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Blutgerinnung

Neues Bypass-Medikament bei Hämophilie

Bei Hämophiliepatienten mit Inhibitoren sind teilweise Faktor-VIII- und -IX-konzentrate wirkungslos. Zum Einsatz kommen dann Bypass-Medikamente, um die Blutgerinnung auf einem anderen Weg zu aktivieren. Ein solches ist mit Eptacog beta kürzlich auf den Markt gekommen. 
Kerstin A. Gräfe
30.11.2022  07:00 Uhr
Neues Bypass-Medikament bei Hämophilie

Eine Komplikation bei der Behandlung von Hämophiliepatienten mit Faktorkonzentraten ist die Bildung von Inhibitoren (neutralisierende Alloantikörper) gegen den eingesetzten Faktor. Sie tritt bei etwa jedem dritten Patienten mit schwerer Hämophilie A (gegen Faktor VIII) und bei 2 bis 5 Prozent der Patienten mit Hämophilie B (gegen Faktor IX) auf. Da die Gabe von Ersatzfaktoren in diesem Fall unter Umständen wirkungslos bleiben kann, behilft man sich mit sogenannten Bypass-Präparaten. Diese umgehen die Faktor-VIII- oder -IX-Wirkung im Gerinnungssystem und führen dadurch zu einer Blutstillung. Bislang stand hier unter anderem Eptacog alfa (aktiviert) (Novoseven®) zur Verfügung. Mit Eptacog beta (aktiviert) (Cevenfacta® 1 mg/2 mg/5 mg Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Injektionslösung, LFB) ist nun eine neue Option verfügbar. Der Neuling weist im Vergleich zu Novoseven ein anderes Glykosylierungsprofil auf, was in Teilen dem des humanen Faktor VIIa ähnlicher ist. Zudem hat Eptacog beta eine bis zu 40 Prozent höhere Bindungsaktivität an aktivierte Thrombozyten sowie an EPCR (endothelialer Protein C-Rezeptor). Die klinische Relevanz ist bisher unklar.

Bei Cevenfacta handelt es sich rekombinanten Gerinnungsfaktor VIIa. Faktor VII aktiviert den Faktor X zu Faktor Xa, der wiederum den Gerinnungsprozess aktiviert. Da Faktor VII unabhängig von den Faktoren VIII und IX direkt auf Faktor X wirkt, kann Cevenfacta zur Wiederherstellung der Hämostase auch in der Abwesenheit von Faktor VIII und IX oder in Gegenwart von Inhibitoren verwendet werden.

Zugelassen ist das neue Medikament bei Erwachsenen und Jugendlichen ab zwölf Jahren zur Behandlung von Blutungsepisoden und zur Prävention von Blutungen bei:

  • Patienten mit angeborener Hämophilie mit hochtitrigen Inhibitoren gegen die Gerinnungsfaktoren VIII oder IX (≥ 5 Bethesda-Einheiten [BE]) sowie
  • Patienten mit angeborener Hämophilie mit niedrigtitrigen Inhibitoren (BE < 5), bei denen mit einem hohen anamnestischen Inhibitoranstieg oder mit einer refraktären Reaktion auf hohe Dosen von FVIII oder FIX zu rechnen ist.

Das Arzneimittel ist als Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer intravenösen Injektionslösung erhältlich. Cevenfacta kann innerhalb von zwei Minuten oder weniger als intravenöse Bolusinjektion appliziert werden. Nach Rekonstitution muss die Injektionslösung innerhalb von vier Stunden verabreicht werden.

Dosis und Dauer der Behandlung sind abhängig von Ort und Schweregrad der Blutung oder der Art der Operation/des Eingriffs, der Notwendigkeit einer dringenden Hämostase, der Häufigkeit der Verabreichung und von der bekannten Ansprechempfindlichkeit des Patienten auf Faktor-VIIa-haltige Bypass-Präparate bei früheren Blutungsereignissen. Detaillierte Angaben hierzu finden sich in der Fachinformation.

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