Securpharm sorgt für mehr Sicherheit |
06.09.2011 14:15 Uhr |
Von Uta Grossmann, Berlin / Zur Abwehr von gefälschten Arzneimitteln haben sich Apotheker, Arzneimittelhersteller und Pharmagroßhändler zu der Initiative Securpharm zusammengeschlossen. Sie entwickeln gemeinsam ein Sicherheitssystem, das Arzneimittelfälschungen in der legalen Vertriebskette in den Apotheken auffliegen lässt.
Der designierte Geschäftsführer von Securpharm, Dr. Reinhard Hoferichter, sagte bei der Präsentation der Initiative in Berlin, dass 2013 ein Pilotversuch starten soll. Dabei statten mehrere Arzneimittelhersteller die Packungen ausgewählter rezeptpflichtiger Arzneimittel mit einem Data-Matrix-Code aus, wie er bei Bahntickets gängig ist. Der Code enthält eine individuelle Seriennummer, die in einer Datenbank gespeichert wird. Die am Pilotversuch teilnehmenden Apotheken werden mit Data-Matrix-Scannern ausgestattet, mit denen der Code gelesen werden kann.
Der Data-Matrix-Code auf der Arzneimittelpackung enthält eine individuelle Seriennummer. In der Apotheke wird der Code gescannt und die Seriennummer über eine Datenbank abgefragt.
Foto: Securpharm
Der Apotheker scannt den Code auf der Packung. Die Seriennummer wird abgefragt: Ist sie beim Hersteller unbekannt oder schon einmal abgegeben worden, wird der Apotheker gewarnt. Die Packung darf nicht verkauft werden, denn sie ist möglicherweise gefälscht.
Der Datenschutz soll sichergestellt werden, versprach Hoferichter, der Apotheker ist und bei Sanofi Aventis arbeitet. Weder bekommt die Industrie Zugang zu Patientendaten, noch die Apotheke Zugang zu Industriedaten, die sie bisher noch nicht hatte, sagte er. Auch sei nicht nachzuvollziehen, welche Apotheke eine Packung mit einer bestimmten Seriennummer abgegeben hat.
Die Initiative Securpharm soll helfen, die EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Arzneimittelfälschungen in deutsches Recht umzusetzen, die im Juli in Kraft getreten ist. Beteiligt sind die ABDA – Bundesvereinigung deutscher Apothekerverbände, der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH), der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI), Pro Generika, der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (VFA) und der Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (Phagro).
Dass alle Marktbeteiligten zusammenarbeiten, ist durchaus bemerkenswert und zeigt den Stellenwert des Themas Arzneimittelfälschungen. Die Arzneimittel-Importeure sind nicht im Boot, aber Hoferichter lud sie ausdrücklich zur Mitwirkung ein. Securpharm habe nicht die Absicht, den Parallelhandel zu behindern, sagte er.
Künftig wird jede Arzneimittelpackung in der öffentlichen Apotheke vor den Augen des Patienten verifiziert. Wie der Versandhandel, bei dem dieser direkte Kontakt nicht stattfindet, das handhaben soll, ist noch nicht geklärt. Theoretisch könnte der Versandhandel gefälschte Packungen mit dem Data-Matrix-Code in Verkehr bringen, ohne dass es jemand merkt, sagte Hoferichter der Pharmazeutischen Zeitung.
Versandhandel und Verblisterer
Probleme sieht er auch bei den Verblisterern. Eigentlich müsste in Zukunft jeder Blister einen Data-Matrix-Code tragen. Auf jeden Fall soll sichergestellt werden, dass sowohl Versandhandel als auch Verblisterer die Arzneimittel in Zukunft anhand der neuen Seriennummer verifizieren.
Zwar tauchen in der legalen Lieferkette vom Hersteller über Großhandel und Apotheke bis zum Endverbraucher in Deutschland selten gefälschte Arzneimittel auf. Im Jahr 2010 gaben Apotheker 1,4 Milliarden Packungen ab. Die polizeiliche Kriminalstatistik weist für 2010 neun Fälle auf, in denen gefälschte Arzneimittel in der legalen Kette in Verkehr gebracht wurden.
Doch es gibt eine Dunkelziffer, weil es schwierig ist, Fälschungen aufzudecken – insbesondere bei Fälschungen der Packung, wenn etwa ein für ein Krankenhaus bestimmtes Arzneimittel umgepackt wird und wieder in den Vertrieb gelangt. Auch diese Fälle zählen nach der neuen EU-Richtlinie als Fälschungen.
Umsetzung nicht vor 2016
Die Technologie für die Sicherheitsmerkmale zur Überprüfung der Echtheit des Arzneimittels und zur Identifizierung einzelner Packungen muss allerdings noch entwickelt werden. Wie sie genau aussehen soll, wird in sogenannten delegierten Rechtsakten der EU-Kommission geregelt, die die EU-Richtlinie präzisieren. Das wird noch zwei bis drei Jahre dauern. Mit der Umsetzung in den Apotheken ist nicht vor 2016 zu rechnen.
Bei Securpharm arbeiten die Marktbeteiligten zusammen: Lothar Jenne (Phagro), Dr. Rheinhard Hoferichter (Sanofi Aventis), Dr. Peter Homann (DAV), Christian Riediger (Bayer Pharma), Dr. Ulrich Vorderwüllbecke (VFA) und Dr. Hermann Kortland (BAH) (von links).
Foto: PZ/Zillmer
Hoferichter sagte, dass es zwei Sicherheitsmerkmale geben soll: ein individuelles Erkennungsmerkmal, die randomisierte Seriennummer, wahrscheinlich im Data-Matrix-Code. Und ein Anti-Manipulationsmerkmal, etwa Klebepunkte, Klebesiegel, eine Zellophanhülle oder perforierte Öffnungslaschen, um sicherzustellen, dass die äußere Umhüllung nicht manipuliert worden ist. Die Sicherheitsmerkmale müssen verschreibungspflichtige Arzneimittel tragen, mit Ausnahme von jenen, für die kein Fälschungsrisiko festgestellt wurde und die in der sogenannten »white list« (weißen Liste) aufgeführt werden.
Für Medikamente zur Selbstmedikation gilt, dass sie die Sicherheitsmerkmale nicht tragen müssen. Auch hier gibt es Ausnahmen, nämlich OTC-Arzneimittel, für die ein Fälschungsrisiko festgestellt wurde, und die in der »black list« (schwarzen Liste) genannt werden. Die Listen müssen noch entwickelt werden.
Auf die Apotheker kommen für die technische Umrüstung Kosten zwischen 1000 und 1500 Euro pro Apotheke zu, sagte der Vorsitzende des Hessischen Apothekerverbands und stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands (DAV), Dr. Peter Homann. Den Großteil der Kosten muss die Industrie schultern. Hoferichter schätzt, dass sechsstellige Beträge für die Umrüstung jeder Fertigungsstraße auf den Data-Matrix-Code fällig werden.
Russisches Roulette
Securpharm sichert ausschließlich die legale Vertriebskette. Der Versandhandel übers Internet ist davon nicht betroffen. Bei Internetversendern einzukaufen, sei ohnehin »russisches Roulette«, befand VFA-Sprecher Dr. Rolf Hömke in Anspielung auf die hohe Zahl von Arzneimittelfälschungen, die über illegale Vertriebswege auch nach Deutschland gelangen. /
Von Uta Grossmann / Was kommt auf die Apotheken zu, wenn die EU-Richtlinie zum Schutz vor Arzneimittelfälschungen in nationales Recht umgesetzt wird? Der designierte Geschäftsführer von Securpharm, Dr. Reinhard Hoferichter, nahm dazu gegenüber der Pharmazeutischen Zeitung Stellung.
PZ: Herr Dr. Hoferichter, auf welche technische Umrüstung müssen sich die deutschen Apotheker einstellen?
Hoferichter: Das sind im Wesentlichen die neuen Scanner, die in der Lage sind, den Data-Matrix-Code lesen zu können. Solche Scanner werden von den Technikpartnern schon jetzt angeboten. Sie können in der Regel über die Software vom Strichcode auf den Data-Matrix-Code umgestellt werden. Die Apotheken, die sich ohnehin ständig auf dem neuesten technischen Stand halten, werden also kaum Zusatzinvestitionen haben. Apotheken, die mit diesen Investitionen bisher zurückhaltend waren, müssen in die neue Technologie investieren.
PZ: Welche Kosten kommen auf die Apotheker zu?
Hoferichter: Einen Betrag zwischen 1000 und 1500 Euro pro Apotheke für Scanner und Apothekensoftwareaktualisierung halte ich für realistisch, je nach den technischen Voraussetzungen.
PZ: Wann geht es los?
Hoferichter: Für die Apotheker, die an dem Securpharm-Modellprojekt teilnehmen wollen, Anfang 2013. Und für alle Apotheken dann, wenn die EU-Richtlinie flächendeckend umgesetzt sein muss. Das wird voraussichtlich 2016, spätestens 2017 soweit sein. Dann wird jede Arzneimittelpackung in Deutschland ein Original sein, das in der Apotheke verifiziert werden muss. /