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Koinfektionen

Wenn Keime doppelt zuschlagen

08.02.2011  17:36 Uhr

Von Daniela Biermann, Hamburg / Eine einfache Infektion mit HIV, Hepatitis C oder Tuberkulose ist schon schlimm genug – wenn zwei Erreger zusammenkommen, sieht es für den Patienten oft noch schlechter aus. Wissenschaftler versuchen zu verstehen, wie sich die Infektionen gegenseitig beeinflussen.

»In der Praxis haben wir es oft mit gemischten Infektionen durch zwei oder mehr Erreger zu tun. Das hat Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf, die Reaktionen des Körpers und schlussendlich auf den Behandlungserfolg«, so Professor Dr. Ulrich Schaible vom Forschungszentrum Borstel (FZB) bei einem Symposium des Leibniz Center Infection in Hamburg. Neben dem FZB gehören das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin und das Heinrich-Pette-Institut für Experimentelle Virologie und Immunologie zu diesem Forschungsverband. »Koinfektionen können zum Beispiel die Immunität gegen andere Infektionserreger unterdrücken oder auch überschießende Reaktionen des Abwehrsystems auslösen«, erklärte Schaible.

 

Eine der häufigsten Koinfektionen weltweit ist das Zusammentreffen von Tuberkulose und HIV. Mycobacterium tuberculosis schlummert bei den meisten Infizierten tief im Lungengewebe vor sich hin. Eine HIV-Infektion und auch deren Therapie kann jedoch zum Ausbruch einer aktiven Tuberkulose mit atypischen Symptomen führen, erläuterte der britische Infektiologe Professor Dr. Robert J. Wilkinson vom Imperial College London. »Die Wechselwirkungen sind sehr komplex.« Bislang gibt es noch keine Behandlungsempfehlungen, dabei ist die Zahl der Koinfizierten riesig. So ist schätzungsweise ein Drittel der 33 Millionen HIV-Infizierten weltweit latent mit Tuberkulose infiziert. Vor allem Länder mit schlechten hygienischen Verhältnissen sind betroffen. So ist Tuberkulose auch eine der häufigsten Todesursachen bei HIV-Infizierten: Ein Viertel der Aids-Todesfälle geht auf die Lungenerkrankung zurück .

 

Malaria und Tuberkulose

 

Ein weiteres relevantes Beispiel ist die Koinfektion von Malaria und Tuberkulose: Die Endemiegebiete der beiden Erkrankungen überlappen sich stark, sagte Dr. Bianca Schneider vom FZB Borstel. Die Erreger beeinflussen sich im Körper gegenseitig. Das Mycobakterium löse im Blut eine starke T-Zell-Antwort aus, die helfe, den Malaria-Parasiten aus dem Blut zu beseitigen. Am Mausmodell konnte Schneider zeigen, dass manche zuvor mit Tuberkulose infizierte Tiere nur frühe Stadien einer Malaria-Infektion und kaum Symptome zeigten. Sie starben aber trotzdem. Schlüsse für die Praxis ließen sich aus den neuen Erkenntnissen bislang nicht ziehen.

 

HIV und Hepatitis

 

Auch HIV und Hepatitis-C-Viren gehen eine ungünstige Liaison ein. »Das ist eine große Herausforderung für das Immunsystem«, sagte Dr. Julian Schulze zur Wiesch vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Nach Schätzungen sind rund 130 Millionen Menschen weltweit chronisch an Hepatitis C erkrankt; 33 Millionen sind HIV-positiv. Etwa 5 bis 10 Millionen könnten koinfiziert sein. Da die beiden Infektionskrankheiten hierzulande vor allem eine erhöhte Inzidenz bei Drogensüchtigen zeigen, schätzt Schulze zur Wiesch die Rate der Hepatitis-C-Positiven, die mit HIV koinfiziert sind, auf 20 Prozent.

 

Normalerweise liegt die Chance einer Spontanheilung bei einer Hepatitis-C- Infektion bei 20 bis 50 Prozent. Ein chronischer Verlauf kann unbehandelt in rund 25 Jahren zu einer schweren Schädigung der Leber führen. Mit einer HIV-Infektion verkürzt sich dieser Zeitraum auf 15 Jahre. Da die HI-Viren die Immunabwehr unterdrücken, sind die Spontanheilungschancen einer Hepatitis C bei HIV-Positiven geringer. Als geheilt gelten bislang Patienten, bei denen die Hepatitis-C-Viren nicht mehr nachweisbar sind. Bei HIV-Infizierten sei es jedoch schon zu Rückfällen gekommen, was darauf schließen lässt, dass sich die Hepatitis-Viren weiter im Körper verstecken.

 

Nicht nur die Immunsuppression durch das HI-Virus selbst ist problematisch, sondern auch die schädigende Auswirkung der hoch aktiven antiretroviralen Therapie (HAART) auf die Leber. Manche HIV-Medikamente führen zu Steatosen, Insulinresistenzen oder wirken sogar direkt hepatotoxisch. »Jeder Patient muss individuell betrachtet werden«, so der Mediziner. »Doch in der Regel sollte eine HAART möglichst früh beginnen.« Schulze von Wiesch hofft auf neue Medikamente. Die Hepatitis-C-Therapie selbst stelle derzeit immer noch eine Herausforderung dar. Doch in diesem Jahr wird erstmals die Zulassung eines Protease-Inhibitors gegen das Hepatitis-C-Virus erwartet (siehe dazu Hepatitis C: Neue Therapiemöglichkeiten erwartet, PZ 05/2011), der sich auch gegen die HI-Viren richten könnte. 2014 könnte ein Polymerase-Inhibitor folgen. /

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