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Arzneimittelfälschungen

Data-Matrix-Code für mehr Sicherheit

07.08.2012  18:21 Uhr

Von Ev Tebroke / Das Sicherheitssystem Securpharm wird ab 2013 bundesweit in mehr als 300 öffentlichen Apotheken getestet. Es soll den neuen EU-Vorgaben für die Fälschungsabwehr entsprechen und den legalen Arzneimittelvertrieb noch sicherer machen. Wie nötig das ist, zeigen die zunehmenden Fälle von organisierter Arzneimittelfälschung.

Das war ein erfolgreicher Coup: In China sind der Polizei aktuell fast 2000 Personen im Zuge einer landesweiten Razzia ins Netz gegangen. Dabei wurden nachgemachte Medikamente im Wert von umgerechnet mehr als 145 Millionen Euro beschlagnahmt und rund 1100 Produk­tionsstätten zerstört.

Ein großer Schlag gegen die Arzneimittelfälscher, der aber nur annähernd verdeutlicht, welche Ausmaße der weltweite Handel mit gefälschten Arzneimitteln mittlerweile angenommen hat. Und der illegale Markt wächst weiter, bietet er den Kriminellen doch noch weitaus höhere Gewinnmargen als der Drogenhandel. Entsprechende Schutzmaßnahmen wie das Sicherheitssystem Securpharm, eine Initiative von Apothekern, Arzneimittelherstellern und Großhändlern (siehe Kasten), sollen Patienten zukünftig die Originalität von Medikamenten garantieren.

 

Größtes Einfallstor für gefälschte Arzneimittel ist nach wie vor das Internet. Nach Angaben der Weltgesundheits­organisation sind bereits mehr als die Hälfte aller über illegale Internetversender verkauften Medikamente gefälscht. Arzneimittel sind auch die am meisten gefälschten Produkte, die an den EU-Grenzen aufgefunden wurden, so EU-Fahnder. Doch nicht nur auf illegalen Wegen, sondern auch in der legalen Vertriebskette vom Pharmahersteller über Großhändler bis hin zum Apotheker können Fälschungen eingeschleust werden. In Bezug auf Deutschland sind laut Aussagen des Bundes­kriminalamts im Zeitraum von 1996 bis 2008 insgesamt 40 Fälle von Arzneimittelfälschungen in der legalen Verteilerkette bekannt geworden. Bei den meisten dieser Fälschungen handelte es sich um illegale Reimporte, bei denen die Primär- und Sekundärver­packungen gefälscht waren, die Wirkstoffe und Zusammensetzungen der Medikamente aber dem Original entsprachen. 2010 wurde diesbezüglich in vier solchen Fällen ermittelt.

 

Das scheint nicht viel, theoretisch könnten Fälschungen aber auch unbemerkt in den Umlauf kommen, wie Dr. Peter Homann, Vorsitzender des Hessischen Apothekerverbandes, bemerkt. Als Beispiel nennt er den Fall mit dem mittlerweile nicht mehr am Markt befindlichen Magenmittel Tagamet (Cimetidin). Damals seien Klinikpackungen ausgeeinzelt worden, und Kriminelle hätten kleine Packungen nachdrucken lassen. Aufgefallen sei der Betrug schließlich nur, weil die Druckerei beim Hersteller anrief, um das Verfalldatum zu erfragen. Die Fälschung sei dann gar nicht erst in den Handel gekommen. »Solche Fälle sind mit dem geplanten Sicherheitssystem künftig unmöglich«, versichert Homann.

 

Jede Packung wird identifiziert

 

Martin Bergen, Projektbeauftragter von Securpharm, erklärt: »Das System hat das Ziel, die Echtheit jeder einzelnen Arzneimittelpackung in der Apotheke zu überprüfen und so nötigenfalls gefälschte Packungen abzufangen, ehe sie den Patienten erreichen. Es soll den neuen Vorgaben der EU für die Fälschungs­abwehr entsprechen und – wenn es später flächendeckend eingeführt wird – sicherstellen, dass Patienten dauerhaft eine sichere Quelle für Medikamente behalten.« Dazu sollen zukünftig die Arzneimittelpackungen mit einem speziellen Data-Matrix-Code ausgestattet sein. Das ist ein zweidimensionaler Code, wie man ihn beispielsweise bereits von den Online­tickets der Deutschen Bahn kennt. Hierin sind alle relevanten Daten zur Identifizierung jeder einzelnen Packung enthalten: die Produktnummer, die Chargenbezeichnung, das Verfalldatum und die vom Hersteller nach dem Zufallsprinzip generierte Seriennummer. Der Hersteller speichert diese individuellen Packungsdaten parallel in einer Datenbank, auf die die Apothekensoftware dann anonymisiert zugreift.

 

Wird vor Herausgabe eines Medikaments an einen Patienten der Packungscode gescannt, erfolgt zunächst die Abfrage im Datenbank-System. Ist das Produkt registriert, wird das System bestätigt und die Packung in der Datenbank als abgegeben vermerkt. Wird jedoch ein unbekannter oder ein bereits zuvor von einer Apotheke als abgegeben deklarierter Packungscode abgefragt, erhält der Apotheker eine Warnung vom System, dass ein Fälschungsverdacht vorliegt.

 

Bundesweiter Pilotversuch ab 2013

 

Ab Januar 2013 soll Securpharm in einem bundesweiten Pilotversuch getestet werden. »Die Testphase ist auf drei Monate ausgelegt, die teilnehmenden Apotheken können aber danach weiter mit dem System arbeiten«, sagt Ho-mann. »2017 soll dann, wie von der EU-Richtlinie festgelegt, der flächendeckende Einsatz gewährleistet sein.« Bislang würden mehr als 300 öffentliche Apotheken an dem Test teilnehmen. Mitmachen könne jeder, der mit der neuen Software und dem speziellen Scanner ausgestattet ist. Für die technische Umrüstung müssten die Apotheker mit rund 1000 bis 1500 Euro rechnen, so Homann. Längerfristig sollen nach den öffentlichen Apotheken dann auch die Versandapotheken mit dem Sicherheitssystem arbeiten. / 

Teilnehmende Verbände

Folgende Verbände sind an Securpharm beteiligt: Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände – ABDA, Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH), Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI), Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (Phagro), Pro Generika und der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (VFA).

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