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Gerinnungsstörungen

Behandlungsoptionen der Gegenwart und der Zukunft

Faktorpräparate zu Behandlung von Blutgerinnungsstörungen gibt es en masse. Auch ein bispezifischer Antikörper steht zumindest für die Hämophilie A bereits zur Verfügung. In der Zukunft könnten Gentherapeutika hinzukommen.
Sven Siebenand
30.05.2022  16:30 Uhr
Behandlungsoptionen der Gegenwart und der Zukunft

Bei der Blutstillung ist zwischen primärer und sekundärer Hämostase zu unterscheiden. Darauf machte Professor Dr. Martin J. Hug von der Apotheke des Universitätsklinikums Freiburg beim Fortbildungskongress Pharmacon in Meran aufmerksam. Die sekundäre Hämostase wird dabei in den extrinsischen und den intrinsischen Weg der Gerinnungskaskade unterteilt. Beide haben als Endprodukt Fibrin, so der Krankenhausapotheker und Professor für Klinische Pharmazie.

Hug betonte, dass das System aus Blutstillung und anschließender Fibrinolyse sehr gut ausbalanciert sei und es zu Problemen komme, wenn es durch Störungen aus dem Gleichgewicht gerate. Das kann einerseits eine erhöhte Thromboseneigung sein. Als Beispiel nannte der Apotheker die Faktor-V-Leiden-Mutation. Andererseits kann die Blutungsneigung erhöht sein. Eine solche Verlängerung der Blutungszeit wird auch als Negativstörung bezeichnet. Sie kann erworben oder angeboren sein.

Beispielsweise Massivtransfusionen, ein durch eine eingeschränkte Leberfunktion oder die Behandlung mit Vitamin-K-Antagonisten bedingter Prothrombinkomplexmangel oder eine Überdosierung von direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) können laut Hug Ursachen erworbener Gerinnungsstörungen sein. Zu den angeborenen Blutgerinnungsstörungen zählen unter anderem die Hämophilien A (Faktor-VIII-Mangel), B (Faktor-IX-Mangel) und C (Faktor-XI-Mangel). Alle drei gelten als seltene Erkrankungen. In Abhängigkeit der Restaktivität der jeweiligen Gerinnungsfaktoren würden die Erkrankungen in die Schweregrade leicht, mittel und schwer unterteilt, so Hug

»Ein Durchbruch in der Therapie der Hämophilien wurde in den 1970er-Jahren durch den Einsatz plasmatischer Faktorpräparate erzielt«, sagte der Apotheker. Hug erinnerte aber auch daran, dass in den 1980er-Jahren viele Hämophiliepatienten mit HIV infiziert wurden, weil einzelne Chargen von Faktorpräparaten durch Plasma von HIV-positiven Spendern verunreinigt waren. Seit Mitte der 1980er-Jahre habe es in Deutschland aber keinen dokumentierten Fall der Übertragung mehr gegeben.

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