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Resilienz

Das Immunsystem der Psyche stärken

Ursprünge der Resilienzforschung

Als Pionierin der Resilienzforschung gilt die US-amerikanische Psychologin Professor Dr. Emmy Werner. In einer prominenten Längsschnittstudie begleitete sie 40 Jahre lang knapp 700 Kinder des Geburtsjahrgangs 1955 auf der hawaiianischen Insel Kauai. Sie stellte fest: Kinder, die unter besonders schwierigen Bedingungen aufwuchsen – Armut, Vernachlässigung, Gewalt in der Familie –, zeigten als Jugendliche häufiger Verhaltensstörungen oder psychiatrische Auffälligkeiten als Kinder, die weniger Belastungen ausgesetzt waren. Etwa ein Drittel der Kinder aus der Hochrisikogruppe entwickelte sich jedoch erstaunlich positiv: Trotz der schwierigen Umstände, unter denen sie aufgewachsen sind, führten sie ein erfolgreiches Leben, gingen langfristige Beziehungen ein und waren angesehene Mitglieder der Gesellschaft. Im Alter von 40 Jahren lagen Sterblichkeit, Krankheits- und Scheidungsrate deutlich niedriger als bei ihren Altersgenossen innerhalb der Hochrisikogruppe. Als wichtige Schutzfaktoren erwiesen sich eine fürsorgliche Bezugsperson innerhalb oder außerhalb der Familie, hohe Problemlösefähigkeit, Religiosität und gute soziale Einbindung.

Diese resilienzfördernden Eigenschaften bestätigten sich in späteren Studien. Das Verständnis von Resilienz wandelte sich mit der Zeit jedoch: Zu Beginn gingen Forschende davon aus, dass Resilienz ein feststehendes Persönlichkeitsmerkmal ist, das durch die Gene und frühkindliche Einflüsse bestimmt wird. »Heute wissen wir, dass wir Resilienz über die gesamte Lebensspanne erwerben«, erklärt Dr. Isabella Helmreich, Leiterin des Bereichs »Resilienz und Gesellschaft« am Mainzer Leibniz-Institut für Resilienzforschung (LIR) im Gespräch mit der PZ. Die psychische Widerstandskraft wächst aus dem Zusammenspiel von neurobiologischen, psychologischen und sozialen Faktoren.

Zwillingsstudien legen nahe, dass 30 bis 50 Prozent der Resilienz eines Menschen genetisch bedingt sind. Gut erforscht ist zum Beispiel der Einfluss des 5-Hydroxytryptamin-Transporter-Gens (5-HTT-Gens), das in verschiedenen Varianten vorliegen kann. Der 5-HTT sorgt dafür, dass freigesetztes Serotonin aus dem synaptischen Spalt wieder in die Zellen aufgenommen und die Wirkung des Neurotransmitters beendet wird. Ergebnisse einer neuseeländischen Langzeitstudie belegen: Ob jemand eine kürzere oder längere Variante des 5-HTT-Gens in sich trägt, wirkt sich entscheidend auf das Depressionsrisiko nach belastenden Lebensereignissen aus. Auch das Gen für das Enzym Monoaminooxidase-A (MAO-A) scheint mit seinen zwei Hauptvarianten die Widerstandsfähigkeit gegenüber Schicksalsschlägen zu beeinflussen. Immer jedoch bedarf es eines Zusammenwirkens von Umwelteinflüssen und Lebenserfahrungen, damit schützende oder risikofördernde Eigenschaften eines Gens zum Tragen kommen.

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