Projekte, Prozesse und Prognosen |
07.01.2014 10:08 Uhr |
Von Daniel Rücker / Die neue Bundesregierung scheint die Apotheken nicht in das Zentrum ihrer Gesundheitspolitik stellen zu wollen. Gute Chancen also, die Projekte des Berufsstandes voranzutreiben? Im Prinzip trifft das zu – es sei denn, die Arzneimittelausgaben steigen schneller als dies heute noch erwartet wird. Auf den folgenden Seiten wirft die PZ-Redaktion einen Blick auf das Jahr 2014.
Apotheker, Ärzte und die anderen Akteure im Gesundheitswesen werden es in den kommenden vier Jahren mit dem ehemaligen CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe als neuen Gesundheitsminister zu tun haben. Damit werden die Heilberufler vermutlich deutlich besser leben können als mit einem Minister Professor Karl Lauterbach (SPD).
Auf dem DAT soll das Leitbild der Öffentlichkeit präsentiert werden.
Foto: PZ/Müller
Der Nordrhein-Westfale Gröhe wird einem freiberuflich geprägten Gesundheitswesen deutlich positiver gegenüberstehen als der Kölner Gesundheitsökonom. In einer Stellungnahme von Bündnis Gesundheit 2000, einen Zusammenschluss verschiedener Organisationen aus dem Gesundheitswesen, zu dem auch die ABDA gehört, wünschten sich die Heilberufler, der neue Gesundheitsminister möge »das Engagement und die Motivation der Gesundheistberufe stärken« und »auf deren Sachverstand und Erfahrung in der Patientenbehandlung nicht verzichten«.
Staatssekretär Laumann
Die Hoffnung auf ein freiberuflich geprägtes Gesundheitswesen in den kommenden Jahren ist sicherlich nicht ganz unberechtigt. Die nordrhein-westfälische CDU steht ganz sicher nicht unter dem Verdacht, die Selbstverwaltung zugunsten einer stärkeren staatlichen Steuerung zurückzufahren. Die Berufung des ehemaligen NRW-Gesundheitsministers Karl-Josef Laumann (CDU) zum beamteten Staatssekretär dürfte diese Hoffnung weiter nähren.
Laumann hatte sich während seiner Amtszeit von 2005 bis 2010 intensiv – aber letztlich erfolglos – für ein Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln eingesetzt. Mit Annette Widmann-Mauz und Ingrid Fischbach kommen auch die beiden parlamentarischen Staatssekretäre aus der CDU.
Als Quereinsteiger in die Gesundheitspolitik ist Gröhe aber nicht ganz einfach einzuschätzen. Mit der Reform des Kliniksektors und einem neuerlichen Anlauf zu einem Präventionsgesetz steht der Newcomer vor Aufgaben, um die er nicht zu beneiden ist.
Außerdem drohen steigende Beiträge für gesetzlich Krankenversicherte. Sie müssen nach Einschätzung des Bundesversicherungsamts (BVA) mittelfristig deutlich mehr bezahlen. Wenn sich die Einnahmen und Ausgaben wie in der Vergangenheit weiterentwickeln, sei mit einem Zusatzbeitrag im Jahr 2017 von 1,6 Prozent bis 1,7 Prozent des beitragspflichtigen Einkommens zu rechnen, sagte BVA-Präsident Maximilian Gaßner. In den kommenden Jahren steigen die GKV-Ausgaben demnach um rund 3 Prozent pro Jahr, die Einnahmen aber um weniger als 2 Prozent. Nach dem Koalitionsvertrag von Union und SPD soll der Beitragssatz von heute 15,5 Prozent auf 14,6 Prozent des Einkommens fixiert werden. Diesen Betrag teilen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Brauchen die Krankenkassen mehr Geld, müssen die Versicherten über einkommensabhängige Zusatzbeiträge das Defizit ausgleichen. Lauterbach sieht derzeit die einkommensabhängigen Zusatzbeiträge noch als seinen Erfolg. Ob die Euphorie dafür bleibt, wenn die Beiträge auf bis zu 40 Euro ansteigen, wird sich noch zeigen.
Wichtige Projekte
Die Berliner Gesundheitspolitik dürfte in diesem Jahr aber nicht das einzige sein, was die Apotheker bewegt. Mit dem Start des ABDA-KBV-Modells in Sachsen und Thüringen beginnt ein Projekt, das für die Apotheker in ganz Deutschland eine erhebliche Bedeutung hat (lesen Sie dazu ABDA-KBV-Modell: »Ein ›Nicht-Klappen‹ ist ausgeschlossen«).
Gut zwei Jahre nachdem die Politik das gemeinsame Versorgungskonzept von Apothekern und Ärzten ins Versorgungsstrukturgesetz hineingeschrieben hat, soll es nun erprobt werden. Neben den Apothekerverbänden aus Thüringen und Sachsen sind auch die Kassenärztlichen Vereinigungen der beiden Bundesländer und die AOK Plus an dem Projekt beteiligt. Zentrale Bausteine sind Wirkstoffverordnung, Medikationskatalog und Medikationsmanagement.
Dass sich die Vorbereitungen in die Länge gezogen haben, ist keine Überraschung. Für die Apotheker hängt viel an dem Erfolg des Projektes, dessen Ziel die strukturierte Zusammenarbeit von Ärzten und Apothekern bei der Arzneimittelversorgung chronisch Kranker ist. Ab April sollen sich nun Ärzte und Apotheker für die Teilnahme an dem Projekt einschreiben können. Am 1. Juli könnte dann auch der Startschuss für die Behandlung der Patienten fallen. Hundertprozentig festlegen wollen sich die Beteiligten aber immer noch nicht. Das Projekt erscheint allen zu wichtig. Oberste Priorität hat deshalb bei der Planung die Gründlichkeit. Geschwindigkeit kommt erst an zweiter Stelle.
Aufgrund steigender Arzneimittelausgaben drohen den gesetzlich Krankenversicherten mittelfristig deutlich höhere Beiträge.
Foto: imago/Niehoff
Nach langen Verhandlungen sind sich Apotheker, Ärzte und AOK Plus sicher über den Erfolg des ABDA-KBV-Modells. »Wir sind in einem Stadium, in dem Nicht-Klappen ausgeschlossen ist«, sagte AOK-Sprecherin Hannelore Strobel im Gespräch mit der Pharmazeutischen Zeitung.
Ebenso wichtig wie das ABDA-KBV-Modell ist die Entwicklung eines neuen Leitbildes für Apotheker in öffentlichen Apotheken. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt und sein Vize Mathias Arnold haben diesen Prozess maßgeblich initiiert. Ziel ist es, auf dem Deutschen Apothekertag im September dieses Jahres in München der Öffentlichkeit ein konsentiertes Leitbild zu präsentieren (lesen Sie dazu Leitbild: Neun Monate bis zum Finale).
Kontroversen
An der Diskussion sollen sich nach den Vorstellungen von Arnold und Schmidt so viele Apotheker wie möglich beteiligen. Auf einer Website können sie ihre Vorstellungen und Antworten auf vorgegebene Fragen posten. Die Kommentare werden anschließend ausgewertet. Sie bilden die inhaltliche Basis für einen Konvent, auf dem die Teilnehmer die Rohfassung eines Leitbildes erstellen sollen.
Die Aufgabe, die sich Schmidt und Arnold gestellt haben, ist ambitioniert.Es war klar, dass es Kontroversen geben würde. Nicht jeder Apotheker hält ein neues Leitbild für notwendig. Vorträge und Diskussionsrunden auf Kammerversammlungen im November haben auch offenbart, dass manche Apotheker mit dem Begriff »Leitbild« noch nicht viel anfangen können. Gegenwind kommt auch von den Hochschullehrern und anderen Apothekern, die nicht in öffentlichen Apotheken arbeiten. Sie kritisieren, die ABDA erstelle ein Leitbild, das nur für eines der pharmazeutischen Berufsfelder stehe.
Die Mehrheit der Apotheker steht positiv zu dem Prozess. Das haben die Diskussionen beim Deutschen Apothekertag 2013 und bei zahlreichen Kammerversammlungen gezeigt. Es gibt zwar bei jeder Veranstaltung Apotheker, die keinen Sinn in einem neuen Leitbild erkennen, die meisten Apotheker begrüßen aber das Vorhaben, auch wenn die Vorstellungen im Einzelnen deutlich voneinander abweichen.
Ökonomisch sind für viele Apotheken im Jahr 2014 keine großen Veränderungen zu erwarten. Die Treuhand Hannover rechnet mit einem Umsatzplus von 2 Prozent, der Kassenabschlag bleibt auf dem Niveau des Vorjahres. Die Einkaufskonditionen könnten sich leicht verschlechtern, dafür wird die Notdienstpauschale erstmals für das ganze Jahr ausgezahlt. Die meisten Apotheken können auf ein ökonomisch stabiles Jahr bauen. Nach Berechnungen der Treuhand wird es aber auch Verlierer geben. Rund 300 Apotheken werden schließen (Lesen Sie dazu Wirtschaftliche Perspektiven: Wie wird 2014?). /