Pharmazeutische Zeitung online
Durchfall

Wann Selbstmedikation möglich ist

03.05.2010  12:38 Uhr

Von Jörg Wittig und Romy Rudolph / Durchfall ist unangenehm und lästig. Er kann die Gesundheit aber auch massiv beeinträchtigen und die Wirkung von Arzneimitteln stören. Oft ist die Apotheke die erste Anlaufstelle für den geplagten Patienten. Das Apothekenteam muss im Einzelfall entscheiden, ob eine Selbstmedikation möglich ist.

Laut Definition gilt eine mehr als dreimal tägliche Entleerung in Form von wässrigen oder breiigen Stühlen als Diarrhö (1). Häufig sind mehrere pathogenetische Mechanismen an der Entstehung einer Durchfall­erkrankung beteiligt (Tabelle 1).

Nach einem weitverbreiteten Konzept stellt Durchfall einen Abwehrmechanismus des Körpers dar, der dadurch »toxische« Substanzen ausschleust. Diese Auffassung wird heute noch weitgehend als Argument gegen Arzneistoffe ins Feld geführt, die die Darmmotilität hemmen. Allerdings gibt es dafür keine Evidenz. Es ist schwer nachzuvoll­ziehen, wie an der Darmmucosa haftende Pathogene oder Toxine durch dünnflüssige Stuhlentleerungen nennenswert entfernt werden könnten. Sowohl bei Studien am Menschen als auch in Tierexperimenten konnte die Diarrhö keine Pathogene entfernen (2). Das Konzept ist zudem ungeeignet, um Durchfälle infolge von Diabetes oder Erregung, etwa bei Prüfungsangst, zu erklären.

 

Eine symptomatische Behandlung der Diarrhö ist unbedingt sinnvoll, denn der Leidensdruck der Patienten ist groß. Diese leiden an tempo­rärer Stuhlinkontinenz und der damit verbun­denen sozialen Unsicherheit. Angesichts der massiven Beeinträchtigung ist nicht nachzu­vollziehen, warum Patienten oder Heilberufler gelegentlich immer noch zum »Aushalten« raten und eine Therapie verzögern oder verweigern.

 

Wichtig ist aber, dass der Apotheker entscheidet, ob eine Selbstmedikation im individuellen Fall möglich ist oder nicht. Dies hängt vom Alter des Patienten, vom Auslöser der Durchfallerkrankung und der Ausprägung der Symptome ab.

 

Viral bedingte Diarrhö

 

Die weltweit häufigste Ursache für Durchfallerkrankungen bei Säuglingen und Kleinkindern ist der Befall mit Rotaviren (3). Die Krankheit ist durch Schmierinfektion leicht übertragbar und somit hoch ansteckend. Nach einer Inkubationszeit von drei bis vier Tagen kommt es zu Symptomen wie Übelkeit und Erbrechen, Durchfall und allgemeinem Krankheitsgefühl. Da das Rotavirus hauptsächlich den Dünndarm und damit den Ort der Nährstoffaufnahme befällt, ist es wichtig, durch frühe Diagnose eine Dehydrierung und damit ein steigendes Risiko für einen Krankenhausaufenthalt zu verhindern.

Tabelle 1: Ursachen für eine Diarrhö; nach (1)

Mechanismen Auslöser (Beispiele)
unzureichende Resorption osmotisch wirksamer Stoffe aus dem Darmlumen (osmotische Diarrhö) Lactasemangel, Sprue, Morbus Crohn, Mangel an Gallensäuren, Infektionen
verstärkte Sekretion von Elektrolyten und Wasser in das Darmlumen Bakterientoxine (Cholera, pathogene E. coli, Typhus, Ruhr), chemische Noxen
gesteigerte Permeabilität der Darmschleimhaut Colitis ulcerosa, Morbus Crohn, erweiterte
Tight junctions, Kontaktlaxanzien (z. B. Bisa­codyl, Natrium-Picosulfat, Zubereitungen aus Sennesblättern oder -früchten)
gestörte Darmmotilität Schreck, Erregung oder Stress

Dank guter medizinischer Versorgung ist die Virusinfektion in Deutschland nicht lebensgefährlich. Jedoch kann eine einfache Schluckimpfung mit lebenden attenuierten humanen Rotaviren vielen Kindern und Eltern eine Menge Leid ersparen. In Entwicklungsländern dagegen ist die Impfung sogar überlebenswichtig. Daher empfahl die WHO im Juni 2009 die Vakzine für die ganze Welt (4). Babys können die Impfung schon ab der vollendeten 6. Lebenswoche bekommen und sind ab dem letzten »Schluck« geschützt.

Während die Schluckimpfung in Sachsen ab dem 1. Januar 2010 in den Impfkalender aufgenommen wurde, gibt es noch keine Empfehlung der STIKO (Dezember 2009). Dies ist jedoch kein Votum gegen den Impfstoff. Eine solche Empfehlung bedeutet eine Kostenübernahme der Impfungen durch die gesetzlichen Krankenkassen; somit sind neben medizinischen Prüfungen immer auch Kosten-Nutzen-Analysen nötig (5).

 

Noroviren stellen einen weiteren weltweit verbreiteten Erreger von Durchfall­erkrankungen dar. Die Übertragung erfolgt von Mensch zu Mensch durch Schmierinfektionen (6). Das Frühjahr ist die bevorzugte Jahreszeit für den Ausbruch der Erkrankung. Die Symptome äußern sich vor allem in schwerer Gastritis mit Brechdurchfall, Kopf- und Muskelschmerzen. Die Virusinfektion ist bei gesunden Menschen nicht lebensbedrohlich. Doch bei sehr alten Patienten mit Vorerkrankungen gibt es immer wieder Todesfälle, und auch bei Kindern ist die Infektion nicht ungefährlich (7).

Da Viren gegen Antibiotika unempfindlich sind, ist die beste Therapie eine Verhinderung der Exsikkose. Vor allem die kleinen Patienten sollten sofort Wasser, Tee und Elektrolytlösungen bekommen, um sie vor zu großen Flüssigkeitsverlusten zu bewahren. Bei schweren Fällen ist frühzeitig ein Arzt zu konsultieren.

 

Hilfe bei Cholera und Co.

 

Auf Urlaubs- und Geschäftsreisen stellt die Reisediarrhö eine erhebliche Belastung für erkrankte und mitreisende Personen dar. Definiert wird sie als Abgang von mindestens drei ungeformten Stühlen pro Tag und mindestens einem der folgenden Symptome: Übelkeit, Erbrechen, Krämpfe, Fieber, Stuhldrang, abdominale Schmerzen. Häufige Auslöser sind enterotoxische Escherichia-coli-Bakterien (ETEC; 8).

Zur Therapie der unkomplizierten Reisediarrhö durch nicht-invasive Keime ist seit September 2008 in Deutschland das Breitbandantibiotikum Rifaximin, ein Rifamycin-Derivat, zugelassen. Die besondere Eigenschaft des Wirkstoffs ist die geringe Bioverfügbarkeit. Nach oraler Aufnahme wird der Wirkstoff zu maximal 1 Prozent resorbiert und liegt deshalb nahezu vollständig im Darm vor. Daher sind leichte Nebenwirkungen wie Blähungen und Bauchschmerzen eher möglich als ZNS-Störungen oder Photosensibilität (9).

 

Klinische Studien wollen nun auch die Wirksamkeit von Rifaximin gegen Cholera beweisen. Denn die seltene, aber schwerste Form der Reisediarrhö ist die Cholera. Cholerabakterien werden in Algenteppichen und Ballasttanks von Schiffen immer wieder um die Welt transportiert.

Touristen infizieren sich häufig beim Genuss von mit verseuchtem Wasser gewaschenen Lebensmitteln (10). Im Darm produzieren die Vibrionen Choleratoxine, die die Darmschleimhaut reizen. Es folgt wässriger Durchfall.

 

Die Prophylaxe beschränkt sich nicht nur auf die Einhaltung strenger Hygienemaßnahmen gemäß der Tropenregel »Cook it, boil it, peel it or forget it« (11). Seit Ende 2004 gibt es einen oralen Impfstoff. Er enthält zum einen die nicht-toxische ­B-Untereinheit des Choleratoxins und zum anderen inaktivierte Vibrio cholerae (12). Beide induzieren im Darm die Bildung von Antikörpern.

 

Zwar ist eine schwere Cholerainfektion bei Hotelreisenden eher selten, doch die Impfung kann eventuell auch vor ETEC-Bakterien schützen (13). Eine mögliche Kreuzimmunität beruht auf der strukturellen Ähnlichkeit der Choleratoxine und der Enterotoxine von ETEC-Bakterien. Doch zum Schutz vor Infektionen durch ETEC-Bakterien ist der Impfstoff nicht zugelassen. Die WHO gibt an, dass 67 Prozent der geimpften Personen auch gegen diese Bakterien geschützt sind. Jedoch sind allgemein keine aussagekräftigen Studien zu finden, und die Datenlage reicht somit nicht aus, um die Wirksamkeit genau zu beurteilen (14, 15).

Arzneimittel als Auslöser

 

Eine häufige unerwünschte Arznei­mittelwirkung (UAW) der Antibiose ist die antibiotikaassoziierte Diarrhö (AAD). Die Ursachen sind multifak­toriell. Meist liegen toxische Wirkun­gen des Antibiotikums auf den Darm sowie Veränderungen der physiologi­schen Darmflora zugrunde (16). Bei Letzterem überwuchern opportunisti­sche Keime, also Keime, die resis­tent gegen das applizierte Antibioti­kum sind, die physiologische Darm­flora. Dies kann bei immunsuppri­mierten Patienten problematisch sein.

 

Obwohl in den Packungsbeilagen jedes Antibiotikums auf die Diarrhö hingewiesen wird, scheint es Wirk­stoffe zu geben, die diese UAW deutlich häufiger hervor­rufen: Cephalosporine der 3. Generation, Breitbandpenicilline, Clindamycin, Clarithromycin in hoher Dosierung, zum Beispiel dreimal 500 mg, und Fluorochinolone. Wichtig ist auch der Zeitpunkt der Einnahme. Die in der Regel gegebene Einnahmeempfehlung – eine halbe bis eine Stunde vor der Mahlzeit mit viel Wasser in aufrechter Körperhaltung – beruht im Wesentlichen auf drei Gründen:

 

Durch schnellere Absorption wird der Abbau der Wirkstoffe vermindert, weil sie als säure- oder alkalilabile Substanzen nicht so lange in Kontakt mit dem Magensaft stehen.

Man erreicht einen höheren Blutspiegel und damit einen schnelleren Wirkungseintritt.

Kurze Kontaktzeiten mit dem Darm verhindern eine Beeinträchtigung der Darmflora. Die Folge: Nebenwirkungen wie Durchfälle sind schwächer ausgeprägt.

 

Natürlich kann man von dieser Empfehlung abweichen, wenn UAW wie Erbrechen vermieden werden sollen oder die Wirkstoffeigenschaften eine Einnahme vor der Mahlzeit nicht zulassen (17).

 

Tabelle 2 zeigt weitere Beispiele für therapiebedingte Diarrhöen und die auslösenden Arzneistoffe. Keinesfalls vergessen darf man Arzneimittelinteraktionen als Ursache eines Durchfalls; zum Beispiel verstärken selektive Serotonin- und Serotonin-Noradrenalin-Reuptake-Inhibitoren (SSRI und SNRI) Metformin-Nebenwirkungen (18).

Tabelle 2: Ursachen für eine therapiebedingte Diarrhö; modifiziert nach (53)

Therapie Beispiele
Antibiose Cephalosporine der 3. Generation, Breitbandpenicilline, Clindamycin, Clarithromycin (hoch dosiert), Fluorochinolone
zytostatische Chemotherapie Methotrexat, 5-Fluorouracil, Irinotectan, Cisplatin, Epirubicin, Bleomycin
Schmerzmittel NSAR-Enteropathie
Magen-Darm-Mittel Metoclopramid, Domperidon, 5-HT 3-Antagonisten
Mineralstoffsubstitution Magnesium (hoch dosiert), Kalium, Calcium
antihypertone Therapie Kaliumretinierende Diuretika, auch in Kombination mit ACE-Hemmern
Laxantien Lactulose, Quellstoffe, Anthrachinon-Derivate, Macrogole
Cholinergika Pilocarpin, Donepezil, Distigmin, Galantamin, Neostigmin, Physostigmin, Pyridostigmin, Rivastigmin
Psychoanaleptika Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin, Sertralin, Citalopram und Escitalopram

Neben Arzneimittelinteraktionen kann auch der Miss- und Fehlgebrauch von Laxanzien zu Durchfällen führen. Die Spanne reicht von der gelegentlichen Überdosierung physikalisch wirksamer Laxanzien wie Lactulose und Macrogolen bis zum chronischen Abusus von Kontaktlaxanzien, zum Beispiel Bisacodyl, Natrium-Picosulfat oder Zubereitungen aus Sennesblättern oder -früchten.

 

An seltenere Ursachen denken

 

Das Reizdarmsyndrom ist ebenfalls mit Durchfällen assoziiert. In den USA ist es die häufigste von Gastroenterologen diagnostizierte Magen-Darm-Erkrankung. In Deutschland liegt die Prävalenz bei 9 bis 25 Prozent; Frauen leiden zwei- bis dreimal häufiger als Männer daran (19).

 

Zu den selteneren Ursachen für Durchfälle zählt auch die Lactose-Intoleranz, an der etwa 10 Prozent der Deutschen leiden (20). In der Offizinapotheke klagen sie über Diarrhö und Oberbauchbeschwerden. Die Beschwerden treten 30 bis 120 Minuten nach dem Verzehr von Laktose oder Laktose-haltigen Produkten auf (21). Das Apothekenteam sollte den Patienten unbedingt zum Arzt schicken, der den Beschwerden, zum Beispiel mit einem H2-Atemtest, auf den Grund geht.

 

Etwa 0,5 Prozent der Deutschen vertragen das Klebereiweiß Gluten oder seine Unterfraktion, das Gliadin, nicht. Hauptsymptom der Autoimmunerkrankung Zöliakie (Sprue, Glutensensitive Enteropathie) sind neben Bauchschmerzen, Völlegefühl und Übelkeit stark voluminöse, übel riechende, teilweise fettige Stühle. Problematisch ist, dass nur 10 und 20 Prozent der Betroffenen das Vollbild der Erkrankung zeigen, während der Großteil eher untypische und milde Symptome entwickelt (22). Nur eine ärztliche Abklärung mit endoskopischer Biopsie kann letztlich die Diagnose sichern.

 

Ernährungsbedingte Diarrhö

 

Eine Diarrhö kann ebenso durch eine Lebensmittelunverträglichkeit ausgelöst werden. Gelegentlich kommt es zu Intoxikationen, am häufigsten durch bakterielle Kontamination. Dabei kann entweder die direkte bakterielle Einwirkung oder die Wirkung der bakteriellen Toxine im Vordergrund stehen.

 

Somit sollten alle Patienten mit Durchfällen, die von Übelkeit, Erbrechen und Fieber begleitet sind und in Verbindung mit einer Nahrungsaufnahme stehen, zum Arzt gehen. Die Frage nach der Inkubationszeit ist hier schwierig zu beantworten, da sie zwischen einer Stunde, zum Beispiel bei Staphylococcus aureus und Enterotoxin, und sieben Tagen (Campylobacter jejuni, invasiv und Enterotoxin) schwanken kann.

 

Wird die Diarrhö durch im Nahrungsmittel bereits präformierte Toxine, zum Beispiel von Bacillus cereus, Campylobacter perfringens, Enterotoxin-produzierende E. coli und Staphylococcus aureus, ausgelöst, verläuft sie typischerweise ohne Fieber. Dagegen erzeugen invasive Keime wie Campylobacter, invasive E. coli, Salmonellen, Shigellen und Yersinien fiebrige Durchfälle (23).

 

Selbstmedikation – ja oder nein?

 

Die Ursache einer Durchfallerkrankung kann also vielfältig sein. Kann das Apothekenteam die genannten Krankheitsbilder im Beratungsgespräch angemessen sicher ausschließen, kann man von einer so definierten akuten, nicht spezifischen Diarrhö ausgehen.

 

In der Regel verläuft diese selbstlimitierend und dauert nicht länger als 96 Stunden (24). Eine Behandlung der Symptome verkürzt die Erkrankung meist nicht. Gleichwohl ist sie sehr wichtig, da Stuhlinkontinenz und gastrointestinale Beschwerden die Lebensqualität massiv einschränken. Einige Autoren unterscheiden die »Anwohner«-Diarrhö, die die Patienten in ihrem gewohnten Umfeld trifft, und die Reisediarrhö. Ob sich hierdurch ein Unterschied in der Therapie ergibt, erörtern sie nicht. Im Beratungsgespräch ist die Frage nach einer kürzlich abgeschlossenen Fernreise aber auf jeden Fall obligat.

 

So liegt der erste entscheidende Schritt des Apothekers in der Abgrenzung der diagnosebedürftigen Durchfallerkrankung zur Selbstmedikation. Wünschenswert wären Leitlinien – aber die sind dünn gesät. In Deutschland findet man das Symptom Diarrhö zwar in vielen Leitlinien, auf deren Therapie wird jedoch eher beiläufig eingegangen. Ein Leitfaden für die akute, nicht spezifische Diarrhö existiert nicht. Orientierung bei der Suche nach geeigneten Therapieoptionen könnten die aktuellen Arzneimittelrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses bieten. Für Kinder unter zwölf Jahren sind Antidiarrhoika hier generell von der Verordnungsfähigkeit ausgeschlossen. Ausnahmen bilden nur Elektrolyt- und Saccharomyces-boulardii-Präparate. Auf welcher Grundlage diese Bewertung und der resultierende Ausschluss erfolgten, bleibt allerdings unklar (25).

 

Im angelsächsischen Raum wird dem Thema eine weitaus größere Bedeutung beigemessen. So wird zurzeit an einer sehr umfangreichen Guideline »Diarrhoea and vomiting in children under 5« gearbeitet (26). Auch für andere Altersgruppen existieren in Großbritannien Guidelines zwar seit Längerem, allerdings sind die Empfehlungen nicht immer konsistent, widersprechen sich und sind eher von Dogmen als von Evidenz geprägt (2).

 

Es gibt einige »K.-o.-Kriterien«, die gegen eine Selbstmedikation bei Diarrhö sprechen (Tabelle 3). Dann sollte der Patient auf jeden Fall an den Arzt verwiesen werden. Ist eine Selbstmedikation möglich, stehen einige Arzneimittelgruppen zur Verfügung.

Tabelle 3: Kriterien gegen die Selbstmedikation einer Diarrhö

K.-o.-Kriterien Erläuterung
Fieber Hinweis auf bakterielle Infektion; antibiotische Therapie ist sinnvoll
Dysenterie blutige mucoide Stühle weisen auf eine Degeneration der Darmmucosa hin; ärztliche Abklärung nötig
Auslandsreise bis drei Monate vor Ausbruch der Diarrhö abhängig von Reiseziel und Abstand zum Ausbruch kann eine Infektion mit nicht heimischen Erregern oder Parasiten vorliegen
Personen unter 12 und über 75 Jahren Dehydrierung während einer Diarrhö schwerer beherrschbar
Arzneimittelunverträglichkeit und UAW die von der Apotheke gefundene UAW gut dokumentieren und Lösungsvorschlag mit dem Arzt zwecks Medikationswechsel besprechen

Loperamid ab zwei Jahren

 

Nummer 1 unter den Antidiarrhoika ist der synthetische Opioidrezeptoragonist Loperamid. Durch Hemmung der propulsiven Peristaltik wird die Resorption von Wasser und Elektrolyten begünstigt, die Stuhlkonsistenz erhöht und die Stuhlfrequenz verringert. Die Darmflora wird nicht verändert. Als sehr angenehm empfinden die Patienten auch die Erhöhung des Analsphinktertonus, was die Symptome Stuhldrang und Inkontinenz bessert.

 

Kontraindiziert ist die Anwendung bei sehr hohem Fieber sowie Darmerkrankungen wie Ileus, Megacolon und toxischem Megacolon. Auch bei einer Darminfektion ist Loperamid nicht uneingeschränkt zu empfehlen; hier ist stets die Anamnese eines Arztes erforderlich.

 

Patienten ab zwei Jahren können das Opioid bekommen. Zwischen zwei und acht Jahren wird der Arzneistoff nach Gewicht dosiert (Lösung oder Tropfen), ab acht stehen Dosierungen ab 2 mg Loperamid (Tagesdosis altersabhängig 8 bis 16 mg) zur Verfügung. Für die Selbstmedikation kommen nur Patienten ab zwölf Jahren infrage.

 

Durch Hemmung des P-Glycoprotein-Transporters und Wechselwirkungen am CYP-Isoenzym 3A4 kann Loperamid bei gleichzeitiger Einnahme von Chinidin, Ve­rapamil, Doxepin oder Ketoconazol die Blut-Hirn-Schranke verstärkt überwinden und zentralnervöse Wirkungen wie Übelkeit, Atemdepression und Euphorie auslösen. Gerade letztere UAW gibt dem Präparat ein gewisses Missbrauchspotenzial.

 

Adsorbenzien, die Klassiker?

 

Adsorbenzien wie medizinische Kohle, (Apfel-)Pektin und Tannin-Eiweiß, auch kombiniert mit Ethacridinlactat, werden teilweise seit Großmutters Zeiten gegen die akute unspezifische Diarrhö angewendet. Diese Substanzen werden nicht resorbiert, binden aber Wasser und andere Substanzen, etwa Toxine, an ihrer Oberfläche. Die klinische Verwendung zur Entgiftung oder als Antidot ist, bei zeitnaher Gabe, gut belegt und mündete unter anderem in die Aufnahme von medizinischer Kohle in das Notfalldepot einer jeden Apotheke (27, 28, 29).

 

Die In-vivo-Studienlage zur Wirksamkeit von Adsorbenzien bei akuter, nicht spezifischer Diarrhö bei Erwachsenen ist allerdings widersprüchlich und gekennzeichnet durch mangelnde Qualität der Daten (2, 30, 31). Qualitativ ausreichende Vergleichsstudien zwischen Adsorbenzien und Loperamid bevorzugen das Opioidderivat (32, 33). Auch die Anwendung bei Kindern wird überwiegend kritisch diskutiert (34, 2).

 

Wenngleich im IMS-Health-Ranking nicht unter den Top 20 (35), wird medizinische Kohle in Deutschland sehr häufig als Adsorbens verwendet. Es handelt sich um gemahlene, verkohlte organische Substanz, zum Beispiel aus Hölzern oder Kokosnuss-Schalen. Spätestens seit der Erweiterung der Therapien durch andere Präparate begann eine kontroverse Diskussion um ihre Wirksamkeit und Dosierung. Die Studien weisen Schwachstellen wie fehlende Vergleichs- oder Placebogruppen, unzureichende oder fehlende Verblindung oder ideologische Herangehensweise auf (2). So wird in einer Studie zum Beispiel die »hoch signifikante« Reduktion der abgesetzten Stühle unter Medikation gegenüber Placebo nach drei Tagen gelobt, was bei einer in der Regel nach vier Tagen spontan ausheilenden akuten Diarrhö zumindest diskussionswürdig ist (36).

 

Auch die Anwendung bei Kindern ist kritisch zu sehen. So empfiehlt die WHO Kohle nicht, weil deren alleinige Anwendung die Dauer der Erkrankung nicht nennenswert reduziert und das dringendste Problem – Dehydrierung und Mineralstoffverlust – nicht verhindert (37, 38). Einige Autoren beobachten sogar einen Anstieg des Stuhlvolumens und postulieren einen erhöhten Flüssigkeitsverlust unter einer Kohletherapie (39).

 

Unstimmig sind die unterschiedlichen Dosierungen der Aktivkohle bei der Anwendung als Antidot oder Antidiarrhoikum. Während bei Vergiftungen Mengen von 25 bis 50 g (entspricht 100 bis 200 Tabletten) gegeben werden (40, 41), nennen die Beipackzettel zur Behandlung einer akuten unspezifischen Diarrhö Dosierungen von viermal 500 bis 1000 mg (8 bis 16 Tabletten). Legt man in beiden Fällen das beschriebene Prinzip der »Entgiftung« zugrunde, ist die große Diskrepanz der Dosierungen nicht nachvollziehbar. Vielmehr sollte auch die Dosierung für Durchfälle wesentlich höher sein. Die häufig verkaufte N1-Packung mit 20 Tabletten ist daher in keinem Therapiemodell sinnvoll.

Weitere seit Langem angewendete Mittel sind die Pek­tine, die man Kindern bei leichter Diarrhö in Form von geriebenen Äpfel oder Bananenbrei gibt. Verschiedene Studien von minderer Qualität belegen eine Besserung der Symptome bei den kleinen Patienten (42, 43). Pektine sind pflanzliche Polysaccharide aus festeren Bestand­teilen höherer Landpflanzen; sie gelieren in wässriger Lösung, binden das überschüssige Wasser und dicken den Darminhalt an. Pektinzusammensetzung und -gehalt variieren von Pflanze zu Pflanze. So enthalten Citrus­schalen bis zu 30 Prozent Pektine, Apfeltrester (Pressrückstände) bis zu 15 Prozent.

 

Ein hohes Wasserbindevermögen hat auch ultrafeine Heil­erde aufgrund ihres hohen Zerkleinerungsgrads und der damit verbundenen großen Oberfläche. Dadurch wird wie bei Pektinen der Stuhl angedickt. Die Heilerde wird in ein halbes Glas Wasser eingerührt und mit halbstün­digem Abstand zu den Mahlzeiten eingenommen. Bei Durchfall empfiehlt der Hersteller, mehrere Teelöffel im Lauf weniger Stunden einzunehmen. Klinische Studien von ausreichen­der Qualität, die zur rationalen vergleichenden Beurteilung der Wirksamkeit herangezogen werden könnten, existie­ren nicht.

 

In jedem Fall ist bei Gabe von Pektinen, medizinischer Kohle und anderen Adsorbenzien zu beachten, dass der Adsorp­tionseffekt auch für Arzneistoffe, zum Beispiel Herzglykoside, gilt. Dadurch kann es zu pharmakokine­tischen Wechselwirkungen kommen. Oft hilft ein zweistündiger Einnahmeabstand, die Interaktion zu vermeiden.

Mythos Probiotika

 

Die Darmflora stellt zusammen mit der Darmmukosa das innere Schutzschild des menschlichen Körpers vor Krankheitserregern dar. Mithilfe der natürlich dort angesiedelten Bakterien bekämpft sie pathogene Einflüsse, die zum Beispiel täglich über die Nahrung aufgenommen werden. Zur Unterstützung ihrer Funktion findet man auf dem Arznei- und Lebensmittelmarkt die Probiotika.

 

Als Probiotika werden Zubereitungen von vermehrungsfähigen Mikroorganismen bezeichnet, die positive gesundheitliche Auswirkungen entfalten sollen (44). Sie besiedeln die Darmflora, möglichst auf Kosten der potenziellen Krankheitserreger. Hefepilze wie Saccharomyces boulardii sollen Toxine binden und pathogene Bakterien verdrängen können (45). Der genaue Mechanismus ist jedoch ungeklärt.

 

Man nimmt an, dass das Immunsystem des Darms (GALT) ein wichtiger Faktor zur Abwehr von Krankheitserregern ist. Die nicht pathogenen Bakterien- und Hefe­stämme sollen immunmodulatorisch wirken. Dies soll den Erkrankungszeitraum bei einer akuten Diarrhö verkürzen. Außerdem werden Probiotika zur Prophylaxe der Reisediarrhö (beginnend fünf Tage vor der Abreise) sowie unterstützend während oder nach antibiotischer Behandlung eingesetzt, um die Nebenwirkungsrate im Magen-Darm-Trakt zu erniedrigen.

 

Seit Kolonien von Milchsäurebakterien auch die Lebensmittelbranche besiedeln, wird das Thema Darmsanierung immer präsenter. Wiederholt wurden klinische Studien publiziert, die die Wirksamkeit und Unwirksamkeit von Probiotika diskutieren (46, 47). Deutlich wird, dass es bereits innerhalb der Gruppe der Lactobacillen und anderer Bakterienstämme starke Unterschiede in Stabilität, Adhärenz an der Darmschleimhaut und biologischer Aktivität gibt (46, 48).

 

In Studien konnte bei der akuten Diarrhö bei Erwachsenen keine eindeutige Wirkung belegt werden (46). Vielmehr gilt es zu diskutieren, ob hier der Selbstheilungseffekt den Hefen in ihrer Wirkung entgegenkommt. Bei Kindern jedoch gelten die Probiotika als gute Therapiemöglichkeit.

 

Unumstritten ist der Nutzen einiger Stämme, zum Beispiel von Saccharomyces boulardii, zur Prophylaxe von antibiotikaassoziierten Durchfällen. Hier scheinen sich die exogen zugeführten Hefestämme als eine Art Schutzschild für die körpereigenen Bakterien zu erweisen (49, 50).

 

Nicht ratsam sind Probiotika für Patienten mit Immundefizit, da es zu einem übermäßigen Pilzbefall kommen kann. Ebenso wenig ratsam ist die gleichzeitige Einnahme von systemisch wirksamen Antimykotika wie Itraconazol, da diese auch die Hefepilz- und Bakterienstämme der Medikamente abschwächen.

 

Uzarawurzel

 

Die Entdeckung der Uzarapflanze ist dem südafrikanischen Volksstamm der Khoikhoi zu verdanken (51). Der aus der Stammpflanze Xysmalobium undulatum gewonnene Uzarawurzel-Trockenextrakt hat seit etwa 160 Jahren in der afrikanischen Volksmedizin seinen Platz. Die Wurzel enthält Cardenolid-Glykoside wie Uzarin und Xysmalorin und wird volkstümlich zur Behandlung von Verdauungsbeschwerden und akuten Durchfallerkrankungen eingesetzt. Der Extrakt soll motilitätshemmend und spasmolytisch auf Darm und Uterus wirken (52). Klinische Studien, die eine rationale Bewertung der antidiarrhoischen Wirksamkeit des Präparats zulassen, liegen nicht vor. Allerdings existiert eine positive Bewertung der Kommission E.

 

Säfte, Tropfen und überzogene Tabletten kann der Patient rezeptfrei erwerben, was eine verstärkte Beratung zu den Kon­traindikationen erfordert. Da die Uzara-Glykoside chemisch den Digitalis-Glykosiden sehr ähneln, sollte eine Kombination vermieden werden. Der Patient sollte verstärkt auf Merkmale der Überdosierung wie Herzrhythmusstörungen, Farbsehstörungen oder gastrointestinale Beschwerden achten.

 

Die vom Hersteller empfohlene Anwendung für Kinder ab zwei Jahren gilt nur für die alkoholfreien Säfte. Dragees sind für Kinder ab sechs Jahren zugelassen. Die Tropfen mit einem Alkoholgehalt von 43 Prozent sind für Kinder unter zwölf Jahren ungeeignet.

 

Gerbstoffdrogen

 

Zubereitungen aus Gerbstoffdrogen sind lokal bei Schleimhautentzündungen im Mund-Rachen-Raum und innerlich bei leichter Diarrhö, vor allem bei Kleinkindern, einsetzbar. Die Gerbstoffe wirken adstringierend und sind in der Lage, Proteine im Darm zu fällen und somit die Darmmukosa durch eine Protein-Schutzschicht vor bakteriellem Angriff zu schützen. Als Kaltaufgüsse werden Heidelbeeren, Brombeerblätter, Eichenrinde, Frauenmantelkraut und andere Drogen angewendet.

 

Außerdem ist bei leichter Diarrhö auch schwarzer und grüner Tee aufgrund des hohen Gerbstoffgehalts (5 bis 20 Prozent) wirksam. Bei den Tees genügt eine Tagesdosis von 3 bis 10 g Droge.

 

Auch Myrrhe, hauptsächlich bekannt aus Mundwässern und Zahnpasten, kann zur unterstützenden Therapie bei Darmerkrankungen eingesetzt werden. Sie wirkt adstringierend, desinfizierend und soll in Kombination mit Kaffeekohle und Kamille zusätzlich spasmolytisch wirken.

 

Klinische Studien zu den Gerbstoffdrogen existieren nicht – und es wird sie wohl auch nicht mehr geben. Dennoch kann eine gewisse positive Wirksamkeitsbewertung aus den Monographien der Kommission E abgeleitet werden. Diese liegen für Brombeerblätter, Eichenrinde und Frauenmantelkraut vor, und rechtfertigen die begleitende Verwendung zu einer Primärtherapie.

 

Ebenfalls »gerbend« wirkt Ethacridin. Durch Schrumpfung der oberen Zellschichten der Darmmukosa erfolgt eine »Abdichtung« und Reduktion der Sekretion entzündeten Gewebes. Die Anwendung von Ethacridin bei Durchfall wird allerdings als »problematisch« bezeichnet. Zum einen kann der Wirkstoff Kontaktallergien auslösen, zum anderen kann sich bei einer Überdosierung aus der adstringierenden Wirkung auch leicht eine Verätzung der Darmschleimhaut entwickeln.

 

Mineralstoffe substitutieren

 

Unabhängig von der eingeschränkten Lebensqualität ist der Verlust an Mineralstoffen und Flüssigkeit das vordringliche Problem einer Durchfallerkrankung. Zum einen ist die Resorption von essenziellen Mineralstoffen gestört, zum anderen werden diese mit den wässrigen Stühlen vermehrt ausgeschieden. In Zusammenhang mit dem erhöhten Flüssigkeitsverlust kann dies zu Muskelkrämpfen, Schwächezuständen bis hin zu Herzrhythmusstörungen führen. Diese kritischen Situationen treten umso schneller ein, desto anfälliger ein Organismus für Schwankungen des Wasser- und Mineralstoffhaushalts ist. Besonders gefährdet sind daher Säuglinge und Kleinkinder, Senioren und chronisch Kranke, zum Beispiel mit Niereninsuffizienz und Herzrhythmusstörungen.

Neben der Reduktion der Stuhlfrequenz ist der Ersatz der verlorenen Mineralstoffe daher die primäre Aufgabe einer Therapie. Bei Säuglingen und Kindern unter zwei Jahren ist dies die einzige Therapieoption, da Alternativen in der Selbstmedikation nicht zugelassen sind (Loperamid ab 12 Jahren, Kohle ab 10 kg Körpergewicht, Uzara ab zwei Jahren) (Tabelle 4).

 

Es sind mehrere Präparate zur Elektrolytsubstitution auf dem Markt. Ihre Zusammensetzung ist sowohl im Elektrolytspektrum als auch in deren Gehalt vergleichbar. Alle enthalten, wie von der WHO empfohlen, Glucose. Diese soll den erhöhten Energiebedarf erkrankter Kinder zusätzlich decken. Selbst wenn man akzeptiert, dass Medizin nicht schmecken muss, ist es nicht einfach, die empfohlenen Dosierungen in den Patienten hinein zu bekommen. Es empfiehlt sich, die am Markt befindlichen Produkte in der Apotheke einmal zu verkosten, um durch die richtige Präparatewahl die Compliance gerade bei Kindern zu erhöhen.

 

Wie sinnvoll sind Diäten?

 

Die Aufnahme von fester Nahrung sollte sich nach dem Appetit richten, da evidenzbasierte Empfehlungen ohnehin fehlen. Allerdings sollte der Patient stark fettige und scharfe Speisen, eventuell Milch (Fett und Laktose) sowie die Darmperistaltik anregende Stoffe wie Coffein meiden. Dies gilt auch für die häufig empfohlene Kombination von Salzstangen und Cola.

 

Rechtlich und therapeutisch nehmen die Heilnahrungen eine Sonderstellung ein. Als »Vollständig Bilanzierte Diäten« nach §14b der Verordnung über diätetische Lebensmittel dürfen diese mit einer Indikation, zum Beispiel ». . . zur Behandlung der Säuglingsdyspepsie (Durchfallerkrankung) in Rahmen der ärztlichen Verordnung« angeboten werden. Dies setzt natürlich einen Wirksamkeitsnachweis voraus.

Tabelle 4: Arzneimittelauswahl in der Selbstmedikation bei der akuten, nicht spezifischen Diarrhö (fett gedruckte Mittel sind erste Wahl in ihrer Kategorie)

Personengruppe Primärtherapie Sekundärtherapie
Kinder unter 2 Jahren Flüssigkeits- und Mineralstoff­substitution, orales Rehydratationssalz (ORS)nur ORS, Heilnahrung
2 bis 6 Jahren dito Heilnahrung, Saccharomyces boulardii, Pektine, Uzara (alkoholfrei), medizinische Kohle
6 bis 12 Jahre dito Saccharomyces boulardii, medizinische Kohle, Uzara (alkoholfrei)
ab 12 Jahren dito Loperamid, Saccharomyces boulardii
chronisch Kranke dito Loperamid (nach Interaktionscheck)
Schwangere und Stillende dito ggf. Loperamid, nur nach ärztlicher Anweisung

Kriterien für die Beratung

 

Zunächst ist festzuhalten, dass das plötzliche Auftreten von wässrigen Stühlen in erhöhter Frequenz immer ein Grund ist, eine Arzneitherapie einzuleiten. Dem Konzept des »Entgiftens« fehlt jedoch jegliche Evidenz. Andererseits belastet eine Nichtbehandlung die Lebensqualität der Patienten unnötig und über Gebühr.

 

Chronisch Kranke, Kinder unter 12 Jahren (unter sechs in einigen Ländern der USA; 2) und Erwachsene über 75 Jahren sollten grundsätzlich den Arzt zur weiteren Diagnose aufsuchen. Gleiches gilt, wenn Durchfallerkrankungen sich im Be­ratungsgespräch als problematisch herausstellen oder nicht der akuten unspezifischen Diarrhö zugeordnet werden können.

 

In der Therapie stehen die orale Rehy­drierung und die Substitution der durch den wässrigen Stuhl verlorenen Mineralstoffe im Vordergrund (Tabelle 4). Ob diese durch Nahrungsmittel (Brühe, Mineralwasser) oder Präparate geschieht, ist nicht relevant. Zur Bekämpfung der Stuhlinkontinenz und -frequenz ist Loperamid (2 mg) das Mittel der Wahl. Natürlich muss die Apotheke bei der Empfehlung Zulassungsgrenzen und Kontraindikationen berücksichtigen. Ist eine Therapie mit Loperamid nicht möglich, können medizinische Kohle, Hefen oder Uzara ergänzend zur Rehydrierung gegeben werden.

 

Kein Patient sollte aber ohne einen abschließenden Hinweis in die Selbstmedikation entlassen werden: Der Arzt ist sofort aufzusuchen, wenn sich die Symptome nicht innerhalb von 48 Stunden bessern, wenn sie schlechter werden oder wenn »K.-o.-Kriterien« hinzukommen. /

 

Literatur

... bei den Verfassern

Die Autoren

Jörg Wittig studierte Pharmazie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und erhielt 1997 die Approbation als Apotheker. Während seiner Promotionszeit war Wittig unter anderem als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentralinstitut Arzneimittelforschung GmbH in Sinzig am Rhein in den Funktionen Laborleitung und Projektmanagement tätig. Seine Promotion schloss er im Juni 2002 ab. Seitdem ist er Inhaber der Böttger-Apotheke und von drei Filialapotheken. Dr. Wittig ist Absolvent des Bonner Kollegs für klinische Pharmazie, Fachapotheker für Allgemeinpharmazie und weitergebildet in Ernährungsberatung. Die Kollegen kennen ihn nicht nur als Referent und Fachautor, sondern auch als Vorstandsmitglied der Landesapothekerkammer Thüringen.

 

Romy Rudolph studierte Pharmazie an der Christian-Albrecht-Universität Kiel. Die Hälfte des praktischen Jahres absolvierte sie in der Oberland-Apotheke, einer Filiale der Böttger-Apothke in Schleiz, bei Apotheker Dr. Jörg Wittig. Anfang 2010 erhielt sie die Approbation als Apothekerin und arbeitet seitdem in einer öffentlichen Apotheke in Dresden.

 

 

Für die Verfasser:

Dr. Jörg Wittig

Böttger-Apotheke

Markt 5/6

07907 Schleiz

joerg.wittig(at)apotheke-schleiz.de

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