Pharmazeutische Zeitung online
Steuertipp

Digitale Betriebsprüfung bei Apotheken

09.11.2010  14:51 Uhr

Von Oliver Schmitz / Jedem selbstständigen Apotheker dürfte der Begriff der digitalen Betriebsprüfung inzwischen geläufig sein, auch wenn er damit noch keine praktischen Erfahrungen machen musste. Denn diese Prüfungsmöglichkeit der Finanzverwaltung besteht rechtlich schon seit dem Jahr 2002, und Steuerberater und Softwareanbieter haben seither viel darüber berichtet. Doch konkrete Auswirkungen entfaltet die digitale Betriebsprüfung bei Apotheken erst seit Kurzem. Denn die Finanzämter brauchten Zeit, um ihre Prüfer zu schulen. Eine erste Bestandsaufnahme.

Für eine digitale Betriebsprüfung benutzt die Finanzverwaltung eine Software, die ursprünglich vom Kanadischen Rechnungshof stammt und unter der Bezeichnung Idea bekannt ist. Mittlerweile hat die Finanzverwaltung diese Software um spezielle Analyseprogramme ergänzt und damit die Möglichkeit geschaffen, in kurzer Zeit eine Vielzahl von Daten auf ihre Plausibilität zu prüfen. Die Folge: Fehler in den Aufzeichnungen einer Apotheke sind viel leichter festzustellen als früher.

Die Prüfer haben mehrere Möglichkeiten, auf die Daten einer Apotheke zuzugreifen: Sie können direkt die Hard- und Software der Apotheke inklu­sive deren Auswertungsfunktionen nutzen. Sie können aber auch verlangen, dass der Apotheker beziehungsweise ein von ihm Beauftragter die Auswertungen nach den Anweisungen des Betriebsprüfers macht. In der Regel lassen sich die Finanzbeamten aber steuerrelevante Daten aushändigen, um sie auf ihrem Rechner mit einer eigenen Prüfsoftware zu analysieren.

 

Definition der relevanten Daten fehlt

 

Problematisch ist für jeden Apotheker und seinen Steuerberater, dass weder der Gesetzgeber noch die Finanzverwaltung den Umfang der prüfungs­relevanten Daten eingrenzt. Nach Auffassung des Bundesfinanzministeriums sind steuerlich rele­vant alle Daten, die für die Besteuerung des Un­ternehmers von Bedeutung sein können. Ent­sprechend weit dehnen Prüfer die Datenanforde­rungen aus.

 

Die Software von Warenwirtschaftsanbietern lässt in der Regel eine Selektion zu, sodass der Prüfer nicht den gesamten Datenbestand bekommen muss. Es empfiehlt sich daher, kritisch zu prüfen, welche Daten auf die Finanzamts-CD gebrannt werden.

 

Warenwirtschaftsanbieter verweisen in diesem Zusammenhang oft auf die Prüfungskompetenz von Steuerberatern. Das weckt bei vielen Apothekern die Hoffnung, der Steuerberater könne den notwendigen Datenbestand rechtssicher definieren. Ein seriöser Berater wird diesen Wunsch jedoch nicht erfüllen. Er sollte aber mit dem Prüfer diskutieren, wenn dieser Daten anfordert, deren steuerliche Relevanz bezweifelt werden kann. Was zu den steuerlich relevanten Daten zählt, wird erst die Rechtsprechung klären. Einigkeit besteht aber darin, dass die Finanzbeamten die Warenwirtschaftsdaten einschließlich der damit verbundenen Kassendaten digital prüfen können.

Dabei gehen die Prüfer in der Regel so vor, dass sie zunächst einmal alle Daten durch die von der Finanzverwaltung entwickelten Prüfroutinen laufen lassen, die die Idea-Software bietet. Das kann zum Beispiel Lücken bei den gespeicherten Beleg- oder Rechnungsnummern aufspüren und zeigen, ob dieselben Kontodaten verschiedenen Personen zugeordnet wurden. Umsätze an Sonn- und Feiertagen lassen sich auch nach Datum sortieren und vergleichen. Stellt der Beamte Auffälligkeiten fest, sind sie ein Anlass für eine vertiefte Prüfung und gezielte Nachfragen.

 

Beamte kennen Apothekenabläufe

 

Betriebsprüfer können aber auch jeden einzelnen Vorgang der Warenwirtschaft einschließlich der damit verbundenen Kassendaten ansehen, analysieren und hinterfragen, indem sie zum Beispiel bei Korrekturen des Warenbestands die dazugehörigen Stornobelege verlangen. Es zeigt sich mittlerweile, dass Finanzbeamte die Apotheken-EDV und die Betriebsabläufe zum Teil gut kennen und deshalb Programmabläufe des EDV-Systems hinterfragen, wenn sich deren Sinn nicht auf den ersten Blick erschließt.

 

Als problematisch erweist sich immer wieder der Abgleich zwischen den Daten der Finanzbuchhaltung des Steuerberaters und den Daten, die die Warenwirtschaft erzeugt und archiviert hat. Treten hier Differenzen auf, vermuten Betriebsprüfer schnell, dass nicht alle umsatzrelevanten Warenbewegungen in die Finanzbuchhaltung eingegangen sind. In diesen Fällen kann oft nur der Warenwirtschaftsanbieter Aufklärung bringen, da er seine Programmierung bis ins Kleinste kennt. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass derartige Differenzen oft unaufklärbar bleiben. Eine solche Situation versuchen Betriebsprüfer häufig zu nutzen, indem sie Umsätze hinzuschätzen wollen, was mehr Einkommensteuer, mehr Gewerbesteuer und mehr Umsatzsteuer für den betroffenen Apotheker bedeutet.

 

Zwar kann der Steuerberater die Höhe der Hinzuschätzung oft noch verhandeln, ein völliger Verzicht ist aber selten ohne einen längeren Rechtsstreit zu erreichen. Meistens kommt es daher zu einer Einigung mit dem Betriebsprüfer über eine akzeptable Hinzuschätzung.

 

Simulationen machen wenig Sinn

 

Um sich vor unliebsamen Überraschungen bei einer Prüfung zu wappnen, gibt es Simulationsprogramme. Angeboten, die versprechen, das Ergebnis einer Prüfung vorwegnehmen zu können, ist aber mit Vorsicht zu begegnen. Zwar wird der Dienstleister, der solche Programme anbietet, seine Analyse auch mit der Prüfsoftware Idea vornehmen; er verfügt aber weder über den gleichen Erfahrungsschatz wie die Finanzverwaltung, noch kann er die Gedanken des Betriebsprüfers simulieren. Ein identisches Ergebnis von Dienstleister und Finanzbeamtem wäre purer Zufall. Zudem hängt das Ergebnis eine Prüfung nicht nur von mathematischen Analysen ab. Das Ergebnis einer Betriebsprüfung prägen vielmehr auch verschiedene Rechtsauffassungen, die in eine reine Datenanalyse nicht einfließen können. Unter diesen Gesichtpunkten gilt abzuwägen, ob wirklich Bedarf an einer Betriebsprüfungssimulation besteht und die Kosten den Nutzen rechtfertigen.

 

Fazit: Alles in allem scheint es am besten zu sein, auf die Qualität der eigenen steuerlich relevanten Daten zu achten. Dazu gehört auf jeden Fall, dass das verwendete Warenwirtschaftssystem den Grundsätzen ordnungsmäßiger datenverarbeitungsgestützter Buchführungssysteme entspricht, wie sie die Finanzverwaltung bereits in einem Erlass aus dem Jahr 1995 beschrieben hat. Demnach müssen alle steuerlich relevanten Einzeldaten unveränderbar und vollständig aufbewahrt werden. Das bestätigt auch ein aktueller Entwurf der Finanzverwaltung zur Aufbewahrung digitaler Unterlagen bei computergestützten Kassensystemen. Stellt ein Betriebsprüfer das Gegenteil fest, ist dies das Einfallstor für Hinzuschätzungen und kann sogar bis zum Vorwurf der Steuerhinterziehung führen. /

Mehr von Avoxa