Auf zum Mond! |
03.12.2013 17:49 Uhr |
Der Wettlauf um die Erforschung des Gehirns hat begonnen: Innerhalb weniger Wochen verkündeten in diesem Jahr die Europäische Union den Start der Forschungsinitiative »Human Brain Project« und die USA den Start der »BRAIN Initiative«. Beide Projekte sind auf zehn Jahre ausgelegt und können auf Milliarden Euro beziehungsweise Dollar an Fördergeldern hoffen. Das Ziel ist in beiden Fällen, das menschliche Gehirn im Detail zu verstehen, wenn auch mit unterschiedlichen Herangehensweisen. So soll das EU-Projekt das menschliche Gehirn simulieren, die Amerikaner wollen die neuronale Aktivität kartieren (lesen Sie dazu Gehirnforschung: Schauen, was im Kopf passiert). Das sind Mammutaufgaben, eine Art neurowissenschaftliche Mondlandung.
Großprojekte dieser Art, ähnlich dem Humanen Genom-Projekt, wecken Hoffnungen auf neue Erkenntnisse, neue Therapieansätze und neue Medikamente. Doch die beiden Projekte sind sehr ambitioniert, eventuell zu ambitioniert aus Sicht von Kritikern, und ihr Ausgang ungewiss. Für die Hirnforschung stellen sie in jedem Fall eine enorme Chance dar, das Wissen zu erweitern. Und das wird höchste Zeit. Denn obwohl der Mensch schon auf dem Mond war, ist er weit davon entfernt zu verstehen, was genau in seinem Gehirn vor sich geht.
Die Investitionen in die Hirnforschung werden nicht nur helfen, so elementare Fragen wie »Was macht Intelligenz aus?« oder »Wie entstehen Gefühle?« zu beantworten. Ein Schub in der Hirnforschung ist vor allem auch nötig, um die Pathologie neurologischer und psychischer Erkrankungen zu verstehen. Deren Pathogenese ist noch in keinem Fall vollständig aufgeklärt, obwohl Forscher hier und dort Puzzleteile zusammentragen. Damit sind auch kausale Therapien nicht in Sicht, die angesichts der Krankheitslast aber dringend nötig wären.
Psychische Erkrankungen wie Depression, Angstzustände oder somatoforme Störungen sind ausgesprochen häufig und nehmen tendenziell zu. Auch von neurologischen Erkrankungen wie Morbus Alzheimer, Parkinson, Epilepsie oder Multiple Sklerose (MS) sind Millionen Menschen in Deutschland betroffen. Die aktuellen Behandlungsoptionen bei MS stellen wir Ihnen im Titelbeitrag dieses Schwerpunkthefts »Gehirn und Psyche« vor. Weitere Themen sind die medikamentöse Therapie bipolarer Störungen (Therapie der bipolaren Störung: Medikamente sind nur ein Baustein), Medikationsmanagement bei psychisch Kranken (Interdisziplinäre Zusammenarbeit: Psychiatrischen Patienten gemeinsam helfen), eine Übersicht zu verschiedenen Formen der Psychotherapie (Psychotherapie: Kassen erstatten nicht alle Verfahren), neue Versorgungsformen für psychische Erkrankungen (Zuwendungen: Industrie beschließt Transparenzkodex) und der aktuelle Kenntnisstand in der Gliazellforschung (Gliazellen: Mehr als Nervenkitt).
Christina Hohmann-Jeddi
Ressortleitung Medizin