Ersatzkassen eifern AOK nach |
06.03.2007 16:52 Uhr |
Ersatzkassen eifern AOK nach
Von Daniel Rücker
Rabattverträge stehen bei den Krankenkassen hoch im Kurs. Nach der AOK wollen nun sieben Ersatzkassen Preisnachlässe bei der Industrie aushandeln.
Bis zum 28. März haben Pharmahersteller Gelegenheit, Angebote für neun Wirkstoffe abzugeben. Die Zielpreise für Amoxicilin, Ciprofloxacin, Clarithormycin, Clindamycin, Omeprazol, Roxithromycin, Simvastatin, Tilidin/Naloxon und Tramadol haben die Ersatzkassenverbände VdAK/AEV bereits vorgegeben. So dürfen die Hersteller etwa für 100 Tabletten Omeprazol 40 mg nicht mehr als 63,47 Euro berechnen. Zudem müssen sie bei jedem Wirkstoff Rabatte für alle PZN anbieten.
Die Verbände verhandeln im Auftrag von sieben Einzelkassen. DAK, HEK, HMK, hkk, GEK, HZK und KEH haben zusammen 8,7 Millionen Versicherte. Anders als beim AOK-Vertrag, bei dem maximal drei Anbieter pro Wirkstoff zugelassen werden, lassen die Ersatzkassen jeden Hersteller mitmachen, der die Preisvorgaben erfüllt. Der Zeitplan der sieben Ersatzkassen ist ehrgeizig. Bereits zum 1. April soll der Vertrag in Kraft treten.
Schon jetzt dürfte klar sein, dass dies nicht funktionieren wird, da die Apotheken die rabattierten Medikamente erst dann abgeben, wenn die entsprechenden Daten in die Warenwirtschaftssysteme integriert sind. Das kann kaum zwischen 28. März und 1. April geschehen. Die Vertragslaufzeit beträgt ein Jahr. Bis zu 30 Millionen Euro wollen die Krankenkassen über die Rabattvereinbarung einsparen. Wenn der Vertrag ein Erfolg wird, soll er um weitere umsatzstarke Medikamente ergänzt werden.
Die Vorstandsvorsitzende der Ersatzkassenverbände, Doris Pfeiffer, erklärte, mit dem Vertrag sollten die Spielräume für eine wirtschaftliche Arzneimittelversorgung genutzt werden, die das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vorgibt. Pfeiffer setzt darauf, dass Hersteller, Ärzte und Apotheker die Vereinbarungen unterstützen.
Die Apotheker haben bereits mehrfach bekundet, dass sie Rabattverträge zwischen Krankenkassen und Pharmaherstellern unterstützen wollen. Rabatte sollten dort ausgehandelt werden, wo die Preise gemacht werden. Zudem sind die Apotheker ab dem 1. April verpflichtet, Arzneimittel, für die Rabattvereinbarungen existieren, bevorzugt abzugeben.
Der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands, Hermann S. Keller, hatte im Zusammenhang mit dem AOK-Vertrag aber auch klargestellt, dass dafür bestimme Voraussetzungen erfüllt sein müssen. So ist es zwingend notwendig, dass die PZN der rabattierten Arzneimittel in die Warenwirtschaftssysteme integriert sind. Außerdem muss die Lieferfähigkeit der beteiligten Hersteller sichergestellt sein, und es muss eine Vereinbarung geben, wie Apotheker bei einem verordneten, aber nicht lieferbaren Medikament verfahren sollen.
Mit der AOK, die vor einigen Wochen einen bundesweiten Vertrag mit elf Generikaherstellern geschlossen hat, werden diese Punkte zurzeit ausgehandelt. Wie Keller auf der Mitgliederversammlung des Landesapothekerverbands Rheinland-Pfalz sagte, haben AOK und DAV eine Friedenspflicht bis Ende Juni vereinbart. Analoge Verhandlung zwischen Ersatzkassen und DAV würden wohl ebenfalls notwendig.
Währenddessen ist der Vertrag der AOK weiter in der Diskussion. Verbraucherschützer kritisieren, dass die Ortskrankenkassen in Baden-Württemberg einen erheblichen Teil des Rabattvolumens an die verordnenden Ärzte weitergeben. Die Ärzte erhalten von der AOK in den beiden ersten Quartalen des Jahres 65 Prozent der Einsparungen, langfristig sinkt dieser Anteil auf 30 Prozent.
Der Präsident des Allgemeinen Patientenverbandes, Christian Zimmermann, hält dies für indiskutabel: »Solche Kick-back-Geschäfte sind eine Verleitung zur Korruption. Das Geld sollte an die Patienten gehen«, sagte er dem »Spiegel«.
Tatsächlich untersagt die von der Bundesärztekammer verfasste Berufsordnung für Ärzte, für die Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln sowie Medizinprodukten Geld oder andere Vergünstigungen von Dritten anzunehmen. Die Berufsordnung der baden-württembergischen Ärzte schränkt die Vorteilsnahme dagegen ein. Nur wenn Hersteller oder Händler Bares bieten, ist dies verboten.
Sonderregel in Baden-Württemberg
Zweifelhaft bleibt aber auch in Baden-Württemberg, warum die Ärzte einen Bonus für eine Arbeit erhalten, die zu ihren normalen Pflichten zählt. Zwar dürften sie in den ersten Wochen ein wenig mehr Arbeit haben, weil sie den Patienten den Grund für die Medikamentenumstellung erklären müssen. Aber sogar der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, Dr. Achim Hoffmann-Goldmayer, erklärte während einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der AOK, dass die Ärzte langfristig sogar weniger Arbeit durch den Rabattvertrag hätten.
Die AOK Baden-Württemberg hat ihre Rabattaktion bei Medikamenten verteidigt. »Wir geben Rabatte von Firmen an die Ärzte und Patienten weiter«, sagte Christopher Hermann, Vorstandsvize der AOK Baden-Württemberg. Zugleich wies er den Angriff des Patientenverbands zurück. Hermann betonte, es gebe keine direkte Beziehung zwischen der Verordnung von Medikamenten und dem Geld, das ein Arzt bekomme. Das widerspricht allerdings dem Vertrag zwischen AOK und Kassenärztlicher Vereinigung. Dort heißt es: »Der Vergütungsanspruch wird je Wirkstoff, für den die AOK Baden-Württemberg Rabattverträge geschlossen hat, praxisindividuell berechnet.«