Biologische Uhr aus dem Takt |
28.09.2010 17:10 Uhr |
Von Mada Chahoud / Die innere Uhr ist an der Entstehung von Übergewicht und Diabetes beteiligt. Den zugrunde liegenden Mechanismus haben nun US-amerikanische Biologen genauer untersucht: Das Protein Cryptochrom reguliert nicht nur den Schlaf-Wach-Rhythmus, sondern auch die Gluconeogenese in der Leber.
Cryptochrome, die erstmals bei Pflanzen entdeckt wurden, sind Flavoproteine, die als Fotorezeptoren für blaues Licht fungieren und die biologische Uhr regulieren. In Tieren befinden sie sich unter anderem im Suprachiasmatischen Nukleus (SCN), einem Kerngebiet im Gehirn, der als Sitz der »inneren Uhr« gilt. Dass dieses Protein nun auch eine regulatorische Funktion auf die Glucose-Produktion in der Leber hat, ist laut den Forschern überraschend. »Bis jetzt war Cryptochrom als ein intrazelluläres Protein bekannt, das Gene rhythmisch ein- und ausschalten kann. Was wir zeigen konnten, ist, dass Cryptochrom auch eine Rolle außerhalb des Zellkerns spielt«, sagte Eric E. Zhang von der Division of Biological Sciences an der University of California, San Diego, in einer Pressemitteilung. Das Forscherteam um Zhang veröffentlichte seine Ergebnisse im Fachjournal »Nature Medicine« (doi: 10.1038/nm.2214).
Wann wir schlafen oder wach sind, wird von der inneren Uhr reguliert. Die ist auch an der Glucosehomeostase beteiligt.
Foto: Fotolia/Drubig
Von Untersuchungen an Mäusen war bekannt, dass Tiere, deren biologische Uhr schlecht arbeitet, zu Diabetes und Adipositas neigen. Auch Schichtarbeiter, bei denen die unregelmäßigen Arbeitszeiten die innere Uhr durcheinanderbringen, weisen ein erhöhtes Risiko für Diabetes und Übergewicht auf. Zhang und seine Kollegen fanden in Versuchen an fastenden und insulinresistenten Mäusen heraus, dass Cryptochrom über das Signalmolekül cAMP die Aktivität des Proteins Creb (cAMP response element-binding protein) steuert. Dieses wird rhythmisch in der Leber gebildet. Beim Fasten scheint Cryptochrom die Aktivität von Creb zu hemmen und damit die Gluconeogenese zu vermindern, schreiben die Forscher. Das Geschehen während des Fastens ließe sich auf den Organismus während der Nacht übertragen. Normalerweise wird hier die benötigte Glucose vom Körper durch Neubildung in der Leber bereitgestellt, die durch die Hormone Glukagon und Epinephrin aktiviert wird. Cryptochrom scheint hier modulierend zu wirken. »Bislang dachte man, dass der Stoffwechsel hauptsächlich durch Hormone gesteuert wird. Nun wissen wir, dass die biologische Uhr einen großen Einfluss darauf hat, wie gut die Hormone funktionieren«, sagt Marc Montminy, einer der Co-Autoren. Wie wichtig diese Modulation ist, zeigte sich in einem weiteren Experiment mit insulinresistenten Mäusen: Eine Überexpression von Cryptochrom in der Leber konnte die Blutglucosekonzentration senken und die Insulinansprechbarkeit der Tiere verbessern.
Diese Verbindung von Tag-Nacht-Rhythmus und Regulation des Glucosespiegels lässt neue Ansätze in der Therapie von Adipositas und Diabetes zu, hoffen die Forscher. Sie wollen untersuchen, ob Cryptochrom noch weitere Effekte auf die Leber und andere Gewebe hat. /