Das Immunsystem der Psyche stärken |
Resilienzfördernd wirken darüber hinaus Optimismus und ein bewusster Blick auf die schönen Dinge des Lebens. Dabei komme es nicht darauf an, wie intensiv wir Freude, Begeisterung oder Glück erleben, so Helmreich. Wichtig sei vielmehr die Häufigkeit, mit der wir positive Emotionen wahrnehmen: »Das kann das Lächeln eines Menschen sein, die Sonne oder der Gesang der Vögel.« Resiliente Menschen zeichnen sich dadurch aus, dass sie auch in schweren Zeiten das Bewusstsein für Positives bewahren. »Eine gute Möglichkeit, das zu üben, ist ein allabendlicher positiver Tagesrückblick oder ein Dankbarkeitstagebuch, in das ich jeden Tag mindestens drei Dinge notiere, für die ich heute dankbar war.«
Ein Dankbarkeitstagebuch kann den bewussten Blick auf die schönen Dinge des Lebens fördern. Das wiederum stärkt die Resilienz. / Foto: Adobe Stock/Francis
Die Fähigkeit, auch in schwierigen Situationen noch den Blick für das Positive zu behalten, sehen Resilienzforscher weniger als Einzelfaktor für eine gute psychische Widerstandskraft, sondern vielmehr als übergeordneten Mechanismus. In der Fachliteratur findet sich dafür die Abkürzung PASTOR (positive appraisal style theory of resilience, zu Deutsch: Resilienztheorie eines positiven Bewertungsstils). Ein positiver Bewertungsstil kann sich demnach auf mehrere Resilienzfaktoren förderlich auswirken, etwa auf die aktive Stressbewältigung, die Suche nach neuen Werten und die Stärkung sozialer Beziehungen. Auch ein gutes Kohärenzgefühl – also die Tendenz, Anforderungen als verstehbar, bewältigbar und sinnhaft zu empfinden – ordnet Helmreich den übergeordneten Resilienzfaktoren zu. Ob und wie das Kohärenzgefühl trainierbar ist, ist allerdings umstritten.
Welche dieser zahlreichen Resilienzfaktoren für den Einzelnen wichtig seien, sei individuell sehr unterschiedlich, betont die Expertin für Gesundheitsprävention: »Ein Arbeitnehmer im Schichtdienst hat ein anderes Set als ein Selbstständiger.« Zudem sei Resilienz immer abhängig von den jeweiligen Stressoren. Manche Menschen können besser mit hohen beruflichen Belastungen umgehen, andere sind im privaten Bereich belastbarer. Ein gewisses Maß an Stress habe sich sogar als resilienzfördernd erwiesen. »Mit schwierigen Situationen konfrontiert zu werden, hilft dabei, Bewältigungsstrategien aufzubauen«, erklärt Helmreich.
Dieses Phänomen der Stressimpfung wurde zuerst bei Schimpansen beobachtet: Junge Affen, die immer wieder kurz von ihren Müttern getrennt wurden, zeigten zwar akute Stresssymptome. Im Alter von drei Jahren konnten sie aber besser mit Belastungssituationen umgehen als ihre Altersgenossen. Das Gleiche gelte für Menschen: »Kinder, die nicht von allen unangenehmen Erfahrungen abgeschirmt werden, sondern auch Scheitern erfahren dürfen, sind im späteren Leben stressresistenter.«
Foto: Getty Images/Nanoclustering/Science Photo Library
Die individuelle Zusammensetzung der Darmflora wirkt sich nicht nur auf die körperliche, sondern auch auf die psychische Gesundheit aus. Studien belegen, dass eine größere Vielfalt von Bakterienarten im Darm mit einem geringeren Risiko für psychische Erkrankungen assoziiert ist. In Tierversuchen zeigte sich darüber hinaus, dass Stress das Mikrobiom verändert. Das wiederum beeinflusst über die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrindenachse das Stresssystem – und damit die Resilienz. Ob man durch eine gezielte Lenkung dieser Darm-Hirn-Achse, etwa durch die Ernährung oder durch die Gabe von Probiotika, die Resilienz fördern kann, ist aber noch fraglich.