Defekte im Immunsystem |
Weitaus häufiger sind sekundäre Immundefekte, die nicht angeboren sind, sondern im Lauf des Lebens erworben werden. Sie treten infolge von schweren Infektionskrankheiten und HIV, bei chronischen und malignen Erkrankungen, als Therapie- und Arzneimittelnebenwirkungen sowie im Alter auf (Tabelle 3).
Bei ernstem Verdacht werden Blutbild und Immunstatus bestimmt, um einen primären Immundefekt auszuschließen. Bei Patienten mit erworbenen Immundefekten gilt es, das Immunsystem zu stärken, bei Infektionen auf eine angemessene antibiotische, antivirale und antimykotische Therapie zu achten und eine ausreichende Immunisierung als Prophylaxe zu gewährleisten – dies alles unter Beachtung möglicher Grunderkrankungen (6, 7).
Ursache, Auslöser | Beispiele |
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Erkrankungen | Infektionskrankheiten, Malignom, Leukämie, Proteinverlust, Niereninsuffizienz, Leberzirrhose, Anämie, Agranulozytose, Diabetes mellitus, Autoimmunerkrankungen, HIV-Aids. Multimorbidität |
iatrogen, Therapie-assoziiert | Bestrahlung, Chemotherapie. Immunsuppressiva wie Glucocorticoide und Biologika. Arzneimittelnebenwirkungen. Transplantation |
sonstige Umstände | Mangelernährung, Bewegungsmangel, Alter |
Leichte Atemwegsinfektionen trainieren das Immunsystem. Wenn diese aber in schwere oder chronische Infekte übergehen, schadet dies dem Immunsystem mehr als dass es hilft. Bei Patienten mit Grunderkrankungen wie Asthma oder chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) ist es wichtig, die Häufigkeit der Infekte, die Erreger und den Verlauf der Erkrankungen im Auge zu behalten (6).
Auch klassische »Kinderkrankheiten« können das Immunsystem schwächen. Beispielsweise kann eine Maserninfektion eine massive Immunsuppression für Monate bis Jahre nach sich ziehen. Diese betrifft nicht nur die Antikörperproduktion durch B-Zellen und damit die schnelle Abwehr anderer Erreger, sondern kann auch die Wirkung von Impfstoffen einschränken (8).
Das Paradebeispiel für ein erworbenes Immundefizienz-Syndrom ist Aids (Acquired Immune Deficiency Syndrome) infolge einer HIV-Infektion. Das Humane Immundefizienz-Virus umgeht die Erkennung durch abwehrende Immunzellen, infiziert insbesondere CD4+-T-Helferzellen und Makrophagen (Fresszellen) und induziert den massiven Verlust von Leukozyten wie T-Lymphozyten. Eine Verringerung der Leukozytenzahl unter 4000 Zellen/Mikroliter bezeichnet man als Leukopenie, bei der die Immunabwehr stark beeinträchtigt ist und ein hohes Infektionsrisiko durch verschiedene Pathogene besteht. Inzwischen gibt es zahlreiche antiretrovirale Medikamente auch für Patienten mit hoch resistenten HI-Viren, weshalb viele Patienten ein relativ normales Leben führen können. Aids ist per se aber nicht heilbar; und bisher ist nur die Eindämmung, nicht aber die Elimination des Virus möglich (9).
Auch eine bakterielle Superinfektion einer eigentlich beherrschbaren Virusinfektion kann problematisch werden. Normalerweise gehen natürliche Killerzellen (NK-Zellen) des angeborenen Immunsystems und T-Lymphozyten des erworbenen Immunsystems gemeinsam gegen Virus-infizierte Zellen vor. Bei einer Doppelinfektion durch Viren und Bakterien wird die natürliche Immunantwort deutlich eingeschränkt, weil NK-Zellen in Gegenwart des bakteriellen Lipopolysaccharids (LPS) die T-Lymphozyten hemmen (10).