Das Beste aus einer reichhaltigen Ernte |
Brigitte M. Gensthaler |
27.05.2022 14:00 Uhr |
Gute Ernte ist das Ergebnis eines langen Prozesses. Wenn er gelingt, ist das ein Grund zur Freude. / Foto: Getty Images/Kenny10
Im vergangenen Jahr kamen insgesamt 44 neue Substanzen auf den Markt, darunter 13 Sprung- und 26 Schrittinnovationen und nur fünf Analogpräparate. »Von der Quantität her ein guter Jahrgang, aber auch die Qualität stimmt«, resümierte der Apotheker. Er stellte sieben nicht-onkologische Wirkstoffe vor.
Cefiderocol (Fetcroja®) ist das erste Siderophor-Cephalosporin auf dem Markt und erfasst ein breites Spektrum von aeroben gramnegativen Erregern, darunter auch Carbapenem-resistente Keime. Es wird nur als Reserveantibiotikum eingesetzt. Tatsächlich überwindet das Antibiotikum drei der wichtigsten bakteriellen Resistenzmechanismen. In Studien wurden unter anderem Patienten mit Pneumonie, komplizierten Harnwegsinfekten und Sepsis erfolgreich behandelt. Allerdings gab es auch Therapieversagen mit tödlichem Ausgang. Die Dosierung von dreimal täglich 2 g Cefiderocol intravenös muss bei eingeschränkter Nierenfunktion angepasst werden.
Dagegen richtet sich Baloxavir-Marboxil (Xofluza®) gegen Influenzaviren. Zugelassen ist es zur Therapie einer unkomplizierten Influenza sowie zur Postexpositionsprophylaxe, jeweils ab zwölf Jahren. Anders als die Neuraminidase-Hemmer Oseltamivir und Zanamivir reicht eine Einmalgabe aus. Baloxavir ist wirksam gegen Oseltamivir-resistente Influenzastämme, aber es wurden inzwischen auch Resistenzen gegen das neue Mittel beobachtet. Hersteller Roche hat es aus wirtschaftlichen Gründen bereits im Herbst 2021 wieder vom Markt genommen.
Apotheker Sven Siebenand, Chefredakteur der PZ / Foto: PZ/Mueller
Ebenfalls gegen Viren, aber gegen HIV-1 richtet sich der Integrasehemmer Cabotegravir (Vocabria®), der immer mit dem nicht-nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Hemmer Rilpivirin (Rekambys®) kombiniert wird. »Das ist das erste langwirksame HIV-Therapieregime«, hob Siebenand hervor. In der Erhaltungsphase bekommt der Patient alle zwei Monate zwei Injektionen intramuskulär in den Gesäßmuskel verabreicht. »Achtung: Die Injektionsnadeln sind für adipöse Menschen zu kurz.« Eine 28-tägige perorale Einleitungsphase mit Tabletten kann vorgeschaltet werden, ist aber keine Pflicht mehr. Eine Monotherapie mit Cabotegravir eigne sich laut Studiendaten auch zur HIV-Präexpositionsprophylaxe.
Schwenk zur Epilepsie: Cenobamat (Ontozry®) wird als Zusatztherapie bei Erwachsenen mit fokalen Anfällen mit oder ohne sekundäre Generalisierung eingesetzt. Die Studiendaten seien vielversprechend, denn die Gabe von 200 mg halbierte die Anfallshäufigkeit bei mehr als der Hälfte der Patienten und 11 Prozent wurden anfallsfrei. Die 400-mg-Tagesdosis wirkte noch besser, war aber schlechter verträglich. Siebenand erinnerte an die schrittweise Aufdosierung und den Interaktionscheck in der Apotheke. Seltene Nebenwirkung: Cenobamat ist einer der wenigen Wirkstoffe, die die QT-Zeit am Herzen verkürzen.