Sicher abgeben trotz Alarm |
Beim Scannen der Bestandware kann das neue System unter Umständen Alarm schlagen. In bestimmten Fällen dürfen Apotheker das Arzneimittel nach einer Prüfung aber trotzdem abgeben. / Foto: Adobe Stock/DragonImages
Eigentlich sind die Abläufe nicht weiter kompliziert: Ab sofort müssen rezeptpflichtige Arzneimittel und bestimmte Omeprazol-haltige OTC-Präparate grundsätzlich eine individuelle Seriennummer tragen, wenn sie neu auf den Markt kommen. Diese ist auf der Packung in einem sogenannten Data-Matrix-Code hinterlegt. Bevor er das Präparat an den Patienten abgibt, scannt der Apotheker den Code und stellt damit eine Abfrage an das System. Ist die Seriennummer dort unbekannt oder wurde schon einmal ausgebucht, könnte das Medikament gefälscht sein und darf nicht an den Patienten gehen. Das Präparat müsste dann zur weiteren Klärung zunächst einmal in Quarantäne kommen.
Trotz dieses strukturierten Verfahrens hatte sich bereits im Vorfeld des 9. Februar abgezeichnet, dass es auch in Deutschland etwas holpern könnte, wenn die europäische Fälschungsschutz-Richtlinie in den einzelnen Mitgliedstaaten in Kraft tritt. Denn zunächst wird noch ein Großteil der Arzneimittel ohne die neuen Sicherheitsmerkmale in Umlauf sein. Apotheker können diese Bestandsware weiterhin regulär abgeben, in einigen Fällen allerdings kann das System Alarm schlagen und damit für Unsicherheit sorgen. Die Initiative Securpharm, die in Deutschland hinter dem neuen Fälschungsschutz steht, hat kurz vor dem Startschuss daher einen aktualisierten Leitfaden veröffentlicht. Darin beschreibt sie die potenziellen Konflikte und spricht Empfehlungen aus, wie Apotheker sich in der Anlaufphase des neuen Systems verhalten sollen.
In den allermeisten Fällen dürfte die Sache eindeutig sein, weil viele Packungen schlichtweg noch keinen neuen Code tragen. Der Apotheker scannt dann wie bislang auch den regulären PZN-Strichcode und prüft, ob es sich tatsächlich um Bestandsware handelt, bevor er das Präparat aushändigt. Zu Problemen könnte es jedoch kommen, wenn Bestandsware mit einem Data-Matrix-Code auftaucht. Dabei handelt es sich etwa um Packungen, die im Rahmen der Securpharm-Testphase auf den Markt gekommen sind. Sie tragen eine Art Vorstufe der seit Samstag gültigen Codes – und können daher einen Alarm auslösen, wenn sie der Apotheker scannt.
Die EDV kann in diesen Fällen verschiedene Fehlermeldungen ausspucken. In dem Leitfaden hat Securpharm vier konkrete Problemfälle im Umgang mit entsprechender Bestandsware aufgelistet. So könnte das System etwa Seriennummer oder Charge als unbekannt ausweisen. Die Handlungsempfehlung für den Apotheker ist dabei immer die gleiche: »Sollte eine sorgfältige Überprüfung keine Auffälligkeiten ergeben, die auf eine Fälschung hinweisen, kann die Packung abgegeben werden.« In diesen Fällen muss das Arzneimittel also nicht zur Seite gelegt werden.
Darüber hinaus können Apotheker auch mithilfe des Verfalldatums prüfen, ob es sich um Bestandsware handelt und der Data-Matrix-Code damit ungültig ist. So müssen die Hersteller für jede PZN das Verfalldatum der ersten Charge melden, die unter die Regelungen der neun Fälschungsschutz-Richtlinie fällt. Liegt das Ablaufdatum der jeweiligen Packung vor diesem gemeldeten Grenzwert, handelt es sich um Bestandsware und kann »entsprechend ohne zwingende Verifikation auch abgegeben werden«, heißt es. Laut Securpharm ist die Information zur ersten Charge grundsätzlich in der EDV im ABDA-Artikelstamm hinterlegt. Sofern das Softwarehaus diesen Service anbietet, werden die Daten demnach zudem automatisch beim Scannen der Packung sichtbar.
Erscheint auf dem Bildschirm eine andere Fehlermeldung als eine der im Leitfaden genannten, muss der Apotheker das Arzneimittel in jedem Fall zur Seite legen und gesondert lagern. Der Hersteller erhält dann eine Meldung und hat sieben Tage Zeit, den Fall zu untersuchen. Kommt innerhalb dieser Frist keine Entwarnung, müssen Apotheker den Verdacht auf Fälschung nicht nur der zuständigen Aufsichtsbehörde, sondern auch der AMK melden. Securpharm zufolge wird die Netzgesellschaft Deutscher Apotheker zeitnah ein Portal zur Verfügung stellen, in dem die Apotheker prüfen können, ob der Hersteller den Fälschungsverdacht ausräumen konnte. In Sonderfällen gilt die Sieben-Tage-Frist indes nicht. Sollten neben der Systemwarnung weitere Indizien für eine mögliche Fälschung sprechen, müssen die zuständigen Behörden davon unmittelbar erfahren.
Keine eindeutige Empfehlung gibt es hingegen für den weiteren Umgang mit Arzneimittelpackungen in Quarantäne. In diesem Punkt gehen die Auffassungen des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) und der ABDA auseinander. So sollte das Präparat aus Sicht des BMG für die Dauer der weiteren Prüfung in der Apotheke bleiben. Nach Meinung der ABDA hingegen könnte die Apotheke die Packung alternativ auch entsprechend gekennzeichnet an den Großhandel zurückgeben. Demnach soll jeweils der Apothekenleiter entscheiden, wie im Einzelfall vorgegangen wird.
Neben dem neuen Data-Matrix-Code müssen die neuen Arzneimittelpackungen ab sofort auch einen sogenannten Erstöffnungsschutz tragen, die Apotheker prüfen müssen. Worauf dabei besonders zu achten ist, hat Securpharm in einem weiteren Faktenblatt zusammengefasst.