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Photosensibilität

Das Licht und seine Schattenseiten

Die Kombination von Sonne und Arzneimitteln ist meist keine gute Idee. Einige Wirkstoffe erhöhen das Risiko für strahlungsbedingte Hautschäden, andere vertragen selbst kein Licht.
Nicole Schuster
03.07.2022  08:00 Uhr

Extrakte aus Hypericum perforatum sind eine beliebte pflanzliche Alternative bei leichten und mittelschweren Depressionen. Bei der Abgabe weist das Apothekenteam oft auf die erhöhte Lichtempfindlichkeit unter der Einnahme hin. Patienten kann das verunsichern. Für die Praxis stellt sich die Frage: Wie relevant sind photosensibilisierende Eigenschaften von arzneilich wirkenden Bestandteilen wie Johanniskraut-Trockenextrakt für den Patienten wirklich?

Unter Photosensibilität oder Photosensitivität versteht man grundsätzlich, dass die Haut infolge einer Substanzeinwirkung sensibler sowohl auf natürliches Sonnenlicht als auch auf künstliches UV-Licht reagiert und schneller geschädigt wird. Als Auslöser kommen sowohl topische als auch systemische Arzneimittel infrage. Bei den Wirkstoffen handelt es sich um exogene Chromophore, die Photonen aus dem Licht absorbieren, dadurch aktiviert werden und chemische Reaktionen eingehen können (1).

Die Photosensitivität äußert sich in den meisten Fällen als Phototoxizität, seltener als Photoallergie. »Eine photoallergische Reaktion ist die Immunantwort des Körpers auf den photoaktiven Stoff. Eine phototoxische Reaktion hingegen entsteht durch eine Wechselwirkung zwischen dem photoaktiven Stoff und den Zellen«, sagt Dr. Alice Martin, Mitgründerin der online-Hautarztpraxis dermanostic in Düsseldorf, gegenüber der Pharmazeutischen Zeitung.

Zwei Arten von Reaktionen

Bei den häufiger auftretenden, phototoxischen Reaktionen findet keine immunologische Reaktion statt. Sie können daher theoretisch bei jedem und bereits nach der ersten Exposition mit dem Photosensibilisator vorkommen. Die Hautreaktion zeigt sich innerhalb weniger Stunden nach Lichteinstrahlung und ist auf Körperstellen begrenzt, die direkt dem Licht ausgesetzt sind (Tabelle 1).

Merkmal Phototoxische Reaktion Photoallergische Reaktion
Inzidenz hoch niedrig
Substanzdosis Hautreaktionen treten dosisabhängig auf geringste Dosen können reichen
Reaktionszeit nach Einwirkung von Wirkstoff und Licht innerhalb von Stunden 24 bis 72 Stunden
Reaktion nach Erstkontakt mit dem Photosensibilisator ja nein
betroffene Körperregionen sonnenexponierte Haut vorrangig sonnenexponierte Haut. Reaktionen können sich auf nicht exponierte Bereiche ausbreiten
klinische Charakteristik meist ähnlich einem starken Sonnenbrand meist ähnlich einer Dermatitis
immunologisch vermittelt nein ja, Typ IV
Tabelle 1: Unterschiede einer phototoxischen und photoallergischen Reaktion (4)

Voraussetzung für eine phototoxische Reaktion sind eine ausreichende Menge der jeweiligen Substanz und eine Bestrahlung mit UV-Licht oder sichtbarem Licht. Auf Molekularebene absorbiert dabei ein Molekül des Medikaments ein Photon, wodurch das Molekül in einen kurzlebigen energiereichen Singulett-Zustand gerät. Durch die Aktivierung können auch freie Radikale entstehen. Die nachfolgenden chemischen Reaktionen können mit biologischen Systemen wie Zellmembranen, Lysosomen, Lipiden, Proteinen und DNA erfolgen (1–3).

Die Hautreaktionen treten dosisabhängig auf und unterscheiden sich je nach Photosensibilisator und dem intrazellulären Zielmolekül. Meistens erinnern sie an einen starken Sonnenbrand und äußern sich als Erythem, Juckreiz, lokale Schmerzen mit Brennen und Stechen, Blasenbildung oder auch als Ödeme. Der zeitliche Ablauf folgt einem Decrescendo-Muster. Die Symptome nehmen also schnell bis zur maximalen klinischen Manifestation etwa 24 bis 48 Stunden nach der UV-Exposition zu. Danach bilden sie sich wieder langsam zurück (1). Folgen von phototoxischen Reaktionen können eine vorzeitige Hautalterung, Alters- oder Sonnenflecken (Lentigines solares) und schlimmstenfalls Hautkrebs sein. Einige Patienten entwickeln eine über Wochen anhaltende Lichtempfindlichkeit der Haut.

Bei photoallergischen Reaktionen hingegen handelt es sich um eine zellvermittelte Immunantwort vom Spättyp auf eine lichtaktivierte Verbindung. Nach Strahlenabsorption befindet sich das Arzneistoffmolekül in einem angeregten Zustand und kann an ein Hautprotein binden. Es entsteht ein komplettes Antigen. Eine immunologische Sensibilisierung bei Re-Exposition mit dem Photosensibilisator löst die photoallergische Reaktion aus (Tabelle 1).

Die Hautreaktionen ähneln denen einer allergischen Kontaktdermatitis mit dem Leitsymptom starker Juckreiz und können erst Tage nach der Lichteinwirkung auftreten. Die Symptome entwickeln sich nach einem Crescendo-Muster, was bedeutet, dass sie sich im Verlauf verschlimmern und etwa 48 bis 72 Stunden nach Ausbruch ihren Höhepunkt erreichen. Die Effloreszenzen sind meistens auf die sonnenexponierten Körperregionen beschränkt und dehnen sich nur bei schwerwiegender oder langanhaltender Schädigung auf bedeckte Hautbereiche aus.

Ein chronisches photoallergisches Kontaktekzem ist die Folge, wenn das Allergen anhaltend zugeführt wird. Bei dieser chronischen Form spricht man auch von persistierender Lichtreaktion oder chronisch aktinischer Dermatitis. Sehr selten ist eine systemische Photoallergie (1–5).

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