erkennungsstrukturen für Erreger.

Auch wenn das Neugeborene mit einem Arsenal an Schutzmechanismen ausgestattet ist und manche Antikörper schon über die Plazenta der Mutter erhalten hat (Nestschutz), so ist die Entwicklung des Immunsystems bei Geburt noch lange nicht abgeschlossen. Der Immunschutz wird ein Leben lang erneuert, um eine Reaktivität gegen bekannte Erreger aufrechtzuhalten und einen Schutz gegen neue und sich wandelnde Pathogene zu entwickeln. Nur mit ständigem Training bleibt das System funktionsfähig und kann den Körper effektiv schützen (1). Doch wann ist ein Infekt noch hilfreich zum Training des Immunsystems und wann gefährlich?

Physiologische Infektanfälligkeit

Der Begriff der Infektanfälligkeit beschreibt Beeinträchtigungen in der Entwicklung und Funktion des Immunsystems, die physiologisch und pathologisch sein können. Unterscheidungsmerkmale sind Häufigkeit und Verlauf von Infekten, die beteiligten humoralen und zellulären Komponenten und die resultierenden Störungen.

Bei der physiologischen Infektanfälligkeit sind bis zu acht leichte Infekte im Jahr normal, die einen akuten, nicht weiter gefährlichen Verlauf nehmen. Hierzu zählen grippale Infekte von Schnupfen bis Bronchitis und Mittelohrentzündung sowie gastrointestinale Infekte und Dermatitis (Tabelle 1) (2).

Als erste schnelle Antwort auf einen Erreger reagiert das angeborene Immunsystem mit Fresszellen und natürlichen Killerzellen, Antikörpern und Komplementfaktoren zum Abtöten der Eindringlinge. Lässt sich der Erreger hiermit nicht beseitigen, werden T-Lymphozyten hinzugerufen, die zur spezifischen Erkennung und Lyse trainiert sind. Genau für dieses Training sind gelegentliche Infekte wichtig, weil nur im direkten Kontakt mit Fremdantigen eine angemessene Immunantwort aufgebaut wird, die schnell genug, aber nicht überschießend auf Eindringlinge reagiert (2).

Kennzeichen physiologische Infektanfälligkeit pathologische Infektanfälligkeit
Infektionen/Jahr maximal 8 mehr als 8
Schweregrad leicht teilweise schwer, zum Beispiel Pneumonie, Sepsis, Meningitis
Verlauf akut chronisch-rezidivierend
Erreger unterschiedliche mehrfache Infektion mit gleichem Erreger, opportunistische Infektionen, Infektionen mit ungewöhnlicher Lokalisation
Beispiel grippaler Infekt, akute Bronchitis, Otitis media, »Kinderkrankheiten«, Diarrhö, Gastroenteritis, Tonsillitis, Dermatitis primäre Immundefekte – angeborene, seltene Erkrankungen. Einteilung nach den betroffenen Immunkomponenten. Beispiele siehe Tabelle 2
Beispiel grippaler Infekt, akute Bronchitis, Otitis media, »Kinderkrankheiten«, Diarrhö, Gastroenteritis, Tonsillitis, Dermatitis sekundäre Immundefekte – im Lauf des Lebens auf Basis einer Grunderkrankung erworben. Einteilung nach Ursache, zum Beispiel wiederholte schwere Infektionen, HIV, chronische Erkrankung, Tumor, Arzneimittelnebenwirkungen
Tabelle 1: Physiologische und pathologische Infektanfälligkeit

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