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Cannabis

Kein Joint aus der Apotheke

06.06.2018  09:38 Uhr

Der therapeutische Einsatz von Cannabis ist nicht einfach ein »Joint aus der Apotheke«. Das bekräftigte Apotheker Dr. Christian Ude aus Darmstadt. Eine Cannabis-Therapie sei komplexer und vielfältiger als das bloße Rauchen von Marihuana.

Es sei ein Fehler, alle Zubereitungen, die auf Medizinalhanf basieren, auf die Arzneipflanze zu reduzieren. »Man muss hier sehr genau unterscheiden, ob die Droge, pflanzliche Zubereitungen wie Extrakte oder die wirksamkeitsbestimmenden Pflanzeninhaltsstoffe zum Einsatz kommen«, betonte der Apotheker. Bei der pflanzlichen Droge handelt es sich um die weib­lichen Blütenstände von Cannabis sativa (zum Teil auch indica). Da diese in verschiedenen Varietäten vorkommen, enthielten Cannabisblüten je nach Sorte unterschiedliche Mengen an Δ9-Tetra­hydrocannabinol (THC), so Ude. »Der THC-Gehalt kann weniger als 1 Prozent bis hin zu 20 Prozent betragen«, sagte er. Als Applikation der Blüten kämen die Dampfinhalation sowie die Zubereitung als Tee infrage. ­Rauchen sowie eine Kalt-Inhalation über Bongs oder Kekse seien aus pharmazeutischer Sicht abzulehnen, betonte der Referent.

 

Phytopharmaka und ­Extrakte

Als Fertigarzneimittel ist das Oromukosalspray Sativex® verfügbar – »ein klassisches Phytopharmakon«. Es enthält Nabiximols, einen Extrakt aus Cannabispflanzen mit THC und Cannabidiol (CBD). Das seit Anfang 2017 verfügbare Canemes® enthält das synthetische THC-Derivat Nabilon. Dronabinol (identisch mit THC) ist als Rezeptursubstanz verfügbar und kann etwa zu Kapseln, öligen oder alkoholischen Tropfen verarbeitet werden. »Es wäre wünschenswert, dass der Arzt bei Dronabinol eine Verordnung auf Basis einer der zahlreichen NRF-Vorschriften ausstellt. Verpflichtend ist das allerdings nicht«, ­bemerkte Ude.

 

Die einzelnen Cannabistherapeutika unterscheiden sich unter anderem in ihrer Pharmakokinetik. Bei der inhalativen Anwendung, also etwa beim Vernebeln von Cannabisblüten, flutet der Wirkstoff sehr schnell an – der Pa­tient spürt bereits nach Minuten eine Wirkung – und es werden rasch hohe Wirkspiegel erreicht, die jedoch nur rund zwei bis vier Stunden anhalten. Bei der Anwendung von Nabilon wird die maximale Plasmakonzentration dagegen erst nach 60 bis 90 Minuten erreicht. »Es gilt also genau abzuwägen, welche Zubereitung, Applikationsform und Dosis für den jeweiligen Patienten am besten geeignet sind«, sagte Ude. Dabei sei die Anwendung der Blüten zumindest kritisch zu sehen. Denn der Einsatz pflanzlicher Drogen statt der isolierten wirksamkeitsbestimmenden Substanzen sei nach aktuellem Stand der Wissenschaft ein Rückschritt, nicht zuletzt aufgrund der Applikation, wie der Apotheker betonte.

 

Viele Indikationen

 

Die Liste der Indikationen, bei denen Cannabis und seine Zubereitungen wirken sollen, ist lang. »Die klinische Datenlage dazu ist allerdings mäßig und uneinheitlich«, sagte Ude. In Untersuchungen würden unterschiedliche Cannabiszubereitungen und Dosierungen eingesetzt, was die Vergleichbarkeit und Bewertung erschwert. Einigermaßen belegt sei eine Wirkung bei chronischen Schmerzen, Spasmen bei Multipler Sklerose und Paraplegie sowie bei Chemotherapie-induzierter Übelkeit und Erbrechen. Bei anderen in der Literatur beschriebenen Indikationen fehle dagegen die Evidenz. »Ein neues Wundermittel ist Cannabis also nicht.«

 

Das Wissen um Unterschiede der einzelnen Zubereitungen und die Möglichkeiten der Cannabistherapie mache Apotheker zu geschätzten Partnern für verordnende Ärzte. Denn letztlich dürfe jeder Humanmediziner, der am Betäubungsmittelverkehr teilnimmt, Cannabisblüten und Zubereitungen verordnen – wenn vor Beginn der Therapie eine Genehmigung der Krankenkasse ausgestellt wurde. Diese muss der Arzt anfordern und er darf das Rezept erst ausstellen, wenn die Genehmigung vorliegt. »Der Apotheker kann also, wenn das Rezept vorliegt, davon ausgehen, dass eine entsprechende Kostenübernahme geregelt ist«, so Ude.

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