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Desinfektion

Das A und O der Hygienemaßnahmen

30.03.2009  13:23 Uhr

Tabelle 1: Desinfektionsmittel für verschiedene Anwendungsgebiete

Stoffe Beispiele Wirkspektrum Anwendungsart/ Bemerkungen
Alkohole Ethanol
1-Propanol (n-Propanol)
2-Propanol (Isopropanol)
B, T, F, bV vorwiegend Haut- und Händedesinfektion; Sprühdesinfektion für kleinere Flächen
Aldehyde Formaldehyd
Glutaraldehyd
Glyoxal
B, T, F, S, bV, uV Flächendesinfektion; Aufbereitung thermolabiler Medizinprodukte
Amine Chloramin T B, T, F, bV Wäsche- und Flächendesinfektion
Quats Didecyl-dimethyl-ammoniumchlorid B, (F), (bV) Flächendesinfektion; manuelle Instrumentendesinfektion; Empfindlich gegen organische Substanzen, Seifen, hartes Wasser. Inaktiv gegenüber gewissen gramnegativen Keimen
Halogene Chlor
Iod
B, (T), (F), (S), bV, uV Chlor und Chlorabspalter: Desinfektion von Wasser oder Geschirr
Iod: Haut, Schleimhaut, Wunden
Octenidin Octenidin B, T, bV, uV Wund- und Schleimhautdesinfektion
Perverbindungen Sauerstoffabspalter B, (T), (F), (S), bV, uV Flächendesinfektion
Polyhexanide Polyhexanid B, T, bV, uV Wund- und Schleimhautdesinfektion
Metalle, Metallverbindungen Kupfer
organische Quecksilberverbindungen
Silber
B Kupfer und organische Quecksilberverbindungen: nicht im medizinischen Bereich eingesetzt
Silber: Infektionsprophylaxe in Wundauflagen, Beschichtung von Kathetern

Abkürzungen: B: bakterizid; T: tuberkulozid; F: fungizid; S: sporozid; bV: behüllte Viren; uV: unbehüllte Viren

 

Die Stoffe, die bei der Desinfektion zur Anwendung kommen, müssen eine gesicherte Wirkung haben (Tabelle 1). Solche Produkte und Verfahren sind in der Desinfektionsmittel-Liste des Verbunds für angewandte Hygiene (VAH) e. V. zusammengestellt. Diese sogenannte VAH-Liste (Stand 16. März 2007) beinhaltet auch Zusatzinformationen wie Erläuterungen zur Prüfmethodik, Anwendungshinweise, Produkt- und Firmenübersichten sowie ein Verzeichnis der Wirkstoffgruppen und Wirkspektren (7). Die Produkte der VAH-Liste sollten bei der routinemäßigen prophylaktischen Anwendung im Krankenhaus und in ambulanten medizinischen Bereichen, zum Beispiel in Arztpraxen und Apotheken, eingesetzt werden. Die Gesundheitsämter überprüfen bei ihren Hygienebegehungen, ob Desinfektionsmittel der VAH-Liste zum Einsatz kommen.

 

Behördliche Vorgaben

 

Neben der routinemäßigen Anwendung von Desinfektionsmitteln gibt es noch den speziellen Einsatz, zum Beispiel bei behördlich angeordneten Entseuchungen. Beim Auftreten von bestimmten Tierseuchen wie der aviären Influenza (Vogelgrippe) oder der klassischen Schweinepest (KSP) müssen laut Infektionsschutzgesetz (IfSG) § 18 Mittel und Verfahren angewendet werden, die vom RKI auf Wirksamkeit und vom Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) oder vom Umweltbundesamt auf Unbedenklichkeit für Gesundheit und Umwelt geprüft worden sind. Die angegebenen hohen Konzentrationen und langen Einwirkzeiten sind speziell für den Seuchenfall und nicht für die tägliche Anwendung vorgesehen. Geeignete Produkte zur Entseuchung mit entsprechenden Konzentrationsangaben und Einwirkzeiten findet man in der sogenannten RKI-Liste (siehe Links).

 

Aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzung der Listen – einerseits behördlich angeordnete, andererseits prophylaktische Desinfektionsmaßnahmen – unterscheiden sich die eingetragenen Produkte in den Einwirkzeiten und Konzentrationen der Gebrauchslösungen. Die Hersteller sind nicht verpflichtet, ihre Präparate in die Desinfektionsmittellisten eintragen zu lassen. Außer bei behördlich angeordneten Entseuchungen kann der Anwender das Mittel frei wählen (5).

 

Die Rechtslage zu Desinfektionsmitteln ist komplex. Mittel, die am menschlichen Körper angewendet werden sollen, zum Beispiel alkoholische Lösungen zur Haut- und Händedesinfektion, sind nach § 2, Abs. 1, Nr. 4 des Arzneimittelgesetzes (AMG) Arzneimittel und dürfen in Deutschland nur in den Verkehr gebracht werden, wenn das BfArM sie zugelassen hat. Produkte zur Instrumentendesinfektion, zum Beispiel Formaldehyd- oder Phenol-haltige Mittel, sind als Zubehör zu den Medizinprodukten zu sehen und unterliegen somit dem Medizinproduktegesetz (MPG). Danach müssen derartige Präparate eine CE-Kennzeichnung haben.

 

Desinfektionsmittel, die nicht zur Anwendung am menschlichen Körper bestimmt sind, zum Beispiel Isopropanol-haltige Flächendesinfizientia, und die kein Zubehör zu Medizinprodukten sind, unterliegen dem Chemikaliengesetz. Sie dürfen nur in den Verkehr gebracht werden, wenn die Wirkstoffe gemäß Verordnung (EG) Nr. 2032/2003 notifiziert sind und nach Abschluss der Wirkstoffbewertung im Rahmen der Biozidgesetzgebung in den Anhang der Biozidrichtlinie (98/8 EG/1998) aufgenommen worden sind (1, 5).

 

Im Folgenden werden verschiedene Hygiene- und Desinfektionsmaßnahmen und deren Einsatzgebiete besprochen. Dabei kommen vorrangig die in Tabelle 1 aufgeführten Wirkstoffe zum Einsatz.

 

Händedesinfektion hat Vorrang

 

Die wichtigste Maßnahme zur Verhütung von Infektionen ist die Händehygiene, denn die Hände sind die häufigsten Übertragungsvehikel für Erreger. Die Hand kann darüber hinaus als Infektionsquelle fungieren, wenn sich Mikroorganismen in den oberen Schichten oder in infizierten Läsionen vermehren und dann freigesetzt werden. Die Maßnahmen der Händehygiene sollen vor der Verbreitung von Keimen schützen.

 

Vor Beginn und nach Beendigung der Arbeit im Krankenhaus, aber auch in der Apotheke genügt eine Händewaschung mit Seife oder Syndets. Wegen der geringeren Wirksamkeit stellt diese hygienische Händewaschung keine Alternative zur hygienischen Händedesinfektion dar. Voraussetzung für eine ausreichende Hygiene ist, dass an Händen und Unterarmen kein Schmuck getragen wird.

Tabelle 2: Anforderungen an ein Händedesinfektionsmittel

Gebiet Anforderungen
Mikrobiologie breite gesicherte Wirksamkeit auf Bakterien, Viren und Pilze (abtötend oder inaktivierend); kurze Einwirkzeit ; irreversible sichere Wirkung auf die Keime
Stoffeigenschaft gute Materialverträglichkeit; Hartwasserstabilität
Toxikologie niedrige dermale und akut orale Toxizität; niedrige Inhalationstoxizität

Die Mittel zur hygienischen Händedesinfektion müssen mehrere Anforderungen erfüllen (Tabelle 2). Meist werden Mittel auf Alkoholbasis verwendet, zum Beispiel Ethanol. Diese müssen den Standardzulassungen gemäß § 36 AMG entsprechen. Die alkoholischen Präparate werden auf den trockenen Händen bis zu den Handgelenken kräftig eingerieben. Zur Vermeidung von Benetzungslücken sind die sechs Schritte der Standard-Einreibemethode (EN 1500) auszuführen. Wichtig ist, dass das Händedesinfektionsmittel in die hohlen trockenen Hände gegeben und in der angegebenen Einwirkzeit bis zur vollständigen Trocknung eingerieben wird. Es ist darauf zu achten, dass die Hände über die gesamte Einreibezeit feucht bleiben, ansonsten sind sie nicht ausreichend desinfiziert und es ist kein ausreichender Infektionsschutz vorhanden. Bei Bedarf muss man daher erneut Desinfektionsmittel nehmen.

 

Eine Händedesinfektion ist unter anderem erforderlich vor invasiven Maßnahmen, vor und nach Patientenkontakt und Tätigkeiten mit Kontaminationsgefahr. In der Apotheke erfolgt sie vor und nach jedem Kontakt mit Blut (Blutzucker- oder Blutlipidmessung), Sekreten oder Ausscheidungen, auch wenn bei dieser Tätigkeit Handschuhe getragen wurden, sowie nach dem Toilettenbesuch. Auch vor der Herstellung von Arzneimitteln in der Rezeptur ist eine hygienische Händedesinfektion ratsam.

 

Unverträglichkeiten bei der Anwendung der Produkte lassen sich meist auf Zusätze wie Rückfetter, zum Beispiel Glycerin oder Farbstoffe, zurückführen. Bei der häufigen Anwendung ist der Hautschutz durch entsprechende Pflegeprodukte sehr wichtig.

 

Die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) stellt ein Themenheft »Hautschutz- und Händehygieneplan für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Apotheke« zur Verfügung. Den Link finden Sie hier.

 

Patientenhaut im Fokus

 

Während die Händedesinfektion vorrangig die Übertragung von Keimen auf andere Personen verhindern soll, dient die Hautdesinfektion dem Eigenschutz des Patienten. Ziel ist die Reduktion der Keime der lokalen Hautflora (residente Flora) sowie eine Beseitigung oder Abtötung erworbener Keime (transiente Flora), um eine Infektionsübertragung auf die eigene Haut, Schleimhaut und Wunden zu verhindern. Dazu werden vor allem alkoholische Stoffe und Iod-Verbindungen, auch in Kombination, eingesetzt. Eine vollständige Keimabtötung findet nicht statt.

 

Eine Hautdesinfektion ist generell vor allen invasiven Eingriffen nötig. Bei jeder Punktion oder Injektion wird die Hautoberfläche verletzt; es besteht die Gefahr, dass Hautkeime, zum Beispiel durch den Stichkanal, in den Körper eindringen. Auch direkte Zugänge in das venöse oder arterielle Gefäßsystem haben ein sehr hohes Infektionspotenzial. Komplikationen nach systemischer Kontamination sind beispielsweise Phlebitiden, Weichteilinfektionen oder eine Bakteriämie bis zur Sepsis.

 

Die Einwirkzeit eines Desinfektionsmittels richtet sich nach der Talgdrüsendichte der Haut. Talgdrüsenreiche Areale benötigen eine längere Einwirkzeit als talgdrüsenarme Regionen. In der Praxis bedeutet dies: Talgdrüsenarm sind zum Beispiel Arme und Beine. Vor Injektionen und Punktionen in diese Hautareale muss das Hautdesinfektionsmittel mindestens 15 Sekunden, je nach Präparat auch länger, einwirken, vor einer Punktion von Gelenken, Körperhöhlen, Hohlorganen und vor Operationen an diesen Stellen mindestens eine Minute. Dagegen muss das Mittel vor allen Eingriffen an talgdrüsenreicher Haut, zum Beispiel am Kopf oder der vorderen und hinteren Schweißrinne, mindestens zehn Minuten einwirken. Wichtig: Während diesen Zeiten muss die Haut ständig befeuchtet sein.

 

Hautdesinfektionsmittel auf Iodbasis haben ein relatives Allergierisiko und sollten bei Patienten mit Schilddrüsenerkrankungen nicht angewendet werden. Alkoholische Präparate sind in der Regel gut verträglich, können aber durch Farbzusätze Hautreizungen verursachen.

 

Schleimhaut desinfizieren

 

Eine Schleimhautdesinfektion ist zum Beispiel beim Legen eines Blasenkatheters unabdingbar. Die Infektionsgefahr durch einen liegenden Dauerkatheter ist hoch, und das Infektionsrisiko nimmt pro Tag um 5 bis 10 Prozent zu. Leider findet man nach 14 Tagen trotz geschlossenem Urinsystem und ordnungsgemäßer Schleimhautdesinfektion bei fast allen Patienten eine Bakteriurie. Diese wird durch verschiedene Faktoren begünstigt:

 

Patienten-individuell, zum Beispiel Obstruktionen des Harntrakts, Diabetes mellitus, Immunsuppression, Immobilität, Polytrauma, Stuhlinkontinenz;

von Personal ausgehend, zum Beispiel unzureichender Ausbildungsstand und somit unnötige Manipulationen am Urinableitungssystem, mangelnde Grundpflege, ungezielte Antibiotikatherapie und damit therapieresistente nosokomiale Harnwegsinfekte;

ungeeignetes Kathetermaterial, zum Beispiel kein biostabiles, biokompatibles Material.

 

Um die Gefahr einer katheterassoziierten Infektion zu minimieren, ist eine wirksame Schleimhautdesinfektion nötig. Geeignete Mittel enthalten Octenidin oder Povidon-Iod.

 

Gerade im häuslichen Bereich leben oft Patienten unterschiedlichen Alters, die sich aufgrund neurologischer oder urologischer Erkrankungen selbst mehrmals am Tag kathetern müssen oder deren Angehörige oder Pflegedienste dies übernehmen. Dafür sind Sterilität und Aseptik sehr wichtig, da sich durch Einbringen von Keimen in die Harnröhre sehr schnell Blasenentzündungen entwickeln können. Zu Hause reichen gründliches Waschen der Hände und eine Intimtoilette mit Einmalwaschlappen und pH-neutraler Seife oder Waschlotion oder Schleimhautantiseptikum aus. Danach kann die Blase mit einem sterilen Einmalkatheter und sterilem Gleitmittel entleert werden. In der Klinik wird beim Legen eines Katheters nach dem Reinigen des Intimbereichs grundsätzlich ein Schleimhautantiseptikum benutzt und mit sterilen Handschuhen gearbeitet. Nach Beendigung der Einwirkzeit des Mittels kann der sterile Katheter vorsichtig in die Blase eingeführt werden und der Urin ablaufen. Als Dauerkatheter sollten nur Systeme aus Silikon verwendet werden.

 

Für eine Schleimhautdesinfektion im Mund, zum Beispiel bei Entzündungen oder Läsionen, eignen sich Desinfizienzien, die Iod-basiert oder Octenidin-haltig sind oder aus der Gruppe der kationenaktiven Substanzen, zum Beispiel Chlorhexidin, stammen. Daneben kommen Naturstoffe und ätherische Öle wie Salbeiextrakt, Thymol, Campher, Pfefferminzöl oder Teebaumöl zum Einsatz.

 

Wann Wunddesinfektion nötig ist

 

Wundantiseptika sind nur nach sorgfältiger Indikationsstellung anzuwenden, da sie die Wundheilung stören. Eine geringe mikrobielle Kontamination oder Kolonisation einer Wunde ist praktisch die Regel und im Allgemeinen irrelevant für den Heilungsverlauf. Viele Bagatellwunden müssen daher gar nicht desinfiziert werden; es reicht, die Wunde mit klarem Wasser zu reinigen und sauber abzudecken.

Tabelle 3: Einteilung der Wundantiseptika nach der Konsensusempfehlung

Substanz Beispiel
geeignet PVP-Iod, Octenidin, Polihexanid
entbehrlich Wasserstoffperoxid, Silber und Silberverbindungen, Benzalkonium
obsolet organische Quecksilberverbindungen, Chinosol, Lokalantibiotika, Farbstoffe

In der Konsensusempfehlung Antiseptika haben Experten verschiedener Länder und Disziplinen evidenzorientiert zum gezielten Einsatz antiseptischer Substanzen an akuten und chronischen Wunden Stellung genommen (10). Geprüft wurden unter anderem Wirkspektrum, rascher Wirkungseintritt, Wirkung bei organischer Belastung, Gewebeverträglichkeit, Allergisierung, geringe Resorption, geringe Resistenzentwicklung, Zelltoxizität und die Indikation der Wundantisepsis. Die Experten teilten die Wundantiseptika in geeignete, entbehrliche und obsolete Präparate ein (Tabelle 3).

 

Nach dieser Konsensusempfehlung ist die Anwendung von Povidon-Iod- und Octenidin-haltigen Antiseptika an akut infizierten und kolonisierten Wunden gleichwertig. Somit kann das Apothekenteam diese Mittel für kleinere Akutwunden im Alltag empfehlen. Die Einwirkzeit liegt zwischen 30 und 90 Sekunden. Silberhaltige Wundauflagen sind laut Konsensusempfehlung sowohl für akute als auch für chronische Wunden entbehrlich. Für chronische, schlecht heilende Wunden, zum Beispiel Unterschenkel- oder Dekubitalgeschwüre, ist Polyhexanid das Mittel der Wahl.

 

Im Rahmen der ärztlichen Therapiefreiheit werden in Deutschland immer noch verschiedene, nicht zugelassene Therapeutika zur Versorgung chronischer Wunden angewendet. Nach neuerer Fachliteratur haben zum Beispiel Lösungen mit Triphenylmethanfarbstoffen, zum Beispiel Brillantgrün, keine therapeutische Indikation mehr, werden aber in individuellen Konzentrationen auch noch in der Wundversorgung verschrieben. Ebenso haben Lebensmittel wie Honig, Zucker und Quark sowie ätherische Öle wie Lavendel- und Teebaumöl keine zugelassene therapeutische Indikation zur Behandlung chronischer Wunden (10).

 

Saubere Arbeitsflächen

 

Das Ziel einer Flächendesinfektion ist die Abtötung oder Inaktivierung von Mikroorganismen, um deren Weiterverbreitung zu verhindern und potenzielle Infektionsketten zu unterbrechen. Geeignete Mittel mit einer schnellen Einwirkzeit von maximal drei Minuten enthalten häufig Isopropanol. In der VAH-Liste sind alle Flächendesinfektionsmittel mit den entsprechenden Einwirkzeiten und Wirkprinzipien gelistet (7).

 

Bei einer Wischdesinfektion werden die Oberflächen oder Geräte desinfizierend gereinigt. Dagegen erreicht eine Sprühdesinfektion nur eine unzuverlässige Wirkung und ist deshalb nur für Produkte geeignet, die nicht wischdesinfiziert werden können. Darüber hinaus gefährdet die Verneblung des Desinfektionsmittels auch den Anwender. Da die Effizienz des Verfahrens von der Beschaffenheit der Oberflächen abhängt, sollten diese glatt, abwaschbar und fugendicht sein. Die Fläche kann wieder benutzt werden, wenn sie sichtbar trocken ist und die angegebene Einwirkzeit eingehalten wurde.

 

In der Rezeptur einer Apotheke sind die Arbeitsflächen vor der Herstellung von Arzneimitteln und sonstigen Zubereitungen zu desinfizieren. Geeignet sind auch hier alkoholische Mittel. Bei der aseptischen Herstellung von Arzneimitteln, zum Beispiel zur parenteralen Anwendung oder zur Anwendung am Auge, müssen zudem alle Geräte, Apparaturen und Gefäße desinfiziert werden.

 

Kaum Resistenzbildung

 

Die bisherigen Erkenntnisse zeigen, dass keine toleranten oder resistenten Mikroorganismen selektiert werden, wenn das Desinfektionsverfahren sachgerecht ausgeführt wird und dabei eine als wirksam befundene Konzentration eines Mittels mit breitem Wirkungsspektrum verwendet wird. Im Gegensatz zu Antibiotika sind Desinfektionswirkstoffe nicht spezifisch, was ihr Angriffsziel betrifft. Sie setzen an verschiedenen Strukturen der Keime an und denaturieren, fixieren oder oxidieren diese beispielsweise. Die eingesetzten Konzentrationen liegen bis zu 10000-fach über der minimal inhibierenden Konzentration (MIC: geringste Konzentration, die noch eine Wirkung auf die Mikroorganismen hat). Dies macht eine Resistenzbildung wie bei den Antibiotika fast unmöglich.

 

Allerdings lassen sich unter besonderen Bedingungen, zum Beispiel Vorliegen eines Biofilms, Bakterienstämme mit verminderter Empfindlichkeit oder Toleranzentwicklung prinzipiell auch bei richtiger Dosierung von Desinfektionsmitteln selektieren. Diese zeigen dann eine erhöhte Toleranz gegen die Mittel. Bei der Anwendung von Desinfektionsmitteln ist ein hohes Maß an Sachkunde nötig, denn nicht sachgerecht angewendet können sie unwirksam sein.

 

Mitunter wird über die Entsorgung der Lösungen diskutiert. Kleinere Reste von Hände-, Wund- und Schleimhautdesinfektionsmitteln können in das Abwasser gegeben werden. Dabei sind gegebenenfalls behördliche Grenzwerte für einzelne Wirkstoffe oder chemische Gruppen zu beachten. Abschließend werden die Desinfektionsmaßnahmen am Beispiel von bakteriellen und viralen Infektionen im Krankenhaus erläutert.

 

Dem MRSA zu Leibe rücken

 

Ein weltweites, immer häufigeres Problem in Krankenhäusern, Pflege- und Altenheimen und zunehmend auch im häuslichen ambulanten Bereich sind Infektionen durch multiresistente Erreger wie MRSA (Methicillin-resistente Staphylokokken) und VRE (Vancomycin-resistente Enterokokken). Die Keime werden von kolonisierten oder infizierten Personen in Krankenhäuser und andere Einrichtungen gebracht oder durch Antibiotikatherapien selektiert. Kontamination und/oder Infektion mit diesen Keimen erfordern im Krankenhaus spezielle Hygienemaßnahmen und eine Isolierung der Patienten, was einen hohen medizinischen und pflegerischen Aufwand bedeutet. Auch bei der Behandlung von Patienten mit MRSA-Kontamination in ambulanten Einrichtungen des Gesundheitswesens müssen spezielle Hygiene- und Desinfektionsmaßnahmen getroffen werden (siehe dazu Titelbeitrag Problemkeime: Vernetzter Kampf gegen MRSA).

 

MRSA siedeln vorwiegend auf Schleimhäuten, zum Beispiel im Nasen- und Rachenraum oder in der Leistengegend. Die Keime sind sehr widerstandsfähig, sodass sie auch auf Oberflächen und Instrumenten sowie am Bett überleben und durch Händekontakt weitergegeben werden können. Deshalb ist die Händedesinfektion die wichtigste Maßnahme zur Verhinderung der Ausbreitung. Ferner müssen Ärzte und Pfleger spezielle Schutzvorkehrungen treffen. Zum Eigenschutz und zum Schutz anderer Patienten müssen sie Isolierkittel, Mundschutz und Schutzhandschuhe tragen, sobald sie das Patientenzimmer betreten. Eine gründliche Händedesinfektion bei Verlassen des Zimmers ist trotz Handschuhen unerlässlich. Ein spezielles Händedesinfektionsmittel ist aber nicht notwendig.

 

Um zum Beispiel eine MRSA-Besiedlung zu eradizieren, müssen neben einer eventuell indizierten antibiotischen Therapie die befallenen Stellen lokal mit geeigneten Antiseptika behandelt werden. Vorab ist eine mikrobielle Untersuchung durch Abstriche nötig; diese erfolgen aus Nase, Rachen, allen Wunden und Hautdefekten, Urin sowie Bronchialsekret bei beatmeten Patienten

 

Zur Lokaltherapie bei MRSA-Besiedelung sind Polyhexanid und Octenidin geeignet. In den aktuellen RKI-Richtlinien wird immer noch Mupirocin beschrieben. Jedoch existieren bereits diverse Resistenzen gegen Mupirocin, da es sich hierbei um einen antibiotischen Wirkstoff handelt (6). Für die Dekontamination lautet die Empfehlung: bei nasaler Besiedlung drei- bis fünfmal täglich Polyhexanid- oder Octenidin-haltige Nasensalbe oder -gel (nach RKI dreimal täglich Mupirocin-haltige Nasensalbe) in beide Nasenvorhöfe einbringen und unter kreisenden Bewegungen verteilen. Wenn eine Kontamination im Rachenraum vorliegt, erfolgt zwei- bis dreimal täglich eine Rachenspülung mit einer antiseptischen Lösung. Bei einer Besiedlung der Haut sollte ein- bis zweimal täglich eine Ganzkörperwaschung mit einer antimikrobiell wirksamen Waschlotion erfolgen. Wichtig ist wiederum, dass die Einwirkzeit beachtet wird. Bettwäsche, Kleidung und Utensilien der Körperpflege sollten täglich gewechselt, gewaschen oder desinfiziert werden.

 

Allgemein wird eine Sanierung über fünf bis sieben Tage empfohlen, bevor eine Pause eingelegt wird. Anschließend wird durch Abstriche kontrolliert, ob die Maßnahme erfolgreich war oder ob ein zweiter Zyklus angeschlossen werden muss.

 

Rasch handeln bei Noro-Viren

 

Besonders im Frühjahr und im Herbst treten Noro-Viren gehäuft auf. Sie verursachen bei Erwachsenen bis zu 50 Prozent und bei Kindern bis zu 30 Prozent der nicht-bakteriellen akuten Gastroenteritiden. Die wichtigste Ansteckungsquelle sind neben kontaminierten Lebensmitteln infizierte Menschen, die die Viren mit dem Stuhl ausscheiden. Diese können aber auch auf dem Luftweg (Erbrechen) übertragen werden. Noro-Viren verdanken ihren Namen dem Ort ihrer Entdeckung: Norwalk (Ohio, USA). Die hoch infektiösen Viren sind ausgesprochen resistent gegenüber Desinfektionsmitteln und Umwelteinflüssen.

 

Die Infektion äußert sich in einer Magen-Darm-Erkrankung mit heftigen Durchfällen und Erbrechen. Dies kann vor allem für Personen mit geschwächtem Immunsystem lebensbedrohlich sein, denn die Gastroenteritiden können zu einem erheblichen Flüssigkeitsverlust führen. Hinzu kommen ausgeprägtes Krankheitsgefühl und Symptome wie abdominale Schmerzen, Übelkeit, Kopfschmerzen und Myalgien. Die Krankheit ist bei Verdacht und Erkrankung (§ 6 IfSG: akute Gastroenteritis) bei zwei oder mehreren gleichartigen Erkrankungen bei vermutetem epidemiologischen Zusammenhang meldepflichtig. Bei Beschäftigten im Lebensmittelbereich ist jede Erkrankung meldepflichtig (§ 42 IfSG).

 

Im Krankenhaus müssen erkrankte Personen in Räumen mit eigener Toilette untergebracht werden. Im Notfall ist eine Kohortenisolierung möglich. Um eine Übertragung von Mensch zu Mensch zu verhindern, müssen Ärzte, Pflegende und Angehörige Schutzhandschuhe tragen und ihre Hände regelmäßig mit einem geeigneten (viruziden) Händedesinfektionsmittel, das mindestens 98 Prozent Ethanol enthält, desinfizieren. Die Einwirkzeiten, je nach Herstellerangaben meist eine bis zwei Minuten, sind unbedingt einzuhalten. Ein Mundschutz hilft, eine Ansteckung durch virushaltige Aerosole zu verhindern. Kontaminierte Oberflächen patientennaher Bereiche, zum Beispiel Nachttisch, WC-Sitz, Türgriffe, medizinische Geräte, Fußböden und Inventar, müssen mit einem alkoholischen Desinfektionsmittel mindestens zwei Minuten feucht abgerieben werden. Leib- und Bettwäsche sowie das Essgeschirr der Patienten sollten bei mindestens 60 °C gewaschen werden.

 

Aufgrund des raschen Ausbruchs der Krankheit ist schnelles hygienisches Handeln erforderlich. Sind Isolation und Hygienemaßnahmen das A und O zur Kontrolle von Noro-Virus-Ausbrüchen, so reichen konsequent ausgeführte Hygiene- und Desinfektionsmaßnahmen vielfach aus, um nosokomiale Infektionen zu verhindern. Auch in der Apotheke und im Labor sind diese Maßnahmen die Grundlage des korrekten Arbeitens.

Literatur

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Kappstein, I., Nosokomiale Infektionen. Zuckerschwerdt Verlag München 2002.

Bösel, B., et al., Praktikum des Infektions- und Impfschutzes. H. Hoffmann GmbH Verlag Berlin 1995.

Kayser, F. H., et al., Medizinische Mikrobiologie. Georg Thieme Verlag Stuttgart 1997.

Geffer, C., et al., Nosokomiale Infektionen. Heft 8 aus der Reihe »Gesundheitsberichterstattung des Bundes«; Robert-Koch-Institut Berlin 2002.

RKI, Informationsblatt zur Desinfektionsmittel-Liste des Robert Koch-Institutes gemäß §18 IfSG. Bundesgesundheitsblatt 10 (2007) 1332-1334.

Wischnewski, N., et al., Übersicht über aktuelle Eradikationstrategien bei MRSA aus verschiedenen Ländern. Hyg. Med. 32, Nr. 10 (2007) 389-394.

Desinfektionsmittelliste des VAH. Stand 1. Januar 2006.

Stock, B., Lauterbach, S., Hygiene und nosokomiale Infektionen. PZ Prisma 15, Nr. 2 (2008) 111- 119.

Mielke, M., Das Problem der nosokomialen Infektionen und Antibiotikaresistenzen aus mitteleuropäischer Sicht. Robert-Koch-Institut Berlin 2008.

www.werner-sellmer.de/Downloads

 

Die Autoren

Annett Pfeiffer war nach der Ausbildung zur Kinderkrippenerzieherin in Görlitz bis 1990 in diesem Beruf tätig. Es folgte eine Ausbildung zur Krankenschwester in Kassel. Seit 1994 arbeitet Pfeiffer als Krankenschwester auf der Intensivstation des Rotes-Kreuz-Krankenhauses in Kassel und absolvierte dort von 1995 bis 1997 eine Ausbildung zur Fachkrankenschwester in der Intensivpflege. Dort ist sie Mitglied des Arbeitskreises Wundversorgung und seit 2007 Wundexperte ICW.

 

Silke Lauterbach studierte von 1994 bis 1999 Pharmazie in Marburg. Sie ist Fachapothekerin für Klinische Pharmazie und arbeitet im Rotes-Kreuz-Krankenhaus in Kassel als stellvertretende Apothekenleiterin und Leiterin der Materialwirtschaft. Seit 2002 leitet sie den Arbeitskreis Wundversorgung im Krankenhaus. Sie ist Autorin einer Wundfibel sowie Dozentin für die Landesapothekerkammer Hessen und in der innerbetrieblichen Fortbildung des Hauses.

 

Für die Verfasserinnen:

Silke Lauterbach

Apotheke im Rotes-Kreuz-Krankenhaus Kassel Gemeinnützige GmbH

Hansteinstraße 29

34121 Kassel

apotheke(at)rkh-kassel.de

Links zum Titelbeitrag

 

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