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Infektanfälligkeit

Defekte im Immunsystem

Eine gewisse Infektanfälligkeit ist ganz normal. Mancher Infekt fördert sogar den Aufbau einer Immunantwort. Doch schwere oder chronische Infektionen, manche Arzneistoffe oder das Alter schwächen die Immunabwehr. Pathologische Immundefekte sind in seltenen Fällen auch angeboren und erfordern spezielle Therapien.
AutorKontaktEva Gottfried
Datum 07.03.2021  08:00 Uhr

Warnstufe: pathologische Infektanfälligkeit

Warnhinweise für eine pathologische Infektanfälligkeit sind schwere, häufige und chronische Infekte sowie Infektionen mit seltenen Erregern und an ungewöhnlichen Infektionsorten. Bei Kindern sind Gewichtsverlust und Wachstumsstörungen zu beachten; eine Familienanamnese mit pathologischer Anfälligkeit kann mitspielen (Tabelle 1). Außerdem prädisponieren chronische und angeborene Erkrankungen wie Asthma, Diabetes mellitus, Herzerkrankungen, Adipositas und Asthma für eine erhöhte Infektanfälligkeit (2).

Deutet das klinische Bild auf einen Immundefekt hin, werden Blutbild und Immunstatus anhand von Antikörpern, Komplementfaktoren und Immunzellen, wie neutrophilen Granulozyten des angeborenen Immunsystems sowie T-Lymphozyten der zellulären Immunantwort, bestimmt. Eine Neutropenie oder Thrombopenie (verringerte Zahl von neutrophilen Granulozyten oder Blutplättchen) kann eine Begleiterscheinung eines physiologischen, wenig komplizierten Infekts sein, kann aber auch auf einen pathologischen Immundefekt hindeuten. Daher werden zusätzlich weitere Parameter wie CRP (C-reaktives Protein) als Entzündungsmarker untersucht.

Zur Charakterisierung einer pathologischen Situation wurde der Begriff ELVIS eingeführt, der für die Parameter Erreger, Lokalisation, Verlauf, Intensität und Summe der Erkrankungsepisoden steht; die als entscheidende Faktoren für Diagnose und Therapie herangezogen werden. Bei pathologischer Infektanfälligkeit, auch als Immundefizienz oder Immundefekt bezeichnet, wird je nach Ursache zwischen primären/angeborenen und sekundären/erworbenen Defekten unterschieden (Tabelle 1) (2).

Primäre Immundefekte

Primäre Immundefekte sind angeboren und beruhen darauf, dass nicht alle Teile des Immunsystems voll ausgebildet und funktionsfähig sind. Inzwischen sind mehr als 340 primäre Immundefekte beschrieben, von denen einige wie SCID (schwerer kombinierter Immundefekt; Severe Combined Immunodeficiency) schon im Neugeborenen-Screening untersucht werden. Primäre Immundefekte zählen zu den seltenen Erkrankungen, die über eine Erkrankungszahl von maximal fünf von 10.000 Menschen definiert sind. In Deutschland sind etwa 3100 Patienten mit primärem Immundefekt bekannt. Es wird jedoch von einer hohen Dunkelziffer und somit einer zehnfach höheren Fallzahl ausgegangen (2).

Klinische Hinweise treten häufig schon im Kindesalter auf, zum Beispiel durch Infektionen mit ungewöhnlichen Erregern, wiederkehrende schwere Infektionen oder mangelndes Ansprechen auf Antibiotika (Tabelle 2). Die Differenzialdiagnose erfolgt anhand immunologischer Labordiagnostik. Weil etwa die Hälfte aller primären Immundefekte auf einem selektiven IgA-Mangel beruht, ist die Zahl der Immunglobuline (IgM, IgG, IgA, IgE) im Blut unter Berücksichtigung der altersabhängigen Normzahl besonders wichtig. Anzahl und Funktion der Immunzellen sowie eine genetische Diagnostik differenzieren weitere Typen der vielfältigen Erkrankungen (2).

Parameter Erklärung
Ursache genetisch angeboren, X-chromosomal vererbt, 60 Prozent der Patienten männlich
Häufigkeit seltene Erkrankungen
Hinweise häufig schon im Säuglings- und Kindesalter. Infektionen durch ungewöhnliche Erreger. Wiederkehrende schwere fiebrige Infekte mit gängigen Erregern. wiederkehrende Abszesse. Chronische Darmerkrankungen. Mangelndes Ansprechen auf Antibiotika
Diagnostik Blutbild – Labor-Immundiagnostik: Immunglobuline IgG, IgM, IgA, IgE, Komplementanalyse, Granulozyten und T-Zell-Funktionstest. Molekulargenetische Diagnostik
Einteilung mehr als 340 Defekte beschrieben, Unterscheidung anhand der hauptsächlich betroffenen Immunkomponenten: – Antikörpermangel, zum Beispiel selektiver IgA-Mangel, Agammaglobulinämie – kombinierte zelluläre und humorale Defekte, zum Beispiel Ataxia teleangiectatica (ATM), Wiskott-Aldrich-Syndrom, schwerer kombinierter Immundefekt (SCID) – kombinierte T- und B-Zelldefekte, zum Beispiel Di-George-Syndrom, lymphoproliferatives Syndrom, chronische mukokutane Candidiasis – Defekte in Phagozytenzahl und Funktion – Komplementdefekte
Therapie je nach Störung Antikörper-Substitution. Immunregulierende Medikation, zum Beispiel Azathioprin und 6-Mercaptopurin. Stammzelltransplantation, Gentherapie. Antibakterielle/antimykotische Therapie
Tabelle 2: Primäre Immundefekte

SCID ist ein Sammelbegriff für weitere angeborene Immundefekte, die auf genetischen Defekten in zellulären Rezeptoren oder Stoffwechselenzymen beruhen. Dies führt in der Regel zum Mangel an T-Lymphozyten, wobei B-Lymphozyten und NK-Zellen je nach Erkrankungsform ebenfalls vermindert sein können. Unbehandelt sterben die meisten betroffenen Kinder schon in den ersten Lebensjahren an Infektionskrankheiten. Um das Infektionsrisiko prophylaktisch zu minimieren, müssen die Patienten unter möglichst sterilen Bedingungen leben, was der Erkrankungsgruppe in den 1970er-Jahren den Namen »bubble boy disease« einbrachte (3).

Für einige SCID gibt es inzwischen etablierte Therapien. Hier zwei Beispiele. Ursache der X-chromosomal vererbten SCID-X1 ist eine Mutation im Interleukin-2-Rezeptor-y-Gen (IL-2-Ry), dessen Aktivierung für die Proliferation und Differenzierung von T- und B-Lymphozyten sowie NK-Zellen essenziell ist. Eine allogene (Fremdspender-)Stammzelltransplantation bietet die Möglichkeit, das Immunsystem zu rekonstituieren, sofern ein passender Spender gefunden wird. In Studien zu einer Gentherapie wird das defekte Gen in den Vorläufern der Immunzellen, den CD34+-hämatopoetischen Stammzellen aus dem Knochenmark, ersetzt. Bevor die modifizierten Zellen in den Patienten zurückgegeben werden, wird der Patient mit dem Zytostatikum Busulfan in niedriger Dosis »konditioniert«. Dies verbesserte in Studien das Anwachsen der veränderten Stammzellen (3, 4).

Auch ADA-SCID beruht auf einen Gendefekt. Bei den Patienten ist das Enzym Adenosin-Desaminase (ADA) fehlerhaft, das an der DNA-Synthese im Rahmen der Zellproliferation beteiligt ist. Infolge des ADA-Mangels kommt es zur Lymphopenie mit Mangel an funktionsfähigen T- und B-Lymphozyten sowie NK-Zellen, zu niedrigen Immunglobulinspiegeln und zu schweren, rezidivierenden opportunistischen Infektionen. Ohne Therapie überleben die Patienten selten länger als zwei Jahre.

In den USA ist seit den 1990er-Jahren pegylierte Adenosin-Desaminase (bovine Pegademase/Adagen®, Enzon Pharmaceuticals, Inc., US) von der FDA zur Enzymersatztherapie zugelassen. In Deutschland stehen als Therapieoptionen die allogene (Fremdspender-)Stammzelltransplantation sowie eine Gentherapie zur Verfügung. Für die seit 2016 zugelassene Gentherapie Strimvelis® wird eine mit CD34+-Stammzellen angereicherte Zellfraktion des Patienten mit einem intakten humanen ADA-Gen in einem Vektorkonstrukt bestückt. Die im Labor modifizierten Zellen werden dem Patienten zum Aufbau eines funktionsfähigen Immunsystems zurückgegeben (5).

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