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Angstschweiß und rote Ohren

10.12.2012  15:37 Uhr

Angstschweiß und rote Ohren

Die Wangen brennen, die Ohren werden heiß und dann bricht auch noch der Schweiß aus: Gerade wenn wir sie am liebsten verbergen würden, zeigen sich unsere Gefühle sehr deutlich auf der Haut. Wissenschaftler messen diese Veränderungen als Zeichen emotional-affektiver Reaktionen, Kriminalkommissare versuchen mit ihrer Hilfe Lügner zu überführen.

Erröten ist das äußere Anzeichen einer verstärkten Durchblutung der Haut. Diese entsteht zum Beispiel bei körperlicher Anstrengung und steigendem Blutdruck. Als psychisch weitaus belastender empfinden die meisten Menschen aber das Rotwerden aufgrund von emotionalem Stress. Auslöser für den vermehrten Blutfluss in den Hautkapillaren ist der Sympathikus. Da dieser als Teil des vegetativen Nervensystems nicht der willentlichen Kontrolle unterworfen ist, lässt sich das emotionale Erröten bewusst nicht unterdrücken.

Anders als das Deutsche unterscheidet das Englische zwischen dem meist physiologisch bedingten Erröten (Flush) und dem Rotwerden aufgrund von Gefühlen wie Scham, Peinlichkeit oder Verlegenheit (Blush). Bei einigen Menschen ist die Furcht vor dem Erröten so stark, dass sie Krankheitswert erreicht: Erythrophobie ist in der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10) als spezifische Angststörung aufgeführt.

 

Menschen mit Erythrophobie laufen bereits bei geringster psychischer Belastung rot an. Die Röte erstreckt sich über das Gesicht, teilweise auch über Hals und Nacken, die Ohren sowie den Oberkörper. Etwa 1 Prozent der Bevölkerung leidet an dieser Phobie. Die massive Errötungsangst kann dazu führen, dass Betroffene den Kontakt mit anderen Menschen vermeiden und sich völlig zurückziehen. In einer Verhaltenstherapie können Erythrophobiker lernen, mit ihrer Angst umzugehen.

 

Psychische Belastung wie Angst, Schmerz oder Stress kann auch zu übermäßigem Schwitzen (Hyperhidrose) führen. Dieses emotionale Schwitzen tritt in den Achselhöhlen, an den Füßen und besonders stark an den Handtellern auf. Etwa 1 bis 2 Prozent der Bevölkerung sind betroffen. Der Schweißfluss kann so stark sein, dass der Schweiß von den Achseln und Händen tropft.

 

Auch diesen Patienten kann eine Psychotherapie helfen. Weitere Behandlungsmöglichkeiten sind die Gabe von Tranquillanzien, die Iontophorese mit Leitungswasser, bei der Wasser mithilfe eines schwachen galvanischen Stroms durch die Haut geschleust wird, sowie die Injektion von Botulinum­toxin. Ultima Ratio sowohl bei der Erythrophobie als auch bei der Hyperhidrose ist die chirurgische Durchtrennung des Sympathikus (Sympathektomie).

 

Abgesehen von diesen Extremfällen sind leichtes Erröten und Schwitzen natürliche Reaktionen auf psychische Anspannung. Eine unsichtbare Reaktion der Haut ist die sogenannte elektrodermale Aktivität (EDA), eine Änderung der Leitfähigkeit der Haut. Diese steigt bei psychischer Erregung, was sich mit zwei in geringem Abstand zueinander auf die Haut aufgeklebten Elektroden messen lässt (Kasten).

 

Unwillkürliches Schwitzen spielt dabei eine zentrale Rolle. Allerdings fließt der Strom nicht, wie häufig fälschlich angenommen, durch den Schweiß auf der Hautoberfläche. Die Leitwertveränderung ist nämlich bereits vor dem Schweißaustritt messbar. Verantwortlich für die EDA ist vielmehr eine Durchfeuchtung der im trockenen Zustand nur schlecht leitenden Epidermis durch Schweiß, der aus den Ausführungsgängen der Schweißdrüsen in die Oberhaut diffundiert. Die mit Flüssigkeit gefüllten Schweißdrüsen und ihre Ausführungsgänge stellen darüber hinaus eine elektrische Verbindung zwischen den Messelektroden und der elektrisch sehr gut leitenden Dermis her. /

Der Lügendetektor

Der wohl bekannteste Apparat zur Registrierung der elektrodermalen Aktivität (EDA) ist der sogenannte Lügendetektor. Dabei handelt es sich um ein Gerät, das neben der EDA auch andere körperliche Vorgänge wie Blutdruck, Puls- und Atemfrequenz misst, die der Untersuchte nicht willentlich beeinflussen kann. Da ein Lügendetektor mehrere Messwerte gleichzeitig aufzeichnet, lautet sein wissenschaftlicher Name Polygraf. Sein Einsatz im Rahmen von kriminalistischen Ermittlungsverfahren beruht auf der Annahme, dass Menschen beim Lügen mindestens geringfügig nervös werden. Die erhöhte Erregung eines Verdächtigen bei der Befragung soll sich auf das Messergebnis niederschlagen. Ob der Grund für die gemessenen Erregungsunterschiede Schuldbewusstsein ist oder die Angst eines Unschuldigen, fälschlich verdächtigt zu werden, kann der Polygraf jedoch nicht unterscheiden. In Deutschland sind polygrafische Untersuchungen als Beweismittel vor Gericht daher verboten.

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