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Arthrose

Hilfe bei Gelenkverschleiß

25.01.2011  17:36 Uhr

Von Annette Mende / Die Arthrose ist die häufigste Gelenkerkrankung überhaupt. In Deutschland ist mehr als jeder Fünfte von dem fortschreitenden Gelenkverschleiß betroffen. Immer wieder wecken angebliche »Wundermittel« bei Patienten Hoffnung auf eine mögliche Heilung der Erkrankung – aber was hilft wirklich und wo sind die Grenzen der Selbstmedikation?

Bei Arthrose nimmt die Knorpelmasse im Gelenk infolge von Abnutzung immer weiter ab. Die Inzidenz steigt mit dem Lebensalter, weitere Risikofaktoren sind weibliches Geschlecht, Über- und Fehlbelastungen der Gelenke sowie genetische Veranlagung. Betroffen sind häufig die großen Gelenke wie Hüfte (Coxarthrose), Knie (Gonarthrose) und Schulter (Omarthrose). Die Erkrankung schreitet langsam, aber kontinuierlich fort. Der Knorpelabrieb kann so groß sein, dass der darunter liegende Knochen frei liegt und es bei Bewegung knirscht.

Leitsymptom der Arthrose sind Schmerzen. In der Frühphase der Erkrankung schmerzen die betroffenen Gelenke vor allem zu Beginn einer Belastung (»Anlauf­schmerz«) und bei Ermüdung. Ist der Gelenkverschleiß bereits weiter fortgeschritten, haben die Patienten dauernd Schmerzen, auch nachts. Die Beweglichkeit der arthrotischen Gelenke ist eingeschränkt. Kommt noch eine Entzündung hinzu, schwillt das Gelenk an, ist überwärmt und es bildet sich ein Gelenk­erguss.

 

Im Fokus: Schmerzlinderung

 

Das oberste Ziel jeder Arthrose-Therapie wäre es, den kontinu­ier­lichen Verlust an Knorpelmasse und damit das Fortschreiten der Erkrankung aufzuhalten oder sogar rückgängig zu machen. Lei­der ist das aber mit den der­zeit zur Verfügung stehenden Pharmaka nicht möglich.

 

Die Therapie der Arthrose hat daher vornehmlich die Reduktion der Schmerzen zum Ziel, im Fall einer sekundären Entzündung auch die Entzündungshemmung. Darüber hinaus soll die Therapie Funktion und Beweglichkeit der betroffenen Gelenke verbessern. Da die Arthrose eine langsam fortschreitende Erkrankung ist, ist auch die pharmakologische Therapie langwierig. Auf Nebenwirkungen und Kontraindikationen der verwendeten Arzneimittel ist daher besonders genau zu achten.

 

Bei leichten Beschwerden ohne Entzündungszeichen empfiehlt die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Paracetamol zur Schmerzlinderung. Beratungsbedarf besteht hier wegen der Lebertoxizität des Wirkstoffs bei Überschreitung der maximalen Tagesdosis von 4 g. Nimmt der Patient zusätzlich kurzfristig, etwa gegen Erkältung, frei verkäufliche Paracetamol-haltige Kombipräparate ein, besteht die Gefahr der unbeabsichtigten Überdosierung. Bei Leberschäden, Alko­holabusus und Unterernährung muss die Dosis reduziert werden.

Ist das Gelenk entzündet, kann zunächst ein Behand­lungs­versuch mit topisch applizierten nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR) unternommen werden. Diclofenac, Ibuprofen, Ketoprofen und Piroxicam erwiesen sich in einer aktuellen Cochrane-Metaanalyse bei lokaler Anwen­dung allesamt als wirksam gegen akute Schmerzen bei Erwachsenen (doi 10.1002/14651858.CD007402.pub2). Welcher Arzneistoff dabei am besten wirkte, konnte anhand der ausgewerteten Daten nicht bestimmt werden. Indometacin und Benzydamin (in Deutschland nicht für diese Indikation zugelassen) waren jedoch nicht wirksamer als Placebo.

 

Nach äußerlicher Anwendung erreichen zwar die NSAR keine therapeutisch wirksamen Konzentrationen im Gelenk, sie penetrieren aber in die das Gelenk umgeben­den Gewebeschichten. Besonders bei Schmerzen in oberflächennahen Gelenken wie dem Knie oder der Hand kann daher ein Therapieversuch sinnvoll sein. Zur Wirksamkeit trägt auch der Massageeffekt durch die Einreibung bei. Das Ausmaß der perkutanen Resorption ist gering und hängt von der Größe der behandelten Fläche ab, nicht von der Dicke der aufgetragenen Schicht. Im Vergleich zur oralen Gabe von NSAR sind systemische Nebenwirkungen bei der lokalen Anwendung deutlich seltener, bei besonders empfindlichen Personen kann es aber auch nach topischer Anwendung zu Nierenschäden und Magen-Darm-Blutungen kommen.

 

Bei Arthrose ohne Entzündungszeichen kann die lokale Anwendung von Wärmesalben auf Capsaicinbasis schmerz­lindernd wirken. Hierbei spielt vermutlich vor allem der oben erwähnte Massage­effekt eine Rolle. Es kann zu Überempfindlichkeitsreaktionen und Allergisierung kommen.

 

Reicht die Schmerzlinderung durch die lokale NSAR-Anwendung nicht aus, kann der Arzt orale Analgetika verordnen. Mittel der ersten Wahl sind die klassischen NSAR wie Acetylsalicylsäure, Diclofenac, Ibuprofen, Indometacin und Meloxicam. Zu beachten sind hier vor allem die möglichen gastrointestinalen Nebenwirkungen und die Interaktionen etwa mit Diuretika oder ACE-Hemmern. Der Apotheker sollte den Patienten über Symptome einer möglichen gastrointestinalen Blutung wie Oberbauchschmerzen und Teerstühle informieren. Zur Senkung des gastrointestinalen Risikos kann die Therapie mit NSAR mit einem Protonenpumpenhemmer oder Misoprostol kombiniert werden.

 

Alternativ zu den klassischen NSAR kommen für die Behandlung der Arthrose auch COX-2-Hemmer wie Celecoxib oder Etoricoxib infrage. Wichtigste Nebenwirkung dieser Substanzklasse ist die Erhöhung des kardiovaskukären Risikos. Möglich sind auch die kurzfristige Gabe von Opioidanalgetika, die Injektion von Glucocorticoiden in das Gelenk oder als letzte Option der Ersatz des arthrotischen Gelenks durch eine Endoprothese.

 

Hoffnung auf eine effektive Schmerzlinderung weckte vor Kurzem der monoklonale Antikörper Tanezumab, der gegen den schmerzvermittelnden Nerve Growth Factor (NGF) gerichtet ist. Eine Phase-III-Studie mit Tanezumab bei Kniearthrose musste jedoch abgebrochen werden, da es gehäuft zu schweren Gelenkschäden gekommen war. Die Patienten hatten ihre Knie wegen der fehlenden Schmerzen zu stark belastet.

 

Chondroprotektiva: Gut oder böse

 

Die Wirksamkeit von Glucosamin und Chondroitinsulfat als Chondroprotektiva konnte bislang nicht eindeutig belegt werden. Im Herbst 2010 erschien im britischen Ärzteblatt eine Metaanalyse, in der kein Vorteil von Glucosamin, Chondroitinsulfat oder einer Kombination aus beidem gegenüber Placebo bei der Therapie der Arthrose gefunden wurde (doi: 10.1136/bmj.c4675). Weder Glucosamin noch Chondroitinsulfat noch die kombinierte Anwendung beider Arzneistoffe verminderten die Gelenkschmerzen oder das Fortschreiten der Arthrose stärker als Placebo. Das Ergebnis deckt sich mit dem der sogenannten GAIT-Studie aus dem Jahr 2006 (doi 10.1056/NEJMoa052771). Bemerkenswert war die in dieser Studie gemessene hohe Placebowirkung: Bei 60 Prozent der Patienten besserten sich die Arthrose-Schmerzen unter Placebo deutlich.

 

Hinweise auf einen möglichen Schaden der Therapie mit Glucosamin gab kürzlich eine im »Journal of Endocrinology« erschienene Studie (doi: 10.1677/JOE-10-0243). Darin führten sehr hohe Dosen von Glucosamin in vitro zum Tod von Insulin produzierenden Pankreaszellen. Die in dem Versuch verwendeten Konzentrationen überstiegen allerdings die mit der üblichen oralen Dosierung von 1,5 g Glucosamin erreichbaren Plasmawerte um das Fünf- bis Zehnfache.

Unterstützende Maßnahmen

Abnehmen bei Übergewicht

Sport, zum Beispiel Schwimmen, Radfahren, Gymnastik oder Skiwandern

Gehhilfe

festes Schuhwerk mit gepufferten Absätzen

Krankengymnastik

Badekuren

Wärmetherapie (wenn das Gelenk nicht entzündet ist)

 

Eine allgemeine Warnung vor dem Einsatz von Glucosamin bei Arthrose ist daher aus dieser Studie nicht abzuleiten. Generell kontraindiziert ist Glucosamin allerdings bei Menschen mit Schalentierallergie. Unter der Einnahme von Glucosamin besteht die Gefahr einer Hypercholesterinämie sowie einer Erhöhung der INR bei Einnahme von Vitamin-K-Antagonisten.

 

Zum Nutzen einer Injektion von Hyaluronsäure in das arthrotische Gelenk gibt es widersprüchliche Studienergebnisse. Während die Autoren einer Cochrane-Metaanalyse 2009 eine Verbesserung von Beschwerden und Gelenkfunktion bei Kniegelenksarthrose belegt sahen (doi 10.1002/14651858.CD005321.pub2), fand sich in einer anderen Metaanalyse kein Unterschied zu Placebo (doi 10.1503/cmaj.1041203). Die Autoren eine JAMA- Metaanalyse aus dem Jahr 2004 stellen zudem ein Publikationsbias fest, der vermuten lässt, dass auch negative Studien­ergebnisse vorliegen, die jedoch nicht veröffentlicht wurden (doi 10.1001/jama.290.23.3115). In jedem Fall stellt die Punktion des Gelenks mit der Injektions­nadel ein Infektionsrisiko dar.

 

Da es sich bei der Arthrose um eine Volkskrankheit mit hohem Leidensdruck handelt, ist es nur verständlich, dass viele Patienten die begrenzten Möglichkeiten der Pharmakotherapie als unbefriedigend empfinden und zusätzlich »etwas tun« wollen. Ihnen kann man vor allem gelenkschonende moderate sportliche Betätigung empfehlen (siehe Kasten).

 

Unterstützend können pflanzliche Mittel wie Teufelskrallen- oder Weiden­rindenextrakt gegeben werden. Beide Phytopharmaka erwiesen sich in einer Cochrane-Metaanalyse als wirksam gegen Schmerzen (doi 10.1002/14651858.CD004 504.pub3), allerdings waren hier Patienten mit Rückenschmerzen und nicht mit Arthroseschmerzen untersucht worden. Wirksame Dosierungen waren Teufels­krallenwurzelextrakt standardisiert auf 50 oder 100 mg Harpagosid täglich und Weidenrindenextrakt standardisiert auf 120 oder 240 mg Salicin täglich.

 

Ein signifikanter Nutzen von Nahrungsergänzungsmitteln wie Grünlipp­muschelextrakt oder Omega-3-Fettsäuren bei Arthrose konnte bislang noch durch keine belastbaren Studien nachgewiesen werden. Nicht belegt ist auch die Wirkung von Vitamin E als Chondroprotektivum. / 

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