Auf die Adhärenz kommt es an |
Bei der Anamnese werden Symptome, familiäre Disposition, Ernährung und Dauermedikation abgeklärt. Labortechnisch werden Leukozyten, Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) und Harnsäure (Anstieg über 6,5 mg/dl) überprüft. Bei einem Gichtanfall liegt der Harnsäurespiegel häufig im Normbereich. Die Gelenkpunktion zeigt Uratkristalle in der Synovialflüssigkeit, beim akuten Gichtanfall aber oft nur bei 85 Prozent der Patienten. Mittels Dual-Energy-Computertomographie (DECT) und die Urografie kann der Arzt Uratsteine in der Niere abbilden.
Bei der chronischen Gicht sind im Röntgenbild sogenannte »Stanzdefekte« (Zeichen der Gelenkzerstörung) in den gelenknahen Anteilen des Knochens zu sehen. Wichtig ist der Ausschluss einer septischen Arthritis.
Therapie der ersten Wahl beim akuten Gichtanfall sind laut der DEGAM-Leitlinie für die primärärztliche Versorgung »Häufige Gichtanfälle und chronische Gicht« (Stand 2019) und der Leitlinie »Gichtarthritis« der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (Stand 2016) nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) und Colchicin (Tabelle 2). Bei nicht ausreichender Wirksamkeit, bei Kontraindikationen und Komorbiditäten können Glucocorticoide Mittel der Wahl sein. Während der akuten Entzündung über zwei bis drei Tage ist die NSAR-Höchstdosis indiziert. Die Therapie sollte möglichst zeitnah innerhalb der ersten 24 Stunden beginnen.
Empfehlungen | S2e-DEGAM-Leitlinie | S2e-Leitlinie Gichtarthritis |
---|---|---|
akuter Gichtanfall | Therapie der ersten Wahl: NSAR und Colchicin, bei nicht ausreichender Wirksamkeit, Kontraindikationen und Komorbiditäten: Glucocorticoide | Therapie der ersten Wahl: NSAR und Colchicin,bei nicht ausreichender Wirksamkeit, Kontraindikationen und Komorbiditäten: Glucocorticoide |
Indikation zur Harnsäuresenkung | unter Einbeziehung der Patientenwünsche bei mehr als zwei sicheren Gichtanfällen/Jahr, rezidivierender Gicht, Tophi | bei einem gesicherten Gichtanfall und bei chronischer Arthritis |
Therapieprinzipien | Behandlung unter Einbeziehung des Patienten zur Verringerung von Überversorgung und Überdiagnostik (break-even-point: Punkt, an dem der Nutzen der Harnsäuresenkung den Schaden überwiegt) | bei Verdacht auf Gichtarthritis: Empfehlung einer Gelenkpunktion zum Nachweis von Natriumurat-Kristallenkonsequente Harnsäuresenkung bis zum Erreichen des Zielwerts (treat to target) |
Beginn der Rezidivprophylaxe (Harnsäuresenkung) | 14 Tage nach dem akuten Gichtanfall | sofort im Anschluss oder während der Akutbehandlung zur Vermeidung von Folgeerkrankungen |
Grundsätze der Harnsäuresenkung | Mittel der Wahl: Allopurinol, Prinzip: start low – go slow,Dauertherapie, Auslassversuch nach fünf Jahren möglich,regelmäßige Kontrolle des Harnsäurespiegels, Zielwert ≤ 6 mg/dl, bei tophöser Gicht ≤ 5mg/dlkein Absetzen der Medikamente beim Gichtanfall | Mittel der Wahl: Allopurinol, Prinzip: start low – go slow,Dauertherapie, Auslassversuch nach fünf Jahren, regelmäßige Kontrolle des Harnsäurespiegels, Zielwert ≤ 6 mg/dl, bei tophöser Gicht ≤ 5mg/dlkein Absetzen der Medikamente beim Gichtanfall |
Anfallsprophylaxe | zwei bis sechs Monate, off Label mit NSAR, ColchicinCorticoide mit geringer Evidenz | zwei bis sechs Monate, off Label mit NSAR, ColchicinCorticoide mit geringer Evidenz |
Begleitmaßnahmen | Lebensstiländerung, Patientenschulung, Ernährungsempfehlungen, Stärkung der Adhärenz | Lebensstiländerung, Patientenschulung, Ernährungsempfehlungen, Stärkung der Adhärenz |
Naproxen ist Mittel der Wahl aufgrund der Verträglichkeit und der langen Halbwertszeit und wird initial mit 750 mg und dann alle acht Stunden 250 mg dosiert, Tageshöchstdosis ist 1250 mg. Im weiteren Verlauf wird mit zweimal täglich 250 bis 500 mg behandelt. Ergänzt wird ein Protonenpumpenhemmer, zum Beispiel einmal morgens 20 mg Omeprazol. Bei fehlender Besserung innerhalb von 24 bis 72 Stunden wird die Therapie angepasst. Für den akuten Gichtanfall ist auch Etoricoxib zugelassen.
Der Einsatz von Acetylsalicylsäure ist nicht sinnvoll, da ASS die renale Harnsäureausscheidung verringert und dadurch den akuten Gichtanfall verschlimmert. Zur Linderung der Schmerzen ist Ibuprofen unter Beachtung der Kontraindikationen möglich.
Der Mitosehemmstoff Colchicin wird in den Leitlinien ebenfalls als Therapie der Wahl beim akuten Gichtanfall genannt, allerdings selten verordnet, vermutlich aufgrund der geringen therapeutischen Breite. Die Therapie sollte möglichst innerhalb von zwölf bis 36 Stunden beginnen (initial 1 mg, nach einer Stunde 0,5 mg, gefolgt von zwei- bis dreimal 0,5 mg für weitere zwei bis drei Tage, dann mindestens drei Tage Pause). Die Gesamthöchstdosis pro Anfall beträgt 6 mg, verteilt über vier Tage. Die tödliche Dosis beträgt für Erwachsene 20 mg, eine engmaschige Nierenkontrolle ist notwendig. Essenziel ist die sichere Kontrazeption: für Frauen bis zu drei Monate und für Männer bis etwa sechs Monate nach Therapieende! Kontraindikationen und Wechselwirkungspotenzial sind hoch, ebenso das Nebenwirkungspotenzial mit Durchfall, akuter Gastroenteritis und Schwindel.
Corticoide zur Antiinflammation sind Mittel zweiter Wahl. Die Anwendung erfolgt intraartikulär und/oder systemisch über fünf Tage mit 30 bis 35 mg Prednisolon-Äquivalenten. Bevorzugt werden sie bei Menschen mit Niereninsuffizienz eingesetzt. Zu beachten ist die Verschlechterung der Stoffwechsellage bei Diabetes-Patienten.
Das Immunsuppressivum Canakinumab bindet humanes Interleukin-1β und verringert die Bildung von Entzündungsmediatoren. Als Therapieoption der dritten Wahl ist es indiziert bei Patienten mit Gichtarthritis und mehr als drei Gichtanfällen pro Jahr, wenn Colchicin, NSAR und Corticoide wirkungslos oder kontraindiziert sind.
Im Anschluss an die Therapie des akuten Gichtanfalls erfolgt eine harnsäuresenkende Therapie. Wichtig sind die ausführliche Patientenschulung mit Ernährungsempfehlungen und Informationen über die Arzneimitteltherapie (Tabelle 2). Das Apothekenpersonal kann hier effektiv unterstützen, denn die Leitlinien bemängeln die ungenügende Aufklärung und Adhärenz der Patienten.