Das Licht und seine Schattenseiten |
Als Photosensibilisatoren können nach einer 2021 publizierten Untersuchung 393 verschiedene Medikamente oder Inhaltsstoffe betrachtet werden. Allerdings, so die Autoren des Reviews, unterscheiden sich die Evidenzstufen bei den einzelnen Stoffen erheblich (1).
Zu den potenziell photosensibilisierenden Arzneistoffen gehören Substanzen aus verschiedenen Gruppen, darunter Antibiotika, Diuretika, Retinoide, Antidiabetika, HMG-CoA-Reduktase-Inhibitoren (Statine) und Antipsychotika (Tabelle 2). Bei der Beratung ist zudem an zahlreiche OTC-Medikamente zu denken, etwa an nicht steroidale entzündungshemmende Antirheumatika (NSAR), Antihistaminika, rezeptfrei erhältliche antifungale Wirkstoffe wie Terbinafin, einige Duftstoffe in Kosmetika und paradoxerweise auch bestimmte UV-Absorber in Sonnenschutzmitteln.
Wirkstoffgruppen und Beispiele | Photo-toxisch | Photo-allergisch | Anmerkungen |
---|---|---|---|
Antibiotika | |||
Tetracycline (Doxycyclin, Tetracyclin) | X | bei längerer Anwendung: lang anhaltende, überwiegend melanozytäre Hyperpigmentierungen möglich | |
Fluorchinolone (Ciprofloxacin, Ofloxacin, Levofloxacin) | X | ||
Sulfonamide (Sulfamethoxazol, Cotrimoxazol, Sulfasalazin) | X | ||
Antimykotika | |||
Terbinafin | photosensibilisiernd | Griseofulvin: photosensibilisierend, in Deutschland außer Vertrieb | |
Itraconazol | X | X | Griseofulvin: photosensibilisierend, in Deutschland außer Vertrieb |
Voriconazol | X | Griseofulvin: photosensibilisierend, in Deutschland außer Vertrieb | |
NSAR | |||
Ibuprofen | X | phototoxische Reaktionen auch nach direktem Hautkontakt bei lokaler Anwendung | |
Ketoprofen | X | X | phototoxische Reaktionen auch nach direktem Hautkontakt bei lokaler Anwendung |
Naproxen | X | phototoxische Reaktionen auch nach direktem Hautkontakt bei lokaler Anwendung | |
Diclofenac | X | phototoxische Reaktionen auch nach direktem Hautkontakt bei lokaler Anwendung | |
Celecoxib | X | phototoxische Reaktionen auch nach direktem Hautkontakt bei lokaler Anwendung | |
Diuretika | |||
Furosemid | X | ||
Hydrochlorothiazid | X | Hauptursache Medikamenten-bedingter gesteigerter Lichtreaktionen in Deutschland | |
Kardiovaskulär wirksame Arzneistoffe | |||
Amiodaron | X | bei etwa 40 Prozent der Patienten: Rötungen in lichtexponierten Regionen | |
Diltiazem | X | ||
ACE-Hemmer (Enalapril, Captopril) | X | X | |
Endokrinologisch wirksame Arzneistoffe | |||
Sulfonylharnstoffe wie Glibenclamid | X | ||
HMG-CoA-Reduktase-Inhibitoren wie Pravastatin, Atorvastatin, Simvastatin | X | X | |
Hormone, zum Beispiel orale Kontrazeptiva | X | ||
Antihistaminika wie Loratadin, Esomeprazol und Pantoprazol, Propylthiouracil | photosensibilisierend | ||
Auf das Nervensystem wirkende Arzneistoffe | |||
Antipsychotika wie Chlorpromazin, Fluphenazin, Perphenazin | X | X | |
Antipsychotika wie Thioxanthene (Chlorprothixen, Thiothixen) | X | ||
Antidepressiva wie Hypericum, Amitriptylin oder Fluoxetin, Antikonvulsiva wie Carbamazepin und Topiramat, einige Triptane | photosensibilisierend | ||
Retinoide | |||
Isotretinoin, Acitretin | X | Tretinoin wirkt photosensibilisierend, wird aber auch zur Therapie Melanin-bedingter Pigmentierung eingesetzt | |
Photosensibilisatoren für die photodynamische Therapie | |||
5-Aminolävulinsäure, Porfimer-Natrium | X | ||
Sonnenschutzmittel, UV-Filter | |||
Para-Aminobenzoesäure, Zimtsäure | X | ||
Duftstoffe, zum Beispiel in Kosmetika | |||
Moschus-Ambrette, 6-Methylcumarin | X |
Ein Arzneimittel kann sowohl phototoxische als auch photoallergische Reaktionen hervorrufen. Beispiele dafür sind das NSAR Ketoprofen, Statine, Phenothiazine wie Chlorpromazin, Itraconazol, Griseofulvin sowie Chinidin (Tabelle 2) (3–5.)
Für das Apothekenteam stellt sich die Frage, wie intensiv es diesbezüglich beraten sollte. So erscheint die Liste an potenziell photosensibilisierend wirkenden Arzneistoffen zwar recht lang, diese machen aber insgesamt nur einen kleinen Teil aller arzneilich angewendeten Stoffe aus. Entscheidender als die Anzahl an Wirkstoffen ist ohnehin, wie oft diese abgegeben werden.
Wie relevant die Photosensibilisatoren diesbezüglich sind, prüften Wissenschaftler in einer 2020 veröffentlichten Studie anhand der von 2010 bis 2017 in Deutschland und Österreich von den Krankenkassen erstatteten abgegebenen Arzneimittelpackungen. Fast die Hälfte (49,5 Prozent) der knapp 633 Millionen abgegebenen Packungen in Deutschland zählte zu den gemäß Literaturangaben photosensibilisierend wirkenden Arzneimitteln; in Österreich waren es 48,2 Prozent der gut 113 Millionen abgegebenen Medikamente. OTC-Präparate waren in die Analyse nicht eingeschlossen (6).
Bei der Bewertung ist zu beachten, dass vermutlich viele Fälle von Phototoxizität oder Photoallergie nicht gemeldet werden. Bei einem starken Sonnenbrand denken viele Menschen nicht an ein Arzneimittel als Auslöser. Auch ist mangelnde klinische Evidenz ein Problem. Goldstandard, um phototoxische oder photoallergische unerwünschte Wirkungen nachzuweisen, wäre, diese mit Phototests, Photopatchtests oder Reprovokationstests zu induzieren. Solche Untersuchungen liegen für viele Wirkstoffe nicht vor (1, 6).