Wie gelingt eine gute Ernährung? |
Einig sind sich die beiden Expertinnen darin, wie wichtig es ist, eine Mangelernährung zu erkennen. »Unser wichtigstes Instrument, um Mangelernährung zu erkennen, ist das speziell für geriatrische Patienten entwickelte Mini Nutritional Assessment (MNA), anhand dessen Body-Mass-Index, Gewichtsverlust, schwere Erkrankung und eine verminderte Nahrungszufuhr in der vergangenen Woche erfasst werden«, sagt Ernährungsmedizinerin Rubin. Bisher konnten keine allgemeinen Biomarker für eine globale Mangelernährung identifiziert werden. Zwar weise ein Albumindefizit im Blutbild in diese Richtung, doch unterliege der Albuminspiegel vielen Einflussfaktoren und sei nur begrenzt aussagekräftig.
Und auch Volkert mahnt zur Ursachensuche, wenn ein älterer Mensch unbeabsichtigt an Gewicht verliert. Neben Schluck- und Kauproblemen seien oft Schmerzen oder Verstopfung die Ursache, die vor allem Senioren mit Demenz nicht richtig beschreiben können. Auch Depression, Infektionen oder gastrointestinale Störungen können die Ursache sein. Bemerkenswert und noch nicht völlig verstanden sei ein Gewichtsverlust, der vor der Krankheitsdiagnose auftritt, gibt die Ernährungswissenschaftlerin zu bedenken. Möglicherweise sei hier eine niederschwellige Entzündung, eine »Low-Grade-Inflammation«, beteiligt, die charakteristisch für eine Immunoseneszenz ist (Kasten).
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Hält eine Mangelernährung länger an, kann es zu einer Reihe von Komplikationen kommen, die die Lebensqualität und Lebensdauer eines älteren Menschen erheblich einschränken.
Kachexie: Bei einer Kachexie kommt es nicht nur zum vollständigen Abbau der Speicherfettdepots, sondern zum schrittweisen Funktionsausfall der Organe. Der Unterschied zwischen Kachexie und Mangelernährung ist die Inflammation, am besten messbar anhand des C-reaktiven Proteins.
Immunoseneszenz: Mit zunehmendem Lebensalter lässt die Leistungsfähigkeit des Immunsystems nach. Dabei verändert sich die Funktion der Mitochondrien und anderer Zelltypen wie der Endothelzellen. Die genauen Ursachen sind komplex und bisher noch wenig verstanden. Mit der Abnahme der Immunfunktion können chronische Entzündungen aufflammen. Sowohl dieses Inflammaging als auch die Immunoseneszenz tragen zu einem erhöhten Erkrankungsrisiko bei.
Sarkopenie: Bei einer Sarkopenie gehen Muskelmasse, -kraft und -leistung verloren. Ursache des starken muskulären Abbaus sind endokrine, neurodegenerative und inflammatorische Veränderungen. Vor allem trägt eine unzureichende Ernährung zu einer Sarkopenie bei.
Frailty-Syndrom: Frailty oder Gebrechlichkeit ist ein geriatrischer Komplex verschiedener Symptome, deren wichtigste Ursache eine Sarkopenie ist. Ein deutlicher Verlust an Kraft und Ausdauer zeigt sich beispielsweise beim verlangsamten Gehen, an Schwierigkeiten beim Aufstehen, einer raschen Ermüdbarkeit und eingeschränkten Organfunktionen.